Arbuskuläre Mykorrhizapilze

Hightech-Mikroskopie enthüllt, wie ein komplexes Logistiknetz aus Myzel entsteht

25.04.2025 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Mykorrhizapilze verbinden sich mit Pflanzenwurzeln. (Bildquelle: © Dr. Yoshihiro Kobae, CC BY-SA)

Mykorrhizapilze verbinden sich mit Pflanzenwurzeln. (Bildquelle: © Dr. Yoshihiro Kobae, CC BY-SA)

Das Myzel symbiontischer Pilze wächst in Form einer kreisförmig expandierenden Welle. Dahinter steckt ein aktiv reguliertes System, das die Pilze anschließend logistisch optimieren. Möglich wurde diese erstmalige Beobachtung durch eine hochauflösende, robotische Mikroskopie-Plattform.

Seit fast 450 Millionen Jahren existiert eine der wichtigsten Symbiosen der Welt: der Nährstoffhandel zwischen arbuskulären Mykorrhizapilzen und Pflanzen. Rund 70 Prozent aller Landpflanzen leben in einer solchen Verbindung und erschließen so schwer verfügbare Nährstoffe wie Phosphor aus dem Boden. Die Pilze erhalten im Gegenzug energiereiche Kohlenhydrate. Für sie, die mit ihrem Myzel die „Handelswege“ aufbauen, stellt sich dabei eine besondere Herausforderung: Sie verfügen nur über begrenzte Kohlenstoff-Reserven, um ihr Handelsnetz in neue Bodenzonen auszudehnen und neue Pflanzenpartner zu finden. Anschließend gilt es, die bereits etablierten Transportwege zu optimieren.

500.000 Knotenpunkte und 100.000 Flussbewegungen dokumentiert

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Eingefärbtes Mycel arbuskulärer Mykorrhizapilze.

Eingefärbtes Mycel arbuskulärer Mykorrhizapilze.

Bildquelle: © Oyarte-Galvez / AMOLF

Um das Wachstum dieses Netzwerks zu verstehen, hat ein internationales Team eine robotische Mikroskopie-Plattform entwickelt. Sie erstellt hochaufgelöste Zeitraffer-Aufnahmen von Pilznetzwerken in bis zu 40 Petrischalen gleichzeitig. Mithilfe automatisierter Bildanalyse erfassten die Forschenden über 500 000 Knotenpunkte - also Hyphenspitzen, Verzweigungen und Fusionen – sowie 100 000 zytoplasmatische Flussbahnen. So entstand ein minutiöses Bild des Myzel-Wachstums dreier Pilzstämme (Rhizophagus irregularis A5, R. irregularis C2 und R. aggregatum) – von der ersten Hyphenspitze bis zum voll ausgebildeten Netzwerk. Die Aufnahmen zeigen sowohl makroskopisch die Netzwerkstruktur als auch mikroskopisch die Teilchenbewegungen innerhalb einzelner Hyphen.

Das Ergebnis ist ein völlig neues Verständnis darüber, wie arbuskuläre Mykorrhizapilze wachsen und ihre Nährstoffe transportieren.

Kreisförmige Expansionswellen des Hyphennetzwerks

Die Bilder belegen, dass das Myzel nicht gleichmäßig in alle Richtungen wächst, sondern als kreisförmig expandierende Welle voranschreitet. An der Wellenfront treiben wachsende Hyphenspitzen das Netzwerk voran. Dahinter hält sich die Myzeldichte konstant, weil benachbarte Hyphen miteinander fusionieren. Dieses Verhalten erinnert an wandernde Zellkolonien bei Bakterien – ist jedoch bei symbiotischen Pilzen revolutionär.

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Das Mycel wächst in Wellen: Jede Zeile zeigt die gleiche Szene zu unterschiedlichen Zeitpunkten.

Das Mycel wächst in Wellen: Jede Zeile zeigt die gleiche Szene zu unterschiedlichen Zeitpunkten.

Bildquelle: © Oyarte Galvez, L., et al. / Nature; CC-BY-SA-4.0

Hinter dem beobachteten Muster steckt ein mathematisches Modell, das die Forschenden „BARE-Wellenmodell“ (Branching and Annihilating Range Expansion) nennen. Es beschreibt, wie Hyphen verzweigen, verschmelzen und so das Netzwerk stabil als Welle ausdehnen. Die Geschwindigkeit dieser Welle wird dabei von den aktivsten „Pionierhyphen“ an der Front bestimmt.

Aktiv regulierte Netz­dichte

Überraschend war, dass sich das Netzwerk bereits bei einer vergleichsweise geringen Dichte sättigt. Während frei lebende Pilze ihr Myzel exponentiell verdichten, begrenzen arbuskuläre Mykorrhizapilze bewusst ihre Dichte. Tests zeigten, dass diese Dichtegrenze weder von Umweltfaktoren wie Kohlenstoffverfügbarkeit noch vom Wurzel-Genotyp abhängt. Offenbar regeln die Pilze sie selbst, vermutlich um Kohlenstoff effizient einzusetzen und möglichst weit ins Substrat vorzudringen.

Arbuskuläre Mykorrhizapilze besitzen offene Hyphen, ein zusammenhängendes Röhrensystem, in dem Ressourcen in beide Richtungen fließen. Die Forschenden analysierten diese Flüsse mittels hochauflösender Videoaufnahmen – ganz ohne Marker oder Farbstoffe. Zunächst strömt der Großteil der Ressourcen zur Wellenfront, wo neues Myzel aufgebaut wird. Später dominieren Flüsse zurück zur Wurzel, wo der Austausch mit der Pflanze stattfindet. Die Geschwindigkeit ist in den zentralen Hyphen am höchsten, die wie Hauptverkehrsadern funktionieren – eine klare Analogie zu Autobahnen und Nebenstraßen.

Komplexe Anpassung der Netzwerkarchitektur

Im Zeitverlauf verändert das Myzel seine Architektur: Durch Anastomosen (Verschmelzungen) verbinden sich Äste, bilden sich Schlaufen und Abkürzungen. Die Wege zu neuen Wurzeln werden so optimiert. Hinter der Front entstehen zudem spezialisierte Strukturen zur Phosphoraufnahme. Später investiert das gut versorgte Netzwerk in die Sporenbildung.

Graphentheoretische Analysen zeigten: Das Myzel balanciert gekonnt zwischen minimalem Bauaufwand und maximaler Transporteffizienz. Es bleibt flexibel und bereit, neue Pflanzenwurzeln zu kolonisieren.

Damit entspricht das Myzel arbuskulärer Mykorrhizapilze einem hochkomplexen Liefernetzwerk mit sehr effizienter Logistik. Diese Erkenntnisse erweitern unser Verständnis der Evolution symbiotischer Systeme und könnten künftig helfen, Mykorrhiza-Netzwerke gezielter für die Nährstoffversorgung von Nutzpflanzen zu nutzen.


Quelle:
Oyarte Galvez, L., et al. (2025): A travelling-wave strategy for plant–fungal trade. In: Nature 639, 172–180 (2025). doi: 10.1038/s41586-025-08614-x.

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Titelbild: Mykorrhizapilze verbinden sich mit Pflanzenwurzeln. (Bildquelle: © Dr. Yoshihiro Kobae, CC BY-SA)