Chemisches Navigationssystem
Wie Springkraut gezielt Bestäuber lenkt und Nektardiebe vertreibt

Die nordamerikanischen Springkräuter-Arten - hier Impatiens capensis - haben komplexe Blüten, in die Bestäuber tief hineinkriechen müssen, um an den Nektar zu gelangen. (Bildquelle: © Prof. Dr. Robert Raguso)
Einige Blütenpflanzen nutzen ein raffiniertes chemisches Navigationssystem, um Bestäuber gezielt zu führen und gleichzeitig Nektardiebe abzuwehren. Insbesondere das Nordamerikanische Springkraut demonstriert eindrucksvoll, wie Duftstoffe als doppelte Signale fungieren.
Nordamerikanische Springkraut-Arten – insbesondere Impatiens capensis und I. pallida – beeindrucken nicht nur durch ihre markanten, gebogenen Nektarsporne, sondern auch durch ihre raffinierte Bestäubungsstrategie. Aus der Sicht der Bestäuber gleichen diese komplex strukturierten Blüten einem mechanischen Rätsel, bei dem das Ziel darin besteht, einen verborgenen, süßen Schatz zu finden. Das Geheimnis liegt in der gezielten Anordnung flüchtiger organischer Verbindungen (VOCs), die in den Blüten unterschiedliche Aufgaben übernehmen.
Chemosensorische Landkarten und gustatorische Gradienten

Auf den Standbildern einer Videoaufnahme ist zu sehen, wie Hummeln, die das erste Mal Kontakt mit Springkraut-Blüten haben, diese mit ihren Mundwerkzeugen erkunden. Dabei beißen sie in die Blüten und können leichtflüchtige organische Substanzen schmecken.
Bildquelle: © Prof. Dr. Robert Gegear
Die Impatiens-Pflanzen erstellen gewissermaßen „chemosensorische Landkarten“, indem sie VOCs räumlich partitionieren. Angenehme Aromen wie Vanillin sind ausschließlich im Nektar zu finden und fungieren als verlockende Geschmacksreize, die Hummeln direkt in den Blüteninnenraum führen. Im Gegensatz dazu sind weniger angenehme Verbindungen in anderen Bereichen – etwa in den Nektarsporen – lokalisiert. Diese geschmackliche Abstufung bildet einen gustatorischen Präferenzgradienten: Während Hummeln den süß schmeckenden Nektar anstreben, meiden sie die unattraktiven Aromen der Blütenwände. Interessanterweise reagieren die Hummeln nicht unterschiedlich auf die VOCs, wenn sie diese lediglich als Duftstoffe wahrnehmen; erst in Kombination mit Zuckerbelohnungen treten deutliche Unterschiede in ihrem Verhalten zutage.
Effektive Bestäubung und Schutz vor Nektardiebstahl
Durch diese clevere Duftstoffaufteilung wird sichergestellt, dass die Bestäuber den vorgesehenen Weg wählen und gleichzeitig zur Bestäubung beitragen. Unerfahrene Hummeln, die sich erst in die komplexe Blütenstruktur einfinden, nutzen die aromatischen Hinweise, um das Rätsel der Blüte zu lösen – und so ihre Futtersuchung effizient zu gestalten. Wer jedoch versucht, sich über eine Abkürzung den Nektar zu erschleichen, stößt auf die unangenehm schmeckenden VOCs der Nektarsporne, die als natürliche „Diebstahlsicherung“ fungieren. Diese Erkenntnisse aus der interdisziplinären Studie, die auch im Fachjournal Current Biology veröffentlicht wurde, erweitern unser Verständnis darüber, wie Pflanzen nicht nur über olfaktorische, sondern auch über gustatorische Reize komplexe Interaktionen mit ihren Bestäubern steuern.
Hochspezialisierte Bestäubungsstrategien sind nicht selten im Pflanzenreich. Mit „multisensorischen Leitlinien“ können Pflanzen die Bestäubungseffizienz erhöhen und den unerwünschten Zugriff durch andere Insekten minimieren.
Weitere Beispiele:
Orchideen der Gattung Ophrys täuschen männliche Bestäuber durch eine Kombination aus Form- und Duftimitation weiblicher Insekten.
Tropaeolum majus (Kapuzinerkresse) nutzt auffällige farbliche Nektarführungen, die besonders im UV-Licht sichtbar sind, und ergänzt diese durch gezielte Duftstoffe.
Antirrhinum majus (Snapdragon) kombiniert visuelle Nektarführer mit lokalen Duftsignalen, um den optimalen Zugang zum Nektar zu gewährleisten.
Auch einige Fuchsia-Arten setzen auf eine duale Signalkombination, die spezialisierte Bestäuber wie Hummeln anzieht und Nektardiebstahl verhindert.
Quelle:
Kim C. Heuel, K. C. et al. (2025): Spatial partitioning of floral volatiles provides a “chemosensory roadmap” for bumblebee pollinators. In: Current Biology, 2025, ISSN 0960-9822. doi: 10.1016/j.cub.2025.02.010
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Titelbild: Die nordamerikanischen Springkräuter-Arten - hier Impatiens capensis - haben komplexe Blüten, in die Bestäuber tief hineinkriechen müssen, um an den Nektar zu gelangen. (Bildquelle: © Prof. Dr. Robert Raguso)