Dark Diversity

Artenvielfalt verarmt auch auf naturnahen Flächen

13.05.2025 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Die Ellendorfer Wacholderheide ist eine typische Region der Lüneburger Heide. Doch selbst diese für deutsche Verhältnisse naturnahe Region spürt den Artenverlust durch menschliche Aktivitäten. (Bildquelle: © Tineke Blij / Wikimedia; CC-BY-SA-3.0)

Die Ellendorfer Wacholderheide ist eine typische Region der Lüneburger Heide. Doch selbst diese für deutsche Verhältnisse naturnahe Region spürt den Artenverlust durch menschliche Aktivitäten. (Bildquelle: © Tineke Blij / Wikimedia; CC-BY-SA-3.0)

Eine globale Studie zeigt: Menschliches Aktivitäten verringert die pflanzliche Artenvielfalt selbst in Gebieten, die noch als naturnah gelten. Auch in Deutschland wurde das eindrücklich nachgewiesen – z.B. am Beispiel der Lüneburger Heide.

Das Konzept dahinter ist faszinierend: Um den Zustand der Artenvielfalt zu beurteilen, haben Forscher:innen in 119 Regionen weltweit nicht nur erfasst, was wächst, sondern auch, was fehlt. Dieser Ansatz – Dark Diversity genannt – macht sichtbar, wie stark die ökologische Qualität von Flächen durch den Einfluss des Menschen leidet.

Wenn Arten fehlen

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In der Studie wurden in der Lüneburger Heide vor allem naturnahe Wälder untersucht. Das Bild zeigt den Garlstorfer Wald.

In der Studie wurden in der Lüneburger Heide vor allem naturnahe Wälder untersucht. Das Bild zeigt den Garlstorfer Wald.

Bildquelle: © Wolfgang Lemke/Wikimedia; CC-BY-SA-4.0

Die Methodik: Zunächst wird die regionale Artenvielfalt (Gamma-Diversität) erhoben, anschließend die Artenzahl auf einzelnen Teilflächen (Alpha-Diversität). Danach analysieren die Forschenden, welche Arten üblicherweise mit den vorhandenen Arten gemeinsam auftreten – und welche davon am untersuchten Standort fehlen. Arten, für die die Standortbedingungen nicht geeignet sind, werden herausgerechnet. Übrig bleibt die Dark Diversity: jene Arten, die dort leben könnten, aber nicht mehr vorkommen.

Insgesamt erfasste die Studie die Biodiversität auf 5.415 Vegetationsflächen in 66 Ländern auf allen vegetationsbedeckten Kontinenten. Jede Fläche war 100 Quadratmeter groß und repräsentierte natürliche oder naturnahe Lebensräume. In Deutschland lag ein Fokus auf der Lüneburger Heide mit 31 Testflächen.

Menschlicher Einfluss senkt Artenvielfalt um ein Drittel

Besonders interessierte die Forschenden, wie sich der menschliche Einfluss auf die Artenvielfalt selbst in naturnahen Flächen auswirkt. Dafür berechneten sie den Human Footprint Index im Umkreis von 50 Kilometern um jede Testfläche. Dieser Index berücksichtigt Faktoren wie Bevölkerungsdichte, Landnutzung, Verstädterung sowie Infrastrukturmaßnahmen wie Straßen- und Bahnbauten.

Das Ergebnis: In Regionen mit geringem menschlichem Einfluss fanden sich auf den Testflächen durchschnittlich über 30 Prozent der potenziell geeigneten Pflanzenarten. In stark genutzten Regionen dagegen sank dieser Wert auf unter 20 Prozent – sogar wenn die untersuchten Flächen selbst z.B. als Naturwälder galten.

Hohe Dark Diversity selbst in der Lüneburger Heide

Europa und Nordamerika schnitten in der Studie insgesamt schlechter ab als andere Regionen – das galt auch für die Lüneburger Heide. Hier fanden die Forschenden 107 Pflanzenarten, verteilt auf 31 Flächen. Die meisten Flächen lagen in naturnahen Wäldern, einzelne in Gras- oder Heideflächen.

Für eine Fläche berechnete das Team exemplarisch die Dark Diversity: Dort wuchsen zwölf Arten, darunter Hängebirke, Rotbuche, Eiche und Heidelbeere. Doch 37 weitere Arten, die ökologisch gut gepasst hätten, fehlten – etwa Ilex, Preiselbeere oder typische Gräser.

Verglichen mit anderen Regionen lag in der Lüneburger Heide sowohl der Human Footprint Index als auch die Dark Diversity relativ hoch. Die Community Completeness fiel dagegen deutlich niedriger aus als in weniger dicht besiedelten Gebieten – wohl eine Folge der intensiven Landnutzung und langen Siedlungsgeschichte.

Siedlungen, Straßen und Ackerbau verringern die Vielfalt

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Bei der internationalen Feldstudie haben die Forschenden Vegetationsflächen in insgesamt 66 Ländern ausgewertet. Hier ein Untersuchungsgebiet in Rhodos.

Bei der internationalen Feldstudie haben die Forschenden Vegetationsflächen in insgesamt 66 Ländern ausgewertet. Hier ein Untersuchungsgebiet in Rhodos.

Bildquelle: © Merlin Schäfer

Die Studie förderte auch alarmierende Details zutage: Der Einfluss menschlicher Aktivitäten reicht oft über Hunderte Kilometer hinaus. Die Beta-Diversität – also die Unterschiedlichkeit der Artenpools in einer Region – nahm mit zunehmendem menschlichem Einfluss zu. Ursache ist vermutlich die Zerschneidung von Lebensräumen und die Entstehung künstlicher Landschaftsstrukturen.

Dank des Dark-Diversity-Ansatzes konnte erstmals belegt werden, dass selbst scheinbar intakte Naturflächen unter dem regionalen Einfluss des Menschen verarmen. Besonders betroffen sind Flächen im Umfeld von Ackerland, Siedlungen und Verkehrswegen. Extensiv genutzte Weideflächen zeigten hingegen keine negativen Effekte.

Lässt sich die Vielfalt reparieren?

Das Konzept der Dark Diversity macht nicht nur bislang übersehene Bedrohungen für die Artenvielfalt sichtbar, sondern liefert auch wertvolle Ansatzpunkte für den Naturschutz. Denn viele dieser Arten sind regional noch vorhanden. Durch Maßnahmen wie die bessere Vernetzung verbliebener Naturflächen und den Abbau von Bestandsbedrohungen lassen sich diese „verlorenen“ Arten gezielt zurückholen.

Ein Praxisbeispiel liefert ein Folgeprojekt in der Lüneburger Heide: Dort sammelten Forschende Samen von 20 Arten der Dark Diversity und brachten sie auf geeigneten Testflächen wieder aus. Die ersten Ergebnisse sind ermutigend: Je besser die Arten ökologisch zum Standort passten, desto erfolgreicher etablierten sie sich. Sollte sich dieser Erfolg langfristig bestätigen, könnte dieser Ansatz helfen, lokal verschwundene Arten zurückzubringen und das Artensterben gezielt zu bremsen.


Quelle:
Pärtel, M., et al.: Global impoverishment of natural vegetation revealed by dark diversity. In: Nature (2. April 2025). doi: 10.1038/s41586-025-08814-5.

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Titelbild: Die Ellendorfer Wacholderheide ist eine typische Region der Lüneburger Heide. Doch selbst diese für deutsche Verhältnisse naturnahe Region spürt den Artenverlust durch menschliche Aktivitäten. (Bildquelle: © Tineke Blij / Wikimedia; CC-BY-SA-3.0)