Alles braucht seine Zeit

Blütenpflanzen entwickelten sich in zwei Schritten – mit 250 Millionen Jahren Pause

04.10.2021 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Es war ein langer Weg zur Blüte. (Bildquelle: © Steve Bidmead / Pixabay)

Es war ein langer Weg zur Blüte. (Bildquelle: © Steve Bidmead / Pixabay)

Forscher:innen haben die Strukturen der Fortpflanzungsorgane lebender und ausgestorbener Samenpflanzen verglichen – so konnten sie die Entwicklung bis zu den heutigen Blütenpflanzen detailliert nachvollziehen.

Wie haben sich unsere Pflanzenarten zu dem entwickelt, was sie heute sind? Die Evolution der Landpflanzen begann schon vor etwa 475 Millionen Jahren und die ersten Exemplare waren deutlich einfacher „gestrickt“ als heute. Über die Jahrmillionen kamen immer wieder Neuerungen hinzu, bis sich unsere heutigen Pflanzenarten mit komplexen Fortpflanzungsmechanismen bilden konnten. Aber war es ein Prozess der kleinen Schritte oder gab es auch große evolutionäre Sprünge? Ein Forschungsteam ist dem auf den Grund gegangen.

Höhere Pflanzen

Die Genese der höheren Pflanzen (sogenannte Gefäßpflanzen oder Tracheophyta) begann im späten Silur (vor etwa 443 bis 419 Millionen Jahren). Kennzeichnend für sie war die Ausbildung von Leitbündeln, mit dem Wasser in die verschiedenen Pflanzenteile transportiert werden konnte.

#####1#####
Kirschblüten mit Biene: Die Anlockung von Insekten mithilfe von Blüten ist eine „Erfindung“ der Bedecktsamer.

Kirschblüten mit Biene: Die Anlockung von Insekten mithilfe von Blüten ist eine „Erfindung“ der Bedecktsamer.

Bildquelle: © yeon woo lee / Pixabay

Als diesen anfangs noch sehr einfach aufgebauten Pflanzen entwickelten sich zu Beginn des Devons (vor etwa 420 bis 360 Millionen Jahren) die ersten Samenpflanzen (Spermatophyta). Bei ihnen gab es noch keine Hülle um die Samenanlagen. Sie werden daher als Nacktsamer oder Gymnospermen bezeichnet, heutige Vertreter sind beispielsweise die Nadelbäume und der Ginkgo.

Erst in der Kreidezeit (vor 100 bis 66 Millionen Jahren) kamen die sogenannten Bedecktsamer oder Angiospermen hinzu, bei denen die Samenanlagen durch das um sie geschlossene Fruchtblatt (Karpell) geschützt sind.

Von einfach zu komplex

Die Forscher:innen gingen der Frage nach, wie sich die Entwicklung der Fortpflanzungsorgane von freiliegenden Sporangien hin zu den komplexen Blüten der Angiospermen vollzog. Dazu analysierten und zählten sie die kleinsten Grundeinheiten der Fortpflanzungsorgane von 1 338 Taxa (866 von ausgestorbenen Pflanzen und 472 von heute lebenden Pflanzen). Zu diesen Grundeinheiten gehörten die Sporangien sowie sogenannte METs (Morphological Element Types): Das sind Strukturen, die zwischen den Sporangien und dem vegetativen Teil der Pflanze (Blätter, Stängel) liegen. Hierzu gehören zum Beispiel Deck- und Samenschuppen oder Kron- und Kelchblätter.

Eine neue Erfindung

Auf diesem Weg konnten die Forscher:innen die Entwicklung der Pflanzen anhand der zunehmenden Anzahl der METs über etwa 420 Millionen Jahre nachvollziehen. Sie erkannten zwei evolutionäre Sprünge, einmal im späten Devon und noch einmal in der späten Kreidezeit – dazwischen eine lange Entwicklungspause von etwa 250 Millionen Jahren. 

Die Pflanzenentwicklung lag während dieser Zeit etwa auf dem Level heutiger Gymnospermen, bis in der Kreidezeit eine wichtige „Innovation“ gelang: die Entwicklung des Fruchtblatts als Schutz der Samenanlagen. Das gab den Startschuss für eine rasante Zunahme bei der Vielfalt der METs. Denn jetzt mussten die Pflanzen weitere „Erfindungen“ machen, um bei einer geschlossenen Blütenanlage ihre Befruchtung sicherzustellen. 

#####2#####
Kiefernzapfen: Im Gegensatz zu den Bedecktsamern liegen die Samenanlagen bei den Nacktsamern frei.

Kiefernzapfen: Im Gegensatz zu den Bedecktsamern liegen die Samenanlagen bei den Nacktsamern frei.

Bildquelle: © Henryk Niestrój / Pixabay

Eine Strategie war die Ausbildung von Narbe und Griffel. Dann kamen Tiere als Überträger der Pollen und als Verbreiter von Samen hinzu, was zusätzliche Anpassungen an deren Anatomie nötig machte. Außerdem entwickelten die Pflanzen Mechanismen zur Anlockung ihrer Bestäuber. Das führte zu den komplexen Gebilden, die wir heute als „Blüten“ im engeren Sinne kennen, so die Forscher:innen.

Mehr Funktionen durch Genomduplikationen

Ein möglicher Auslöser der beiden Entwicklungsschübe liegt laut der Forscher:innen in Ereignissen auf genetischer Ebene: Demnach könnte eine Genomduplikation der Auslöser für die Entstehung sowohl der Samenpflanzen als auch der Angiospermen gewesen sein.

Denn nur wenn für jedes essentielle Gen eine funktionierende „Ersatzkopie“ vorhanden ist, kann es sich frei verändern. Ansonsten wären viele Mutationen, die zu neuen METs führen könnten, tödlich für die Pflanze. Das würde auch erklären, warum die Tiere, die bereits seit etwa 300 Millionen Jahren als Bestäuber zur Verfügung standen, erst in der Kreidezeit plötzlich in großem Stil für die Pflanzen „interessant“ wurden.

Auch wenn die Entwicklung der Angiospermen so lange gedauert hat, es hat sich doch gelohnt: Betrachtet man ihre Vielfalt und ihre globale Verbreitung, können sie wohl als echtes Erfolgsmodell der Evolution bezeichnet werden.


Quelle:
Leslie, A.B., Simpson, C. und Mander, L. (2021): Reproductive innovations and pulsed rise in plant complexity. In: Science, Vol 373, (17. September 2021), doi: 10.1126/science.abi6984.

Zum Weiterlesen:

Titelbild: Es war ein langer Weg zur Blüte. (Bildquelle: © Steve Bidmead / Pixabay)