Abwehrmodell mit ganzheitlicher Wirkung
Wie Hormone fernab von Verletzungen aktiviert werden
Erleidet eine Pflanze eine Verletzung, werden an anderer Stelle im Organismus Jasmonate aktiviert, die wiederum die pflanzliche Abwehr ankurbeln. Wie dieser Prozess genau vonstattengeht, ist bisher nicht gänzlich verstanden. Wissenschaftler haben nun ein Modell entwickelt, mit dem sich dieser wichtige Prozess für das Überleben erklären lässt.
Jasmonate spielen eine wichtige Rolle im Leben einer Pflanze. Die zyklischen Fettsäurederivate steuern sowohl, wie und wann eine Pflanze wächst und blüht, als auch ihre Abwehr gegen Fressfeinde und die Wundheilung, wenn eine Pflanze beschädigt bzw. angeknabbert wurde. Trotz ihrer vielfältigen Beteiligung an verschiedenen Stoffwechselprozessen einer Pflanze, ist bisher nur wenig darüber bekannt, wie Jasmonate ihre Wirkung entfalten.
Systemische Abwehr schon lange bekannt
Dass der Wirkort von pflanzlichen Hormonen nicht unbedingt deckungsgleich mit der verwundeten Stellen einer Pflanze sein muss, haben Wissenschaftler bereits in den frühen 1970er Jahren propagiert. Wird eine Pflanze beispielsweise von einem Insekt angefressen, löst die verwundete Stelle eine systemische Abwehrreaktion aus. Das bedeutet, dass sich auch die Organe weit ab einer verletzten Stelle auf einen Angriff vorbereitet werden, indem frühzeitig Verteidigungsreaktionen ausgelöst werden. Eine systemische Abwehrreaktion kann aber auch dazu führen, dass Pflanzen, ganze Pflanzenteile gezielt absterben lassen, so dass auf diese Weise der Rest der Pflanze überlebt. Die Ausbreitung von Pilzen, Bakterien oder Viren wird auf diesem Weg in einer Pflanze eingeschränkt.
Aber nicht nur das - auch andere Pflanzen können durch flüchtige Stoffe, sozusagen auf dem Luftweg gewarnt werden und organisieren prophylaktisch ihre Verteidigung (für mehr Informationen zu diesem Thema siehe unsere Beiträge „Pflanzen im Dialog“) und „Pflanzen riechen kranke Nachbarn“).
Schnelle Signalübertragung über größere Distanzen
Im letzten Jahr konnten Wissenschaftler zeigen, dass Signale von verwundeten Pflanzenstellen tatsächlich über weite Distanzen die Produktion von Jasmonaten anregen - und dass diese Signale mit einer hohen Geschwindigkeit zu anderen Teilen der Pflanze wandern. Anders als bei der menschlichen Signalweiterleitung in Nervenzellen, spricht man bei Pflanzen bereits von einer schnellen Signalübertragung, wenn das Signal mehrere Zentimeter pro Minute zurücklegt. Die Wissenschaftler fanden außerdem heraus, dass diese Signalweiterleitung von bestimmten Genen gesteuert wird (Glutamat Rezeptor Like Gene – GLR). Welcher Natur das ausgesendete Signal jedoch ist, ließ diese Studie noch unbeantwortet.
Xylem als Informationsautobahn
In einer aktuellen Studie haben sich Wissenschaftler genau mit dieser Frage beschäftigt. In einem Modell erklären sie, wie Jasmonate fernab der verwundeten Stelle aktiviert werden könnten. Dabei spielt für die Signalübertragung innerhalb einer Pflanze das Xylem eine wichtige Rolle. Das Leitgewebe ist für den Transport von Wasser und die in ihm gelösten anorganischen Substanzen verantwortlich. Dient aber auch, so die Ergebnisse der Studie, als Informationsautobahn.
Die Wissenschaftler gehen von folgender Überlegung aus: Frisst beispielsweise ein Insekt ein Loch in ein Blatt, fällt der hydrostatische Druck innerhalb des Xylems rapide ab. Dieser Druckabfall breitet sich über das Gefäßsystem in der übrigen Pflanze aus und führt letztendlich zu einer Aktivierung der Jasmonate. Als mögliches Enzym, welches diese Signale empfängt und im Anschluss Jasmonate produziert, kommt laut den Wissenschaftler ein Enzym mit dem kryptischen Namen LOX6 in Frage. Der Anschaltknopf zur Herstellung dieses Enzyms, der Promotor, sitzt nämlich genau in jenen Zellen, die an die Xylem-Gefäße angrenzen. Hier könnte LOX6 nach einer Verletzung den Druckverlust im Xylem sofort wahrnehmen und die Jasmonat-Produktion fernab der Verletzung ankurbeln.
Langstrecken-Signalsystem aus unterschiedlichen Komponenten
In ihrem Signalübertragungs-Modell verbinden die Wissenschaftler mechanische, elektrische und biochemische Komponenten miteinander, die zusammengenommen ein Langstrecken-Signalsystem bei einer Verwundung der Pflanze bilden. Bisher handelt es sich dabei nur um Vorhersagen innerhalb eines theoretischen Modells. Ob sich die Hypothesen der Wissenschaftler zu einem der bedeutendsten pflanzlichen Mechanismen bewahrheiten, werden praktische Versuche bald klären.
Quelle:
Farmer, E.E. et al. (2014): The squeeze cell hypothesis for the activation of jasmonate synthesis in response to wounding. In: New Phytologist, Special Issue: Plants interacting with other organisms, Volume 204, Issue 2, pages 282–288, (Oktober 2014), DOI: 10.1111/nph.12897.
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Titelbild: Wird ein Blatt angefressen, sinkt der hydrostatischen Druck im Xylem schlagartig. Wissenschaftler vermuten, dass dadurch das Jasmonat-gesteuerte Abwehrsystem gestartet wird. (Bildquelle: © feathercollector - Fotolia.com)