Arten(in)kompatibilität
siRNA bestimmt die Überlebensfähigkeit von Hybridsamen
Manchmal versuchen Pflanzenzüchter:innen, nützliche Eigenschaften von zwei nah verwandten Pflanzenarten durch eine Kreuzung zu kombinieren. Doch das scheitert oft: Die Hybridsamen sind nicht lebensfähig. Die Ursache dafür könnten bestimmte mütterliche RNA-Moleküle sein.
Ob Maulesel oder Liger: In der Tierwelt trifft man gelegentlich auf Geschöpfe, die aus der Paarung zweier nah verwandter Arten resultieren. Auch in der Pflanzenwelt gibt es solche Beispiele, etwa Pluot – eine Kreuzung aus Chinesischer Pflaume und Aprikose – sowie Minneola – eine Kreuzung aus Grapefruit und Mandarine. Meist jedoch scheitern Pflanzenzüchter:innen daran, zwei verwandte Arten zu kreuzen: Der Hybridsamen ist nicht keimfähig. Ein internationales Forschungsteam unter Leitung des Max-Planck-Instituts (MPI) für molekulare Pflanzenphysiologie in Potsdam hat nun den molekularen Mechanismus aufgeklärt, der dafür verantwortlich sein dürfte.
Ungleichgewicht zwischen maternalen und paternalen Genomen
Schon länger war bekannt, dass das Hybridisierungsproblem meist auf einer Fehlfunktion des Endosperms beruht – also jenes Gewebes, das ähnlich einer Plazenta bei Säugetieren den Embryo mit Nährstoffen versorgt. Beobachtungen legten zudem nahe, dass ein präzises Verhältnis von mütterlichen zu väterlichen Genomanteilen erforderlich ist, damit das Endosperm seine Funktionen ausüben kann. Die meisten Blütenpflanzen haben ein triploides Endosperm aus einem väterlichen (paternalen) und zwei mütterlichen (maternalen) Genomen. Kreuzt man zwei Pflanzen mit unterschiedlichem Ploidiegrad, resultiert häufig ein anderes Genomverhältnis im Endosperm und die Samenentwicklung kommt zum Stillstand.
Weil auch artübergreifende Kreuzungen mit passendem Genomverhältnis im Endosperm zu ähnlichen phänotypischen und molekularen Auffälligkeiten führen wie intraspezifische Kreuzungen mit unpassendem Ploidiegrad, liegt nahe, dass Dosis-abhängige Mechanismen im Spiel sein könnten.
Gestörte Genregulation durch veränderte Chromatinstruktur
Am Beispiel der Gattung Capsella aus der Familie der Kreuzblütler, zu der beispielsweise Senf, Brokkoli und Raps gehören, untersuchten die MPI-Forscher:innen die Vorgänge in Hybridsamen. Dabei stellten sie fest, dass Samen aus inkompatiblen Kreuzungen im Endosperm weniger DNA-Methylierungen und ein weniger verdichtetes Chromatin aufweisen. Auf diese Weise gelangen bestimmte MADS-Box-Transkriptionsfaktoren – sogenannte AGLs – einfacher in die untermethylierten Regionen und können dort eigentlich stummgeschaltete Gene aktivieren, die dann schädliche Folgen auslösen.
Weil ein vergleichbarer Effekt im Endosperm eintritt, wenn im Samen die maternale RNA-Polymerase IV fehlt, verglichen die Forscher:innen die Rolle dieses Enzyms bei Hybrid- und Nicht-Hybridsamen.
Bestimme siRNA-Moleküle, die von der Polymerase erzeugt werden, beeinflussen die Chromatinverdichtung. Werden diese sogenannten sirenRNA-Moleküle (small interfering RNA in the endosperm) an Argonautenproteine gebunden, lenken sie DNA-Methyltransferasen zu deren Zielsequenzen und initiieren dort eine Methylierung.
Ohne maternale Polymerase IV fehlt sirenRNA
Aus früheren Arbeiten an Arabidopsis war bekannt, dass eine Hybridisierung bei unterschiedlichem Ploidiegrade erfolgreich sein kann, wenn die paternale Polymerase IV ausgeschaltet wird. Allerdings sind unterschiedliche Gene betroffen, je nachdem, ob die Mutation, die die Polymerase ausschaltet, maternal oder parental vererbt wird.
In ihren Experimenten konnten die Forscher:innen zeigen, dass sie auch bei Kreuzblütler-Hybridsamen eine verringerte Chromatindichte und Methylierung hervorrufen können, wenn sie die Polymerase IV deaktivieren. Außerdem reduzierte sich die Menge an sirenRNA in den Hybridsamen aus diesen Mutanten. Weitere Analysen bestätigten, dass sirenRNA-Moleküle unter anderem AGLs zum Ziel haben, die jene Gene regulieren, deren Regulation durch den Polymerase-Knockout gestört war.
Ohne sirenRNA werden die falschen Gene aktiviert
Die Ergebnisse legen somit nahe, dass ein Mangel an maternalen sirenRNAs bei der Hybridisierung zwischen Arten und auch zwischen Pflanzen unterschiedlichen Ploidiegrades einen Verlust der Chromatindichte und eine reduzierte DNA-Methylierung im Endosperm des Samens verursacht. Das führt dazu, dass Transkriptionsfaktoren wie AGLs aktiviert werden, die für die Entwicklung des Endosperms problematisch sind. Wahrscheinlich ist dabei nicht allein die absolute Menge der maternalen sirenRNA maßgeblich, sondern ein Ungleichgewicht zwischen den mütterlichen und väterlichen Genomen und damit zwischen den daraus abgeleiteten sirenRNAs. Darauf deutet zumindest hin, dass Hybride mit paternalem Genom-Überschuss ähnliche Phänotypen zeigen.
Für die Pflanzenzüchtung heißt das: „Indem wir die Menge dieser RNA-Moleküle kontrollieren, können wir möglicherweise die Überlebenschancen von Hybridsamen verbessern und die Barrieren überwinden, die lange Zeit eine erfolgreiche Kreuzung zwischen zwei verschiedenen Pflanzenarten verhindert haben.“, erklärt Dr. Katarzyna Dziasek, die Hauptautorin der Studie. Wie diese RNA-Moleküle genau entstehen und von der Mutterpflanze auf das Endosperm übertragen werden, ist bereits Gegenstand fortführender Arbeiten der MPI-Forscher:innen.
Quelle:
Dziasek, K., et al. (2024): Dosage-sensitive maternal siRNAs determine hybridization success in Capsella. In: Nature Plants, online (11. November 2024). doi: 10.1038/s41477-024-01844-3.
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Titelbild: Kreuzungen unterschiedlicher nahverwandter Pflanzenarten scheitern oft. Die Samen sind nicht keimfähig. Das wollen Forscher:innen des Max-Planck-Institut für Molekulare Pflanzenphysiologie in Golm ändern.( Bildquelle: © pflanzenforschung.de, Symbolbild erstellt mit DALL•E)