Alte Landrassen als wertvolle „Genspender“

Projekt MAZE3: Elite-Mais mit höherer Kältetoleranz

26.03.2025 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Eine Drohne hat die unterschiedlichen Maislinien an der Versuchsstation Roggenstein fotografiert.  (Bildquelle: © Tom Freudenberg / pict-images)

Eine Drohne hat die unterschiedlichen Maislinien an der Versuchsstation Roggenstein fotografiert. (Bildquelle: © Tom Freudenberg / pict-images)

Mais mag es warm und kann in Mitteleuropa daher erst spät ausgesät werden. Das Projekt MAZE3 will die Kältetoleranz von Elite-Mais verbessern und sucht dafür im Genom von alten Landrassen nach günstigen Allelen. Erste Erfolge gibt es bereits.

Auf unseren Maisfeldern wachsen kräftige Pflanzen mit starken Stängeln und großen Kolben. Diese Elite-Sorten sind das Ergebnis von 70 Jahren Züchtung. Schaut man sich die alten Landrassen an, sind die Unterschiede offensichtlich. Ihre schwachen Stängel knicken häufig um, die reifen Körner fallen teilweise schon vor der Ernte vom Kolben ab und Krankheitserreger haben oft leichtes Spiel.

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Alte Landrassen von Mais können mit modernen Elitesorten nicht mithalten. Doch in ihrem Genom lassen sich Allele finden, die günstige Eigenschaften vermitteln, die bei der Züchtung bisher unbeachtet geblieben sind.

Alte Landrassen von Mais können mit modernen Elitesorten nicht mithalten. Doch in ihrem Genom lassen sich Allele finden, die günstige Eigenschaften vermitteln, die bei der Züchtung bisher unbeachtet geblieben sind.

Bildquelle: © Tom Freudenberg / pict-images

In diesen züchterisch nur wenig bearbeiteten Linien schlummert aber trotzdem ein großes Potenzial: „Die alten Sorten haben sehr viele Mängel, aber sie können auch wichtige Eigenschaften besitzen, die dem modernen Mais abhandengekommen sind und bislang bei der Züchtung nicht im Vordergrund standen“, erklärt Chris-Carolin Schön, Professorin an der TU München und Koordinatorin des Projekts MAZE. „Früher wurde zum Beispiel weniger mit Stickstoff gedüngt. Es könnte also sein, dass einige Landrassen eine bessere Stickstoffverwertung aufweisen“, erklärt die Forscherin.

Im Rahmen des Projekts MAZE soll dieser genomische Schatz gehoben werden. MAZE wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung im Programm „Pflanzenzüchtungsforschung für die Bioökonomie“ gefördert. Die erste Projektphase lief von 2016 bis 2019, die zweite von 2020 bis 2023. Aktuell befindet es sich in der dritten Förderphase, die noch bis 2026 andauert.

Die Projektpartner und das übergeordnete Ziel

Wissenschaftliche Partner:

Industriepartner:

Ein zentrales Ziel des Konsortiums ist die Verbesserung der Kältetoleranz von Maispflanzen. Denn die modernen Maissorten können erst ausgesät werden, wenn die Bodentemperatur mindestens acht Grad beträgt. Das ist in Mitteleuropa meist erst zwischen April und Mai der Fall. Dadurch verkürzt sich die Zeit, die der Pflanze zum Wachsen bleibt.

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Unterschiedliche Genotypen führen bei gleichen Umweltbedingungen zu ganz verschiedenen Phänotypen.

Unterschiedliche Genotypen führen bei gleichen Umweltbedingungen zu ganz verschiedenen Phänotypen.

Bildquelle: © Lehrstuhl für Pflanzenzüchtung / TU München

Eine frühere Aussaat von Mais hätte weitere Vorteile. Durch die längere Vegetationszeit könnten die Pflanzen Nährstoffe und Wasser im Boden effizienter nutzen, wodurch die Stickstoffauswaschung ins Grundwasser abnimmt. Zudem würden die jungen Maispflanzen den Boden früher bedecken und ihn besser vor Wind und Regen schützen. Die Bodenerosion verringert sich so deutlich. Gleichzeitig ließe sich der Einsatz von Herbiziden senken, da der Mais konkurrierenden Unkräutern das Licht nimmt, sobald er seine Blätter gen Sonne streckt.

Noch ein weiterer Nachteil der späten Aussaat könnte vermieden werden: Die Blütenentwicklung moderner Maissorten fällt in den oft trockenen Hochsommer. Wassermangel beeinträchtigt dann die Pollenproduktion und Befruchtungsrate und wirkt sich negativ auf den Ertrag aus.

Das experimentelle Vorgehen

In den ersten beiden Förderphasen wurden ausgehend von drei Flint-Landrassen etwa 1000 doppel-haploide (DH) Linien erzeugt und in einem zweijährigen Feldversuch an unterschiedlichen Orten in Europa angebaut. An diesen Linien wurden mehr als 50 Merkmale erfasst, anschließend das gesamte Genom analysiert. Das Ziel ist es herauszufinden, welche Allele für welche Merkmale verantwortlich sind. „Wir arbeiten mit quantitativen Merkmalen, wo sehr viele Gene an der Merkmalsausprägung beteiligt sind, und jedes einzelne Gen oft nur einen kleinen Beitrag leistet“, erklärt Schön. Das mache es schwierig, diese Effekte im Phänotyp sicher zu erkennen.  

„Die positiven Effekte sind klein und verstecken sich, aber häufig sehen wir deutliche negative Effekte, wenn also irgendein Gen nicht funktioniert“, sagt Schön. „Diese negativen Effekte weisen uns den Weg zu den entscheidenden Genen, die das Merkmal beeinflussen.“ In den Landrassen sucht das Team dann an diesen Genorten nach Allelen, die sich von bereits bekannten Allelen unterscheiden. Zurzeit laufen die Auswertungen dieser riesigen Datenmenge. Und erste Erfolge gibt es bereits zu verkünden.

„Es ist dem Konsortium in interdisziplinärer Zusammenarbeit gelungen, mehrere Gene, die für die Photosyntheseleistung oder das Wurzelwachstum relevant sind zu identifizieren. Dies ist wichtig, um das frühe Pflanzenwachstum zu befördern“, sagt Chris-Carolin Schön.

Verbesserung der Photosynthese

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Diese Landrasse bleibt unter den Feldbedingungen klein und zeigt Zeichen einer Erkrankung.

Diese Landrasse bleibt unter den Feldbedingungen klein und zeigt Zeichen einer Erkrankung.

Bildquelle: © Lehrstuhl für Pflanzenzüchtung / TU München

Bei der Photosynthese wandeln Pflanzen Lichtenergie in chemische Energie um. Je effizienter dieser Prozess abläuft, desto schneller wachsen die Pflanzen. Ein Gen, das daran beteiligt ist, heißt ndhm1 und kodiert die Untereinheit M des NADH-Dehydrogenase-ähnlichen (NDH)-Komplex.

In der Landrasse Kemater aus Österreich fand das Forschungsteam eine seltene Allelvariante von ndhm1, die die Photosyntheseleistung der Pflanzen und damit eine Reihe von agronomisch wichtigen Eigenschaften verbessert. Die Pflanzen mit diesem Allel, das aus einer Genverdoppelung von ndhm1 entstanden ist, wachsen höher, bilden mehr Chlorophyll und sind toleranter gegenüber niedrigen Temperaturen.

„Darauf sind wir stolz, weil es tatsächlich etwas wirklich Neues ist. Damit haben wir zeigen können, dass wir Elitesorten mit Genvarianten aus Landrassen bereichern können“, sagt Schön.

Wurzelwachstum

Über die Wurzelhaare nehmen Pflanzen Wasser und Nährstoffe aus dem Boden auf. Außerdem verankern sie die Pflanze fest im Boden und sind wichtig für die positive Interaktion mit Mikroben in der Rhizosphere. Bei niedrigen Temperaturen kommt aber das Wachstum der Wurzelhaare zum Erliegen.

Die DH-Linie PE0075, die aus der Landrasse Petkuser generiert wurde, fiel durch ihre Kältetoleranz auf. Genetische Analysen zeigten, dass dafür ein spezielles Allel des Gens dreb2.1 verantwortlich ist, das einen Transkriptionsfaktor kodiert. Er ist es, der bei niedrigen Temperaturen die Ausbildung von Wurzelhaaren verhindert. In der DH-Linie PE0075 wurde die Aktivität von dreb2.1 unter moderatem Kältestress gehemmt, sodass die Pflanzen trotz niedriger Temperaturen weiterhin Wurzelhaare bildeten.

„Diese Erkenntnisse können Züchter nutzen, um Elitesorten mit dem vorteilhaften dreb2.1-Allel auszustatten. Dadurch ließe sich die Kältetoleranz der Pflanzen erhöhen, Ernteerträge stabilisieren und Mais besser an gemäßigte Klimazonen anpassen“, erklärt Dr. Yaping Zhou, die die Experimente durchgeführt hat.

Rapid Cycling

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Bei diesen Pflanzen wird deutlich, wie stark sich die frühen Entwicklungsphasen unterscheiden können. Die Landrasse im Vordergrund wächst langsam. Doch vielleicht schummern andere positive Eigenschaften in ihr.

Bei diesen Pflanzen wird deutlich, wie stark sich die frühen Entwicklungsphasen unterscheiden können. Die Landrasse im Vordergrund wächst langsam. Doch vielleicht schummern andere positive Eigenschaften in ihr.

Bildquelle: © Lehrstuhl für Pflanzenzüchtung / TU München

Ein weiterer Erfolg des Projekts ist die Entwicklung eines Rapid-Cycling-Schemas, das die Selektion ausschließlich auf Basis genomischer Daten ermöglicht und den Phänotyp als Auswahlkriterium überflüssig macht:

Zunächst speisten die Forschenden ein statistisches Modell mit den DNA-Profilen und phänotypischen Merkmalen der DH-Linien. Anschließend kreuzten sie gezielt Linien mit besonders vielversprechenden Genomen für die frühe Jugendentwicklung. Anstatt die Nachkommen eine Saison lang wachsen zu lassen, um ihren Phänotyp zu beurteilen, nutzte das Modell die DNA-Profile der Keimlinge zur Vorhersage ihrer Eigenschaften. Die vielversprechendsten Pflanzen wurden für die nächste Kreuzungsrunde ausgewählt – ein Prozess, der kontinuierlich optimiert wurde.

„Wir haben drei Zyklen durchlaufen und beobachtet, wie sich die frühe Jugendentwicklung kontinuierlich verbesserte – obwohl die Selektion zwischenzeitlich ausschließlich anhand genomischer Daten erfolgte. So können wir pro Jahr drei Generationen testen statt nur einer“, erklärt Chris-Carolin Schön.

Ausblick

Die Experimente sind abgeschlossen, die Auswertung der Daten läuft auf Hochtouren. In den nächsten Jahren werden voraussichtlich zahlreiche weitere Gene in Landrassen entdeckt, die eine Verbesserung bei modernen Elitesorten bewirken könnten.  „Wir haben viele spannende Gene in der Pipeline – da werden auch nach Projektende noch zahlreiche Publikationen folgen“, ist Schön sich sicher.

Besonders betont sie die nachhaltige Förderung, die all dies erst ermöglicht hat: „Die langfristige Unterstützung war entscheidend. Wir haben 2015 begonnen und ernten nun endlich die Früchte unserer Arbeit.“


Weiterführende Informationen:

Publikationen aus dem Projekt:

  • Urzinger S, Avramova V, Frey M, Urbany C, Scheuermann D, Presterl T, Reuscher S, Ernst K, Mayer M, Marcon C, Hochholdinger F, Brajkovic S, Ordas B, Westhoff P, Ouzunova M, Schön CC (2024) Embracing native diversity to enhance maximum quantum efficiency of photosystem II in maize (Zea mays L.). Plant Physiology 197:kiae670, doi.org/10.1093/plphys/kiae670
  • Boughazi K, Wuyts N, Muller O, Windt CW, Nagel KA, Rascher U, Fiorani F (2024) Doubled haploid lines derived from a European maize flint landrace contrast in recovery from cold stress. Agronomy 14:408, doi.org/10.3390/agronomy14030408
  • Lin YC, Mayer M, Valle Torres D, Pook T, Hölker A, Presterl T, Ouzunova M, Schön CC (2024) Genomic prediction within and across maize landrace derived populations using haplotypes. Front Plant Sci 15, doi.org/10.3389/fpls.2024.1351466
  • Zhou Y, Sommer ML, Meyer A, Wang D, Klaus A, Stöcker T, Marcon C, Schoof H, Haberer G, Schön CC, Yu P, Hochholdinger F (2024) Cold mediates root hair developmental plasticity via epidermis-specific transcriptomic responses. Plant Physiology, doi.org/10.1093/plphys/kiae449
  •  Polzer C, Auinger HJ, Terán Pineda M, Hölker AC, Mayer M, Presterl T, Rivera Poulsen C, da Silva S, Ouzunova M, Melchinger AE, Schön CC (2025) Rapid cycling genomic selection in maize landraces. Theor Appl Genet (Accepted)

Eine Liste der Publikationen finden Sie auf der Projektwebseite unter: Publications

Zum Weiterlesen auf Pflanzenforschung.de:

Titelbild: Eine Drohne hat die unterschiedlichen Maislinien an der Versuchsstation Roggenstein fotografiert.  (Bildquelle: © Tom Freudenberg / pict-images)