Chemischer Pflanzenschutz
Studie stellt ökologische Vertretbarkeit synthetischer Pestizide weitreichend in Frage

Synthetische Pestizide leisten wichtige Beiträge zur Ertragssicherung, erzeugen aber offenbar mehr ökologische Probleme als bisher angenommen. (Bildquelle: © www.pflanzenforschung.de)
Chemische Pestizide sind ökologisch nicht vertretbar. Zu diesem klaren Urteil kommt die bislang größte Metastudie ihrer Art, die untersucht hat, wie sich Insektizide, Fungizide und Herbizide auf Nicht-Zielorganismen auswirken
Es ist die bislang wohl vernichtendste Analyse zu den ökologischen Folgen synthetischer Pflanzenschutzmittel: In einer Metastudie haben Forscher:innen 1705 Studien mit mehr als 20.000 Effektgrößen ausgewertet, die 471 Wirkstoffe und 830 Arten Nicht-Zielorganismen umfassen. Das internationale Team analysierte die Auswirkungen der Pestizide auf Wachstum, Reproduktion, Verhalten und verschiedene physiologische Biomarker in aquatischen und terrestrischen Systemen. Zudem wurden Unterschiede zwischen Regionen mit gemäßigtem und tropischem Klima sowie zwischen Feld- und Laborexperimenten betrachtet. Nicht zuletzt beziehen sich die Ergebnisse auf Tiere, Pflanzen und Mikroorganismen sowie Auswirkungen entlang der Nahrungskette. Beteiligt waren Forscher:innen der Universität Bonn sowie des Leibniz-Instituts zur Analyse des Biodiversitätswandels.
Tiere, Pflanzen und Mikroorganismen beeinträchtigt

Bienen sind essenzielle Bestäuber, doch ihr Bestand ist durch den Einsatz synthetischer Pestizide zunehmend gefährdet.
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Bei den Tieren waren Insekten besonders betroffen, darunter Bestäuber wie Bienen, aber auch Amphibien und Vögel. In den Studien wurden verringertes Wachstum, geringere Fortpflanzungsraten, veränderte Nahrungsaufnahme und Fluchtverhalten sowie Belege dafür gefunden, dass neurophysiologische Prozesse, Stoffwechsel und Immunfunktion beeinflusst werden. Dabei erwiesen sich nicht nur Insektizide, sondern auch Herbizide und Fungizide als schädlich für Tiere.
Bei Pflanzen zeigte sich, dass neben Herbiziden auch Insektizide und Fungizide unerwartet negative Effekte auf das Wachstum haben. Außerdem verringerten sich die Lebensfähigkeit des Pollens und die Keimung. Auch Photosynthese und Kohlenhydratstoffwechsel waren in einigen Fällen gestört. Langfristig könnte dies die Produktivität von Ökosystemen und landwirtschaftlichen Flächen verringern.
Fungizide reduzierten zudem die Biomasse von Mykorrhizapilzen, die wichtige symbiotische Beziehungen mit Pflanzen eingehen. Außerdem wurden Veränderungen im Elektronentransport und im Energiestoffwechsel von Mikroorganismen festgestellt. Dadurch könnten sich Pestizide negativ auf die Bodenfruchtbarkeit und die Nährstoffkreisläufe auswirken.
Indirekte ökologische Folgen
Besonders bemerkenswert sind die Belege dafür, dass Pestizide nicht nur direkte Schäden verursachen, sondern ihre Effekte über trophische Ebenen hinweg weitergegeben werden können. Das bedeutet, dass auch Organismen betroffen sind, die nicht direkt mit dem Pestizid in Kontakt kommen, sondern durch Nahrungsketten oder indirekte ökologische Wechselwirkungen beeinflusst werden.
Kaum Unterschiede stellte die Metastudie zwischen aquatischen und terrestrischen Systemen fest: In beiden Umgebungen waren die negativen Effekte ähnlich stark. Deutliche Unterschiede zeigten sich jedoch zwischen gemäßigten und tropischen Regionen – in gemäßigten Breiten waren die negativen Auswirkungen stärker ausgeprägt. Dies könnte damit zusammenhängen, dass Pestizide in wärmeren Klimazonen schneller abgebaut werden.
Negative Effekte schon bei realistischen Wirkstoffkonzentrationen

Pestizidbehandlung mit dem Flugzeug. Eine umfassende Metastudie zeigt, dass nicht nur Insektizide, sondern auch Herbizide und Fungizide erhebliche negative Auswirkungen auf Nicht-Zielorganismen haben.
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Eine weitere wichtige Erkenntnis ergibt sich aus dem Vergleich zwischen Feld- und Laborexperimenten. Im Labor traten größere Effekte auf als in Feldstudien, was möglicherweise auf kontrollierte Bedingungen mit höheren Expositionsraten und größeren Stichproben zurückzuführen ist. Die Autor:innen prüften jedoch explizit, inwieweit die verwendeten Pestizidkonzentrationen realistischen Umweltbedingungen entsprechen. Das Ergebnis: Auch unter Expositionsszenarien, die in der Landwirtschaft üblich sind, treten negative Effekte auf.
Nicht zuletzt räumt die Metaanalyse mit einer weiteren These auf: Während oft argumentiert wird, dass moderne Pestizide umweltfreundlicher seien, zeigt die Studie, dass neuere Pestizide keine signifikant geringeren negativen Effekte auf Nicht-Zielorganismen haben als ältere Wirkstoffe. Dies stellt die Annahme infrage, dass neuere regulatorische Standards bereits ausreichen, um Umweltrisiken zu minimieren.
Forderungen an die Politik, Auftrag an die Pflanzenzüchtung
Ungewöhnlich deutlich formulieren die Forscher:innen in ihrer Publikation Kritikpunkte und Forderungen. So heben sie beispielsweise hervor, dass bestehende Risikobewertungen auf Modellorganismen wie Honigbienen oder Zebrafischen beruhen, die nicht repräsentativ für die gesamte betroffene Artenvielfalt sind. Das Team resümiert, dass die derzeitigen regulatorischen Prozesse die tatsächlichen Auswirkungen auf Ökosysteme unterschätzen, da sie sekundäre Effekte, Langzeitexposition und trophische Kaskaden nicht angemessen berücksichtigen.
Die Studie fordert eine stärkere Einbindung alternativer Ansätze wie des integrierten Pflanzenschutzes und betont die Notwendigkeit breiterer regulatorischer Maßnahmen zum Schutz der Biodiversität. Weitere Hebel sind die bessere Nutzung intrinsischer Resistenzen der Pflanzen durch verbesserte Züchtung, die Erschließung genetischer Vielfalt sowie der Einsatz intelligenter Produktionsmethoden.
Quelle:
Wan, N.-F., et al. (2025): Pesticides have negative effects on non-target organisms. In: Nature Communications, 16, 1360 (13. Februar 2025). doi: 10.1038/s41467-025-56732-x.
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Titelbild: Synthetische Pestizide leisten wichtige Beiträge zur Ertragssicherung, erzeugen aber offenbar mehr ökologische Probleme als bisher angenommen. (Bildquelle: © www.pflanzenforschung.de)