Cis-regulatorische Elemente

Kleine Effekte, große Gewinne

23.04.2025 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Wildreis und kultivierter Reis trennen viele tausend Jahre Domestikation. (Bildquelle: © IRRI Images – ursprüngl. Veröffentlicht bei Flickr als IMG_2039-77, / Wikipedia, CC BY 2.0)

Wildreis und kultivierter Reis trennen viele tausend Jahre Domestikation. (Bildquelle: © IRRI Images – ursprüngl. Veröffentlicht bei Flickr als IMG_2039-77, / Wikipedia, CC BY 2.0)

Cis-regulatorische Elemente beeinflussen, wann, wo und in welchem Ausmaß ein Gen exprimiert wird. Ihre Effekte sind oft klein, doch für die Züchtung unerlässlich. Wie lässt sich ihr Potenzial in der Zukunft noch besser heben?

Als die Menschen vor rund 12.000 Jahren damit begannen, Pflanzen zu domestizieren, folgten sie dabei ihren Augen. Sie sammelten Wildpflanzen, die in irgendeiner Weise besser waren als ihre Artgenossen. Besser für die Menschen, wohlgemerkt. Vielleicht weil ihre Spindeln nicht brachen und die Körner fest am Halm verblieben, was die Ernte erleichtert, der Pflanze aber die selbstständige Vermehrung erschwert. Die Samen dieser Pflanzen säten sie im nächsten Jahr wieder aus und selektierten erneut die besten Nachkommen. Nach vielen Generationen hatten sich die domestizierten Pflanzen in ihren Eigenschaften weit von den wilden Vorfahren entfernt.

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Eine wichtige Rolle bei der Domestikation von Reis und anderen Pflanzen spielten sogenannte CREs, die die Genexpression regulieren und für viele wichtige agronomische Eigenschaften verantwortlich sind. Diese führten zu ertragreichen Kultursorten.

Eine wichtige Rolle bei der Domestikation von Reis und anderen Pflanzen spielten sogenannte CREs, die die Genexpression regulieren und für viele wichtige agronomische Eigenschaften verantwortlich sind. Diese führten zu ertragreichen Kultursorten.

Bildquelle: © Teil der Bildersammlung des Internationalen Reisforschungsinstituts (www.irri.org), CC BY-NC-SA 4.0

Doch was ist auf molekularer Ebene passiert? Manche Mutationen betrafen direkt die Proteinsequenz. Solche Veränderungen sind meist mit besonders großen phänotypischen Effekten verknüpft – mit positiven und oft auch negativen. Eine andere Klasse von Veränderungen im Erbgut beeinflusst, wann, wo und wie Gene abgelesen werden. Fachleute sprechen von cis-regulatorischen Elementen, kurz CREs. Sie sind meist nur 5 bis 15 Basenpaare lang und dienen als Bindestellen für Enhancer (Genproduktion wird gefördert) oder Silencer (Genproduktion wird gehemmt). Veränderungen der CREs beeinflussen den Phänotyp oft weniger stark, auch negative pleiotrope Effekte sind seltener.

Es ist bereits bewiesen, dass sie bei Mais, Reis, Weizen, Sojabohne und Tomate eine wichtige Rolle bei der Domestizierung gespielt haben. In einem aktuellen Review in der Fachzeitschrift „Trends in Genetics“ haben Xiang Li und Robert J. Schmitz von der Universität Georgia herausgearbeitet, was wir aktuell über CREs wissen und wo noch Forschungsbedarf herrscht.

Wie entstehen cis-regulatorische Elemente?

CREs können auf zwei unterschiedlichen Wegen entstanden sein. Innovative regulatorische Elemente entwickeln sich durch eine Veränderung eines bereits bestehenden regulatorischen DNA-Bereichs. Das kann zum Beispiel durch eine kleine Insertion oder Deletion geschehen oder auch durch die Duplikation des gesamten Genoms.

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Domestikationssyndrom bei Mais: Bei seiner Urform (Teosinte, links) war die Spindel noch fragil und die Samen trennten sich leicht von der Ähre. Beim heutigen Mais (rechts) sitzen die Körner bis zur Ernte stabil am Kolben.

Domestikationssyndrom bei Mais: Bei seiner Urform (Teosinte, links) war die Spindel noch fragil und die Samen trennten sich leicht von der Ähre. Beim heutigen Mais (rechts) sitzen die Körner bis zur Ernte stabil am Kolben.

Bildquelle: © John Doebley

Ein Beispiel dafür ist das FZP-Gen in Reis, das zahlreiche Eigenschaften wie Pflanzenhöhe, Kornlänge oder Kornanzahl reguliert. Fehlen vier Basenpaare in einer Genomregion weit vor dem FZP-Gen, verändert das die Bindung eines Transkriptionsfaktors, wodurch weniger FZP produziert wird. Der kultivierte Reis mit dieser Deletion bildet mehr sekundäre Verzweigungen in der Rispe aus. Dies erhöht die Zahl der Ährchen und führt somit zu einem höheren Ertrag. 

Neue regulatorische Elemente gehen hingegen aus einem DNA-Bereich hervor, der bisher keinerlei regulatorische Funktion innehatte. Ursache kann hier ein Transposon sein, das sich an einem neuen Ort im Genom einfügt und fortan die nahegelegenen Gene reguliert. Ein Beispiel dafür ist das Hopscotch-Transposon, das bei domestiziertem Mais zu einer starken Apikaldominanz geführt hat. Auch eine Duplikation des gesamten Genoms kann zu neuen regulatorischen Elementen führen. Dies ist bereits bei Sojabohne, Baumwolle, Weizen und Erdbeere belegt.

Die Rolle der CREs beim Domestikationssyndrom

Als Domestikationssyndrom werden die Eigenschaften bezeichnet, die bei domestizierten Pflanzen häufig selektiert werden. Dazu gehören eine stabile Spindel, weniger Seitentriebe und Veränderung des Blühzeitpunkts. Vermutlich sind zumindest in einigen Fällen konservierte Gene und CREs dafür verantwortlich. Wenn man diese CREs besser verstünde, könnte man das Wissen auf andere Pflanzen anwenden und dort die gewünschten Eigenschaften erzeugen. Doch genau dieser Punkt ist leichter gesagt als getan.

Herausforderungen bei der Erforschung von CREs

Die meisten Domestikationsgene sind mit Hilfe von QTL-Studien entdeckt worden. Dabei werden jedoch hauptsächlich solche Orte (Loci) im Genom gefunden, die besonders große Effekte auf den Phänotyp ausüben. Das trifft vor allem auf Mutationen in kodierenden Bereichen der DNA zu. Mutationen in nicht-kodierenden Bereichen - wie in CREs - haben meist kleinere Effekte, die übersehen werden können. Doch sie haben auch einen Vorteil: Weil bei ihnen die Proteinsequenz gleichbleibt, werden Sequenzveränderungen leichter toleriert. Genetische Variation kann daher leichter akkumulieren.

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Wildreis Oryza rufipogon: Er hat lange ­behaarte, leicht zerfallende Ährchen, rötliche Spelzen und locker überhängende Halme – gegenüber dem domestizierten Oryza sativa mit kahlen, bruchfesten Rispen, meist strohfarbenen Körnern und aufrechter Wuchsform.

Wildreis Oryza rufipogon: Er hat lange ­behaarte, leicht zerfallende Ährchen, rötliche Spelzen und locker überhängende Halme – gegenüber dem domestizierten Oryza sativa mit kahlen, bruchfesten Rispen, meist strohfarbenen Körnern und aufrechter Wuchsform.

Bildquelle: © Daderot – eigenes Werk / Wikipedia CC0

Eine andere Möglichkeit, um CREs aufzuspüren, ist das Finden von „selective sweeps“, frei übersetzt etwa „selektive Verdrängungen“. Damit ist gemeint, dass die genetische Vielfalt an den Stellen im Genom kleiner ist, wo vorteilhafte Mutationen (inklusive ihrer benachbarten neutralen Mutationen) sich in einer Population ausgebreitet haben. Es bleibt jedoch weiterhin schwierig, an solchen Genorten die ursächliche, positive Mutation genau zu bestimmen.

Ist das ein CRE oder nur eine wahllose Mutation?

Ist eine Mutation in einem nicht-kodierenden Bereich gefunden, muss geklärt werden, ob es sich wirklich um ein aktives CRE handelt. Dabei kann die ATAC-Methode helfen, die klärt, ob sich diese Mutation in einem zugänglichen Bereich des Chromatins befindet. Denn nur dann können Transkriptionsfaktoren überhaupt an die DNA binden.

Auch eine vergleichende Analyse der Genomzugänglichkeit sowie der Genexpression von Kulturpflanzen und ihren wilden Verwandten kann diese Wissenslücke schließen. Beispielsweise bei Birnen wurde dies bereits gemacht: Die Forschenden verglichen wilde, traditionelle und verbesserte Birnen daraufhin, welche Gene die Individuen der gleichen Population exprimierten. Sie fanden heraus, dass die Diversität der Genexpression von wilden hin zu traditionellen Birnenvarietäten um etwa 20 Prozent gesunken war. Bei den verbesserten Varietäten stieg diese hingegen wieder an.

Eine neuere Studie hat Einzelzell-Genomik dazu genutzt, um bei Mais Kandidaten-CREs zu identifizieren, die ausschließlich in domestizierten Pflanzen auftraten.

Blick in die Zukunft

Obwohl die durch CRE vermittelten Effekte auf den Phänotyp eher klein sind, bieten sie vielversprechende Möglichkeiten für die Verbesserung unserer Nutzpflanzen. Bei Tomaten, Mais und der Modellpflanze Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana) sind hier schon Erfolge erzielt worden. Die Feinjustierung der Genexpression kann dazu beitragen, Pflanzen robuster und ertragreicher zu machen - ohne unerwünschte Nebenwirkungen. Diese stellen sich meist ein, wenn es sich um Genmutationen in codierenden Regionen handelt, die für die Entwicklung der Pflanze wichtig sind. Oft ist dann der Organismus nicht mehr lebensfähig.


Quelle:
Li X. und Schmitz R. J. (2025). Cis-regulatory dynamics in plant domestication. In: Trends Genet. (März 2025). doi: 10.1016/j.tig.2025.02.005

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Titelbild: Wildreis und kultivierter Reis trennen viele tausend Jahre Domestikation. (Bildquelle: © IRRI Images – ursprüngl. Veröffentlicht bei Flickr als IMG_2039-77, / Wikipedia, CC BY 2.0)