CLAVATA-Signalweg

Neue Erkenntnisse zur Blütenarchitektur von Gerste

04.06.2025 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Vergleich der Blütenstände von Wildtyp und Hvclv1-Mutante der Gerste. Bei Hvclv1-Mutanten bleibt die Rachilla länger aktiv und bildet mehrere Blütchen pro Ährchen aus, wodurch weizenähnliche, komplexere Blütenstände mit zusätzlichen Körnern entstehen. (Bildquelle: © HHU / Isaia Vardanega)

Vergleich der Blütenstände von Wildtyp und Hvclv1-Mutante der Gerste. Bei Hvclv1-Mutanten bleibt die Rachilla länger aktiv und bildet mehrere Blütchen pro Ährchen aus, wodurch weizenähnliche, komplexere Blütenstände mit zusätzlichen Körnern entstehen. (Bildquelle: © HHU / Isaia Vardanega)

Eine neue Studie zeigt, welches Peptid-Rezeptor-Paar die Architektur der Gerstenähre steuert. Diese Ergebnisse könnten dabei helfen, zukünftig Gerste mit weizenähnlichen Ähren – also mit mehr Körnern und einem höheren Ertrag – zu züchten.

Weizen und Gerste sind eng miteinander verwandt. Doch in der Architektur ihrer Blütenstände unterscheiden sie sich. Zunächst die Gemeinsamkeit: Seitlich entlang ihrer Mittelachse, auch Rachis genannt, befinden sich Ährchen. Das Bindeglied zwischen Ährchen und Rachis wird Rachilla genannt.

Bei Gerste ist der Aufbau recht einfach. Hier verbindet die Rachilla jeweils ein Blütchen mit der Spindel. Bei Weizen ist die Lage komplexer: Jede seiner Rachillas kann bis zu zwölf Blütchen ausbilden. Weil ein Teil davon abstirbt, bleiben am Ende meist drei bis fünf Körner pro Ährchen.

Verantwortlich für diese Unterschiede ist die Aktivität von Meristemen – pflanzlichen Bildungsgeweben, die Stammzellen enthalten und aus denen neue Organe wie Blätter oder Blüten hervorgehen. Wie viele Blütchen entstehen, wird durch Größe, Position und Lebensdauer der Meristeme bestimmt.

Kombination aus Genetik und Mikroskopie

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Mikroskopieaufnahmen von Gerstenblütenständen in frühen Entwicklungsstadien.

Mikroskopieaufnahmen von Gerstenblütenständen in frühen Entwicklungsstadien.

Bildquelle: © HHU / Isaia Vardanega

Um den Ertrag unserer Getreidesorten zu optimieren, muss man genau verstehen, welche molekularen Prozesse die Meristembildung beeinflussen. Ein Team von Wissenschaftler:innen unter der Leitung von Prof. Dr. Rüdiger Simon vom Institut für Entwicklungsgenetik der Heinrich-Heine-Universität hat nun einen Signalweg entdeckt, der die Aktivität bestimmter Meristeme in der Gerste reguliert. Die Ergebnisse sind in dem Journal Nature Communications erschienen. Im Mittelpunkt stehen der auf der Plasmamembran lokalisierte Rezeptor Hordeum vulgare CLAVATA1 (HvCLV1) und das dazu passende Peptid HvFCP1, das von der Rachilla sekretiert wird.

Um diese beiden Moleküle sichtbar zu machen, koppelten die Forschenden sowohl das mRNA-Transkript für HvCLV1 als auch das HvCLV1-Protein an fluoreszierende Marker und lokalisierten sie unter dem Fluoreszenzmikroskop. Zusätzlich kam ein Rasterelektronenmikroskop zum Einsatz, mit dem sie die Architektur der sich entwickelnden Blütenstände analysierten. Das Ergebnis: Wenn beide Moleküle interagieren, steuern sie das Wachstum der Meristeme entlang der vertikalen und horizontalen Achse des Blütenstands.

Kürzere Halme, größere Blütenstände

Um noch besser zu verstehen, wie das Zusammenspiel funktioniert, stellten die Forschenden mit Hilfe von CRISPR-Cas9 verschiedene Varianten von HvCLV1 und HvFCP1 her, deren Funktion durch gezielte Mutationen eingeschränkt war. Alle Pflanzen mit diesen Mutationen zeigten ähnliche Phänotypen: Sie waren kleiner (Halbzwerge), hatten kürzere Stiele sowie weniger Internodien als die Wildtyppflanzen.

Doch das Spannende war der Einfluss auf die Blütenstände. Bei den Mutanten ähnelten sie in ihrer Architektur denen von Weizen. Die verlängerten Rachillen dieser Pflanzen blieben länger aktiv und bildeten mehrere Blütchen – und später zusätzliche Körner – aus. In einigen Fällen entwickelten sich sogar zusätzliche Ährchenreihen („crowned spikes“) – ein Phänotyp, der ausschließlich bei HvCLV1-Mutanten, nicht aber bei HvFCP1-Mutanten beobachtet wurde.

Gezielte Veränderung der Ährenarchitektur möglich

Der Erstautor der Studie, Dr. Isaia Vardanega, sagt: „Unsere Entdeckung ermöglichen es uns nun, die Blütenstände von Gräsern neu zu gestalten. Indem wir das Stammzellsystem der Gerste genauer verstehen, können wir beispielsweise die Zahl der Körner erhöhen und somit zu einer höheren landwirtschaftlichen Produktion beitragen.“

Professor Simon ergänzt: „Diese Arbeit legt den Grundstein für neue, gezielte Züchtungsansätze. Unsere Kenntnisse zur genetischen Steuerung der Architektur von Gerste wird es ermöglichen, mit Hilfe von Genomediting schneller neue und ertragreiche Pflanzensorten zu erzeugen.“

Zuckermolekül als Signalstoff

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Gerste ist wichtig für die Bierindustrie und auch als Futtermittel unverzichtbar. Für die menschliche Ernährung spielt sie nur eine kleine Rolle.  

Gerste ist wichtig für die Bierindustrie und auch als Futtermittel unverzichtbar. Für die menschliche Ernährung spielt sie nur eine kleine Rolle.  

Bildquelle: © Lucash - Eigenes Werk Wikipedia, CC BY-SA 3.0

nteressanterweise beeinflusst das HvCLV1/HvFCP1-Signalsystem auch die Konzentration von Trehalose-6-Phosphat (T6P) – einem Zucker, der als Signalmolekül wirkt. Mutationen in diesem Signalweg führten zu erhöhten T6P-Spiegeln, was mit verstärkter Zellteilung, veränderter Auxin-Signalgebung und einer Umverteilung von Zucker im Blütenstand einherging. Diese Ergebnisse legen nahe, dass Zucker nicht nur als Energiequelle dient, sondern auch aktiv die Meristemaktivität und damit die Blütenentwicklung beeinflusst.

Perspektiven für die Pflanzenzüchtung

Die detaillierten Einblicke in die molekularen Mechanismen der Ährenentwicklung eröffnen neue Ansätze für die Züchtung. Durch gezielte Veränderungen in Signalwegen wie HvCLV1/HvFCP1 könnten künftig Gerstensorten entstehen, die besser an wechselnde Umweltbedingungen angepasst sind und höhere Erträge liefern.

„Die große Diversität der Blütenstandsarchitektur, die sich in Gräsern bereits entwickelt hat, weist darauf hin, dass das zugrunde liegende genetische Netzwerk ein riesiges noch verborgenes Potenzial bietet, vielfältigere Phänotypen zu erschaffen, als wir sie bisher von unseren Getreiden kennen“, schreiben die Autoren in ihrem Paper.


Quelle:
Isaia Vardanega et al. (2025): CLAVATA signalling shapes barley inflorescence by controlling activity and determinacy of shoot meristem and rachilla. In: Nature Communications. doi: 10.1038/s41467-025-59330-z

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Titelbild: Vergleich der Blütenstände von Wildtyp und Hvclv1-Mutante der Gerste. Bei Hvclv1-Mutanten bleibt die Rachilla länger aktiv und bildet mehrere Blütchen pro Ährchen aus, wodurch weizenähnliche, komplexere Blütenstände mit zusätzlichen Körnern entstehen. (Bildquelle: © HHU / Isaia Vardanega)