Das Auge isst mit

Rote Lebensmittel signalisieren höhere Nährwerte

25.11.2016 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Wissenschaftler fanden heraus, dass das menschliche Gehirn mit der roten Farbe von Lebensmitteln eine besonders hohe Nährstoffdichte verbindet. (Bildquelle: © Johannes Schätzler / pixelio.de)

Wissenschaftler fanden heraus, dass das menschliche Gehirn mit der roten Farbe von Lebensmitteln eine besonders hohe Nährstoffdichte verbindet. (Bildquelle: © Johannes Schätzler / pixelio.de)

Das menschliche Gehirn verbindet mit der roten Farbe von Lebensmitteln eine besonders hohe Nährstoffdichte und präferiert diese. Grüne Lebensmittel hingegen werden mit einem vergleichsweise geringen Energiegehalt assoziiert.

Die Ampelkennzeichnung auf Lebensmittelverpackungen wird seit Längerem von Verbraucherschützern gefordert. Sie soll durch die Farben Grün, Gelb und Rot leicht verständlich den Gehalt an gesundheitsrelevanten Nährstoffen signalisieren, wie z. B. an Fetten, gesättigten Fettsäuren, Zucker und Salz. Dadurch soll Fehlernährung, die beispielsweise vermehrt zu Übergewicht führt, verhindert werden. Die Verbraucher sollen schon vor dem Erwerb erkennen, ob ein Produkt bestimmte Grenzen von Nährstoffgehalten überschreitet und so zu einer ungesunden Ernährung beiträgt.

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Eine solche Ampelkennzeichnung wird seit Längerem von Verbraucherschützern gefordert. Unsere innere "Nahrungsmittelampel" begleitet den Menschen schon seit deutlich längerer Zeit.

Eine solche Ampelkennzeichnung wird seit Längerem von Verbraucherschützern gefordert. Unsere innere "Nahrungsmittelampel" begleitet den Menschen schon seit deutlich längerer Zeit.

Bildquelle: © Igor523/wikimedia.org; CC BY 3.0

Die natürliche Ampel

Eine ganz andere Nahrungsmittelampel begleitet den Menschen schon seit langer Zeit. Wissenschaftler fanden heraus, dass das menschliche Gehirn mit der roten Farbe von Lebensmitteln eine besonders hohe Nährstoffdichte verbindet. Grüne Lebensmittel hingegen werden mit einem vergleichsweise geringen Energiegehalt assoziiert. Der Mensch besitzt also eine „körpereigene Lebensmittelampel“. Anders als heutzutage, wo der zu hohe Energiegehalt oft als negativ gilt, bestand während der Entwicklungsgeschichte des Menschen die Regel: Je höher der Energiegehalt, desto besser. Denn Überlebensvorteile hatten diejenigen, die einen besonders scharfen Blick für energiereiche Kost besaßen. In der Natur zeichnen sich solche Nahrungsmittel oft durch besondere Farben aus.

Menschen sind Trichromaten

Die Wissenschaftler gehen daher davon aus, dass sich das visuelle System des Menschen entwickelt hat, um besonders nahrhafte Nahrungsmittel wie Früchte und Gemüse vom Hintergrund des Grüns der Vegetation und weniger nahrhaften Nahrungsmitteln besser unterscheiden zu können.

Physiologisch dafür verantwortlich ist das trichromatische Sehsystem des Menschen. Dieses bedeutet, dass sich auf der Netzhaut drei verschiedene Arten von Zapfen als Farbrezeptoren befinden. Diese sind als L-, M- und S-Zapfen bekannt. Zu finden sind sie fast ausschließlich bei Verwandtschaftsgruppe der Altweltaffen, zu denen auch der Mensch zählt. Aus den Messwerten der drei Zapfen erstellt das Gehirn ein Farbbild mit dem besonders gut zwischen Rot und Grün unterschieden werden kann.

Testbefragungen von Probanden

Die Forscher überprüften ihre Hypothese, indem sie 68 Probanden mit rohen und verarbeiteten Lebensmitteln unterschiedlicher Farbe konfrontierten und sie baten, Aussagen zum vermuteten Energiegehalt der Speisen zu machen. Das Ergebnis zeigte deutlich: Je rötlicher die Nahrung aussah, desto mehr Energiegehalt unterstellten ihr die Testteilnehmer. Je mehr die Farbtendenz hingegen in Richtung Grün ging, desto kalorienärmer beurteilten die Probanden die Produkte. Als Kontrolle wurden den Probanden nichtessbare Gegenstände verschiedener Farbe vorgelegt.

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Je rötlicher die Nahrung aussah, desto mehr Energiegehalt unterstellten ihr die Testteilnehmer. Je mehr die Farbtendenz hingegen in Richtung Grün ging, desto kalorienärmer beurteilten die Probanden die Produkte.

Je rötlicher die Nahrung aussah, desto mehr Energiegehalt unterstellten ihr die Testteilnehmer. Je mehr die Farbtendenz hingegen in Richtung Grün ging, desto kalorienärmer beurteilten die Probanden die Produkte.

Bildquelle: © Firma Frutmac / Pixelio.de

Der Schein kann trügen

Bei Nahrungsmitteln wie Obst und Gemüse ist die Farbe tatsächlich ein guter Indikator für den Kaloriengehalt. Je röter eine unverarbeitete Nahrung ist, desto wahrscheinlicher ist, dass sie vergleichsweise nahrhaft ist. Die Experimente zeigten jedoch, dass die Probanden den Farbcode offenbar auch auf gekochte Nahrungsmittel anwendeten. Der Zusammenhang von Farbe und Energiegehalt besteht dort jedoch nicht mehr. Die Forscher begründeten diesen Fakt mit der evolutionären Entwicklung des Menschen: Sie gehen davon aus, dass die Verknüpfung vor der Nutzbarmachung des Feuers entstand und somit auch vor der Einführung des Kochens.

Strategien sind notwendig

Experten warnen seit Längerem, dass es neue Strategien für eine Verlangsamung oder für den Stopp des Trends von steigendem Gewicht geben muss. Den Wissenschaftlern zufolge ließe sich der Effekt möglicherweise für ernährungsphysiologisch ausgewogenere Lebensmittel durch die verstärkte Nutzung der Farbe Rot in der Lebensmittelwirtschaft erreichen. Maßnahmen wie eine stärkerer und auf Zielgruppen angepasste Aufklärung sowie ein gut entwickeltes Gesundheits- und Beratungssystem ließen sich dadurch ergänzen.

Sicherlich ist Übergewichtigkeit ein multifaktorielles Phänomen moderner Gesellschaften. Produktion, Verarbeitung, Lagerung, Marketing, aber auch der private Konsum wirken zusammen und müssen in Konzepte integriert werden. In den Industriestaaten wird oft schwerpunktmäßig gegen die Symptome einer falschen Ernährung vorgegangen. Also die medizinische Behandlung von Diabetes, einem hohen Cholesterinspiegel und Bluthochdruck. Vielleicht können die Wissenschaftler mit der vorliegenden Studie eine neue Tür hin zu einer Verhaltensänderung aufstoßen, die gezielt auf die in uns verankerten evolutionären Prinzipien und damit über das Unterbewusstsein funktionieren.


Quelle:
Foroni, F. et al. (2016): Food color is in the eye of the beholder: the role of human trichromatic vision in food evaluation. In: Scientific Reports, (14. November 2016), doi: 10.1038/srep37034.

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Titelbild: Wissenschaftler fanden heraus, dass das menschliche Gehirn mit der roten Farbe von Lebensmitteln eine besonders hohe Nährstoffdichte verbindet. (Bildquelle: © Johannes Schätzler / pixelio.de)