Agrodiversität ist Teil der biologischen Vielfalt
Die komplexe Thematik der biologischen Vielfalt (Biodiversität) reicht vom natürlich vorkommenden Artenreichtum über die landwirtschaftliche bis hin zur genetischen Vielfalt. Obwohl die Artenvielfalt weltweit mit entsprechenden Folgen akut bedroht ist, stellten niederländische Forscher nun fest, dass sich die genetische Vielfalt unserer Nutzpflanzen in den letzten vierzig Jahren erhöht hat.
Biologische Vielfalt ist die Grundlage allen Lebens. Sie umfasst drei Ebenen: Die Vielfalt an Ökosystemen bzw. Lebensgemeinschaften, Lebensräumen und Landschaften ist großflächig zu sehen. Die Vielfalt der Arten findet sich in diesen Ökosystemen. Schließlich kann die genetische Vielfalt alle Gene innerhalb einer Art oder die gesamte genetische Vielfalt eines Ökosystems bedeuten. Diese Biodiversität ist für natürlich vorkommende Ökosysteme sowie deren Arten bzw. Erbgut ebenso überlebenswichtig wie für landwirtschaftliche Systeme, die letztlich in natürliche Systeme eingebunden sind.
Die Vereinigten Nationen (UN) haben 2010 zum Internationalen Jahr der Artenvielfalt erklärt. Sie möchten damit auf den weltweit akut drohenden Verlust der biologischen Vielfalt aufmerksam machen. Zusätzlich findet jedes Jahr am 22. Mai der Tag der biologischen Vielfalt statt, der an das Inkrafttreten des Übereinkommens über die biologische Vielfalt erinnern soll. An diesem Tag wurde die dritte Ausgabe des Globalen Ausblicks zur Situation der Biologischen Vielfalt (Global Biodiversity Outlook – GBO-3) vorgestellt. Die Veröffentlichung bestätigt den weltweiten Trend zum Verlust der Biodiversität in vielen Ökosystemen. Die Ursachen sind in der Klimaerwärmung, Verschmutzung der Lebensräume, Überdüngung, Überfischung, Jagd, Ausbeutung der Ressourcen und der Ausbreitung fremder Arten zu suchen. Vor allem in Schwellenländern nimmt die Zerstörungen gigantischer Flächen jedes Jahr zu. In der Landwirtschaft nimmt laut GBO-3 die Anzahl der genutzten Sorten und damit ihre genetische Vielfalt weiter ab. Die Zahl und Fläche von Land-Schutzgebieten hat zwar erfreulicherweise mit über zwölf Prozent der Fläche einen guten Stand erreicht, ein Schutz der Biodiversität ist damit jedoch noch nicht sicher gestellt.
Ein Verlust der Biodiversität geht mit einer Bedrohung bewährter Ökosysteme, mit ökonomischen Verlusten, sozialen Risiken sowie letztendlich mit weltweitem Nahrungsmittelmangel einher. Das von verschiedenen europäischen Ministerien und Organisationen unterstützte Projekt „Economics of Ecosystems and Biodiversity TEEB“ versucht, den finanziellen Gegenwert von Ökosystemen zu berechnen. In die Hochrechnungen wurden „natürliche“ Dienstleitungen, wie Lieferung von sauberem Trinkwasser, Regen für die Landwirtschaft, Erlös aus der Fischerei und Naturtourismus miteinbezogen. Für den jährlichen Verlust der Wälder allein haben TEEB-Forscher eine Summe von zwei bis fünf Billionen Dollar (1 Billion = 1.000 Mrd. $) berechnet. Auch wenn diese Berechnungen über den Wert der Natur von anderen Wissenschaftlern kritisch betrachtet werden, so spielen ökonomische Aspekte beim weltweiten Verlust der Biodiversität in jedem Falle eine große Rolle.
Auf die Agrodiversität bezogen bedeutet eine immer kleinere Auswahl landwirtschaftlich genutzter Pflanzen, dass genetische Ressourcen, die zur langfristigen Sicherung der Ernährung benötigt werden, gefährdet sind. Unbekannte Schädlinge und Krankheiten, die sich auf immer größeren Anbauflächen ausbreiten, könnten dann eine ernste Bedrohung zur Sicherung der Welternährung darstellen. Auch die züchterische Anpassung an Klimaveränderungen könnte erschwert werden.
Ob mit der Abnahme der Agrobiodiversität auch die genetische Vielfalt einzelner Sorten sinkt, wollte der niederländische Wissenschaftler Mark van de Wouw vom „Dutch Centre for Genetic Resources“ herausfinden. Mit seinem Team hat er 44 Publikationen evaluiert, welche die genetische Vielfalt verschiedener Nutzpflanzen mithilfe der genetischen Marker-Technologie analysierten. Überraschenderweise stellte er fest, dass die genetische Vielfalt neu entwickelter Nutzpflanzensorten in den letzten vier Jahrzehnten entgegen der Meinung vieler Biologen zugenommen hat. Als Erklärung führt van de Wouw an, dass einerseits neue Züchtungstechnologien das Einbringen von Genen in neue Sorten und damit die moderne Züchtung erleichtern. Andererseits steht den Züchtern aufgrund von Genbanken, die seit den 1960er Jahren verstärkt gegründet wurden, mehr genetisches Material zur Verfügung.
Natürlich vorkommende Lebensräume werden auch aufgrund sich ausbreitender landwirtschaftlich genutzter Flächen, die zur Sicherung der Nahrungsmittelversorgung von bis zu 9 Milliarden Menschen bis zum Jahr 2050 benötigt werden, zerstört. Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass die Erhaltung der Biodiversität mit Innovationen in der Pflanzenzucht einhergehen muss. Nur ertragsreiche Kulturpflanzen, die sowohl Schädlingen und Krankheiten als auch dem Klimawandel widerstehen, können den Verlust natürlicher Lebensräume in Grenzen halten. Für deren Entwicklung sind die Forscher wiederum auf die genetische Vielfalt von Wildpflanzen angewiesen. Nachhaltige Landwirtschaft, die traditionelle Methoden mit moderner Technologie verbindet, stellt daher einen wesentlichen Teilsaspekt für die Erhaltung der globalen Biodiversität dar.
Anregungen zum Weiterlesen:
Titelbild: Biodiversität bei Äpfeln (© Firma Frutmac / PIXELIO - www.pixelio.de)