Ausrichtung der Zellteilung
Mechanische Kräfte beeinflussen das Muster des Zellwachstums in Kambium-Stammzellen
Am Beispiel der Ackerschmalwand haben die Forscher:innen untersucht, ob mechanische Kräfte die Zellteilungsebene festlegen. (Bildquelle: © Jucember / Wikimedia, CC-BY-SA-3.0)
Die Anordnung der Zellteilungsebene ist entscheidend für eine funktionale Gewebestruktur. Jetzt zeigt eine Studie, dass vor allem mechanische Kräfte das radiale Wachstum des Stängels steuern.
Einmal gebildete Pflanzenzellen können aufgrund ihrer starren und fixierten Zellwand ihre Position innerhalb der Pflanze nicht mehr verändern. Damit funktionale Gewebe entstehen, ist es daher wichtig, dass neue Zellen und deren Zellwände von vornherein an den richtigen Stellen und mit der richtigen Ausrichtung entstehen. Ein Beispiel dafür ist das radiale Wachstum von Wurzeln und Stängeln. Bislang war bekannt, dass chemische Signale, etwa das Phytohormon Auxin, an der Regulation der Gewebestruktur beteiligt sind. Damit ließ sich die Orientierung der Zellteilungsebene in Kambium-Stammzellen jedoch nur teilweise erklären.
Kleinste Oberfläche oder kürzeste Teilungsachse – oder ganz anders?
Lange Zeit war in der Forschung daher vermutet worden, dass das radiale Zellwachstum ähnlich einem Seifenfilm dem Prinzip der kleinsten Oberfläche folgt. Das passte jedoch nicht immer, sodass zusätzlich angenommen wurde, die kürzeste Teilungsachse würde die Teilungsebene mitdefinieren. Auch das erklärte die tatsächlich beobachtete Teilungsdynamik nicht perfekt. Jetzt zeigt eine Studie der TU München und der Universität Heidelberg: Es sind mechanische Kräfte, die wesentlich dazu beitragen, dass beim radialen Wachstum geordnete Zellreihen entstehen und sich funktionale Leitgewebe bilden.
Die Grafik zeigt das Schema, nach dem mechanische Kräfte die Zellteilungsebene im Kambium definieren.
Bildquelle: © Höfler, M., et al. / CC-BY-NC
Um zu verstehen, wie mechanische Kräfte die Orientierung der Zellteilung lenken, haben Forscher:innen am Beispiel der Modellpflanze Arabidopsis thaliana das Kambium des Hypokotyls zu verschiedenen Wachstumspunkten anatomisch untersucht. Das Hypokotyl ist der untere Teil eines jungen Pflanzenstängels, der sich zwischen der Wurzel und den Keimblättern befindet. Das Kambium ist eine Art Wachstumszone. Es besteht aus Stammzellen, die sich teilen und neue Zellen bilden, um die Pflanze dicker werden zu lassen. Es sorgt dafür, dass Holz (Xylem) nach innen und Bast (Phloem) nach außen gebildet werden. Weil das Xylem Wasser und Mineralstoffe von den Wurzeln nach oben zu den Blättern transportiert und das Phloem gleiches mit Zuckern und anderen Nährstoffen leistet, ist der korrekte Aufbau beider Gewebe wesentlich für eine funktionale Pflanze.
Mechanische Spannung realer Zellkonturen simuliert
Zusätzlich zu den anatomischen Untersuchungen zur Anordnung der Zellen im Hypokotyl entwickelten die Forscher:innen ein sogenanntes Vertex-Modell. Darin sind die Zellen entsprechend ihrer realen Konturen abgebildet. Anhand des Modells simulierte das Team, wie sich die mechanische Spannung über die Zellen verteilt. Diese Kräfte entstehen einerseits durch die Form der Zellwände der einzelnen Zellen, aber auch dadurch, dass die Zellwände der benachbarten Zellen verbunden sind und sich die Spannung dadurch überträgt.
Die Simulationen zeigten, dass in den Kambium-Zellen kreisförmige Spannungsmuster entstehen. Die maximalen Zugspannungen bilden sich tangential um den Geweberadius, während radiale Spannungen in den angrenzenden Xylem- und Phloemzellen auftreten. Das passt zu der Beobachtung, dass die kortikalen Mikrotubuli, die für die Orientierung der Zellteilung verantwortlich sind, sich entsprechend der maximalen mechanischen Kräfte ausrichten. Und auch die anatomischen Analysen bestätigten: Nur Zellteilungen, die entlang der maximalen Zugspannungsrichtung erfolgten, führten zu geordneten Zellreihen im Kambrium.
Diese Maximalspannung gibt somit die entscheidenden Signale dafür, wie sich die Zellteilungsebene in innenliegenden Geweben ausrichtet.
Mechanische Störungen beeinträchtigen die Gewebeorganisation
Die Forscher:innen konnten das Modell noch durch ein weiteres Experiment bestätigen: Sorgten sie für größere mechanische Störungen des Gewebes – etwa Kompression oder Ablation (das gezielte Entfernen von Gewebeteilen) –, dann zeigten sowohl die Simulationen als auch die experimentellen Beobachtungen gestörte Gewebeorganisationsmuster und eine veränderte Ausrichtung der kortikalen Mikrotubuli. Kleinere, lokale Störungen veränderten das Spannungsmuster hingegen nicht.
Nicht zuletzt testete das Team in der Simulation auch andere mögliche Erklärungen. Doch sowohl zufällige Teilungsrichtungen als auch Teilungen entlang der kürzesten Zellachse führten zu ungeordneten Gewebestrukturen.
Es bleibt abzuwarten, ob und wie die Pflanzenzüchtung diese Erkenntnisse praktisch nutzen wird. Das Interesse daran dürfte jedoch groß sein, da besonders standfeste Pflanzen sowohl in der Landwirtschaft als auch in der Forstwirtschaft gefragt sind.
Quelle:
Höfler, M., et al. (2024): Mechanical forces instruct division plane orientation of cambium stem cells during radial growth in Arabidopsis thaliana. In: Current Biology, 34, 5518-5531 (2. Dezember 2024). doi: 10.1016/j.cub.2024.10.046.
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Titelbild: Am Beispiel der Ackerschmalwand haben die Forscher:innen untersucht, ob mechanische Kräfte die Zellteilungsebene festlegen. (Bildquelle: © Jucember / Wikimedia, CC-BY-SA-3.0)