Das Projekt BarEpiEdit

Ein modifiziertes CRISPR/Cas-System soll epigenetisch Resistenzen aktivieren

27.01.2025 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Das Projekt BarEpiEdit will Gerste durch den gezielten Einsatz einer modifizierten Genschere gegen Krankheiten schützen – durch Veränderung der Epigenetik. (Bildquelle: © Johannes D., selbst fotografiert / Wikipedia, CC BY-SA 3.0)

Das Projekt BarEpiEdit will Gerste durch den gezielten Einsatz einer modifizierten Genschere gegen Krankheiten schützen – durch Veränderung der Epigenetik. (Bildquelle: © Johannes D., selbst fotografiert / Wikipedia, CC BY-SA 3.0)

Der Pflanzenschutz braucht dringend Innovationen. Ein Ansatz könnte darin bestehen, epigenetische Eingriffe von Pathogenen rückgängig zu machen. Das wäre langfristig sogar mit einem Pflanzenschutzspray denkbar.

Anders als die meisten Menschen ist Aline Koch fasziniert, wenn sie an Pilzinfektionen denkt. Das liegt vor allem daran, dass Koch Pflanzenforscherin an der Universität Regensburg ist. „Was passiert in einer Pflanze, wenn sie mit einem Pathogen infiziert ist?“, fragt die Professorin, und weiter: „Was verändert sich im Zuge der Infektion in der Epigenetik der Pflanze?“ Dass Koch sich so für diese Fragen begeistern kann, hat auch einen praktischen Grund: In den Antworten liegt die Basis für einen wirksamen und umweltfreundlichen Pflanzenschutz.

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Pilzinfektion: Großaufnahme eines Pflanzenblatts, das vom Echten Mehltau befallen ist. Deutlich sichtbar sind die weißen, mehlartigen Pilzsporen (Konidien) und das Mycel, die die Blattoberfläche bedecken.

Pilzinfektion: Großaufnahme eines Pflanzenblatts, das vom Echten Mehltau befallen ist. Deutlich sichtbar sind die weißen, mehlartigen Pilzsporen (Konidien) und das Mycel, die die Blattoberfläche bedecken.

Bildquelle: © Heizer - Eigenes Werk / Wikimedia, CC BY-SA 3.0

Bislang ist es so, dass chemische Pflanzenschutzmittel meist ökologisch problematisch sind. Unlängst erst hat der „Faktencheck Artenvielfalt“ die konventionelle Landwirtschaft und ihre Praktiken als einen Haupttreiber des Artenverlusts in Deutschland identifiziert. Die Alternative, resistente Pflanzen zu züchten, ist oftmals schwierig und langwierig oder erfordert gentechnische Eingriffe in das pflanzliche Erbgut, die in vielen Ländern verpönt sind.

Gene epigenetisch editieren

Nachdem Koch mehrere Jahre lang erforscht hatte, wie pflanzliche Immunitätsgene in ihrer Aktivität epigenetisch reguliert werden, traf sie mit Antje Richter zusammen, einer Wissenschaftlerin aus der Genetik der Universität Gießen, die ebenfalls an epigenetischen Regulationsmechanismen forscht – aber bei menschlichen Erkrankungen wie Krebs. Anders als Mutationen im Erbgut manifestieren sich epigenetische Veränderungen nicht in der DNA-Sequenz. Das wichtigste epigenetische Prinzip besteht darin, dass eine Methylgruppe an eine Stelle in der Promotorsequenz eines Gens gekoppelt wird. Diese Methylgruppe verhindert, dass das Gen abgelesen wird und somit auch, dass die Zelle das entsprechende Genprodukt erzeugt.

Krankheitserreger können derartige Methylierungen auslösen und so Abwehrmechanismen der infizierten Zelle unterdrücken. Koch hat in ihrer Arbeit Immunitätsgene identifiziert, die auf diese Weise durch Pathogene stummgeschaltet werden. „Könnten wir diese Gene wieder demethylieren, könnten wir gegen den Erreger vorgehen und die Resistenz wiederherstellen“, erzählte die Pflanzenforscherin ihrer Kollegin Richter – die daraufhin erwiderte: „Das können wir. Epigenetisches Editieren nutzen wir zur Tumorsuppression.“ Danach war für beide Forscherinnen klar, dass sie versuchen möchten, die Erfahrungen aus der humanen Krebsforschung in eine Pflanzenanwendung zu übertragen. Das Projekt „BarEpiEdit war geboren.

Die Projektpartner:

Das Vorgehen:

Immense Zahl von Kandidatengenen eingrenzen

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Schema der Idee hinter BarEpiEdit: Die modifizierte Genschere CRISPR/dCas9 wird eingesetzt, um durch Methylierung negative Regulatoren abzuschalten und durch Demethylierung Promotoren zu reaktivieren. Dadurch werden Abwehrgene der Pflanze in einen aktiven Zustand gebracht. Solche Pflanzen sind gegenüber den Erregern unempfindlicher.

Schema der Idee hinter BarEpiEdit: Die modifizierte Genschere CRISPR/dCas9 wird eingesetzt, um durch Methylierung negative Regulatoren abzuschalten und durch Demethylierung Promotoren zu reaktivieren. Dadurch werden Abwehrgene der Pflanze in einen aktiven Zustand gebracht. Solche Pflanzen sind gegenüber den Erregern unempfindlicher.

Bildquelle: © BarEpiEdit

Der erste Schritt bestand darin, gemeinsam mit Projektpartner Chang Liu von der Universität Hohenheim Kandidatengene in Gerste zu identifizieren, die unter epigenetischer Regulation stehen und bei einer Infektion mit einem Pathogen abgeschaltet werden. „Dieser Schritt ist wahrscheinlich die größte Herausforderung“, erläutert Koch. Denn bei einer Infektion verändert sich epigenetisch enorm viel in der Pflanze. Durch verschiedene Sequenzierungsansätze und viel Bioinformatik hat das Team es geschafft, eine lange Kandidatenliste zu erstellen. „Wir müssen diese Liste nun durchgehen und anhand unseres Erfahrungswissens sortieren, welche Kandidaten biologisch besonders plausibel und vielversprechend sind“, sagt die Projektleiterin.

Bis dahin verfolgt das Projektteam einen anderen Ansatz. „Wir haben in ersten Testverfahren Hinweise gesammelt, dass man auch Gene epigenetisch verändern kann, die nicht unter epigenetischer Kontrolle stehen.“ Das MLO-Gen etwa erzeugt eine Anfälligkeit für den Erreger des Echten Mehltaus. Kommerzielle Gerstenlinien besitzen in diesem Gen meist eine Mutation, die dessen Funktion inaktiviert und so zu einer Resistenz führt. MLO wäre also ein guter Kandidat, um zu testen, ob sich das Gen auch epigenetisch ausschalten und dadurch die Pflanze vor dem Echten Mehltau schützen ließe.

Konstrukt aus CRISPR/Cas und Demethylase

Der zweite Schritt besteht schließlich darin, das jeweilige Kandidatengen epigenetisch zu verändern. Dazu nutzen die Forscher:innen ein modifiziertes System der genomischen Schere CRISPR/Cas9. Das Cas-Enzym ist in diesem Fall inaktiviert (dCas). Wichtig ist nur die Funktion, ein Ziel im Genom spezifisch anzusteuern. An CRISPR/dCas ist dann noch eine Demethylase gekoppelt, wenn es darum geht, eine Methylierung zu entfernen und einen Promotor zu reaktivieren. Ebenso lässt sich eine Methyltransferase koppeln, um ein Gen zu methylieren und zu deaktivieren – etwa im Falle des MLO-Gens.

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Erklärvideo: RNA-Interferenz (RNAi) ist eine innovative Pflanzenschutztechnologie, die eine gezielte und umweltfreundliche Alternative zu herkömmlichen Pestiziden bietet.

Videoquelle: © Universität Regensburg

„Ursprünglich haben wir dazu epigenetische Modifikatoren aus dem Humansystem getestet wie beispielsweise TET-Demethylasen, aber dann ebenfalls Pflanzenenzyme“, erzählt Koch. Auch in anderen Organismen suchen die Forscher:innen nun nach besonders effizienten epigenetischen Modifikatoren. In einem eigens entwickelten Testsystem müssen die Enzyme und Komponenten eine hohe Reaktionsrate beweisen. Bestimmte pflanzliche Demethylasen haben sich bereits im menschlichen System als so effizient erwiesen, dass diese auch im Projekt BarEpiEdit genutzt werden.

Klassischer Ansatz über Gerstentransformation

Die gründlich getesteten Konstrukte gelangen dann zum einen über klassische Transformationsmethoden in die Gerste. „Damit überprüfen wir, ob die Konstrukte machen, was wir wollen“, sagt Koch. Doch neben diesem Hauptweg verfolgt das Team noch einen hochinnovativen zweiten Ansatz: „Wir wollen die Komponenten der CRISPR/dCas-Maschinerie extern auf die Pflanze sprühen, um wegzukommen von der langwierigen Pflanzentransformation“, berichtet die Projektleiterin.

RNA ist seit einigen Jahren im Pflanzenschutz als neues Konzept angekommen. Üblicherweise wird dabei doppelsträngige RNA auf die Pflanze aufgesprüht, die dann in einem Schädling mittels RNA-Interferenz ein wichtiges Stoffwechselgen abschaltet und so hochspezifisch nur diese Art bekämpft. „Wir haben aber auch ein Set an anderen RNA-Molekülen, von denen wir wissen, dass sie von der Pflanze aufgenommen werden, darunter regulatorische, aber auch kodierende wie mRNA“, erläutert Koch. „Seit gut drei Jahren wissen wir, dass mRNA auf diesem Weg von Pflanzen aufgenommen werden kann und in Protein translatiert wird.“

Innovation: epigenetische Editierung mittels Sprühanwendung?

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Experimente mit einer Sprühanwendung zur epigenetischen Editierung von Pflanzen.

Experimente mit einer Sprühanwendung zur epigenetischen Editierung von Pflanzen.

Bildquelle: © Uni Hohenheim/Max Kovalenki

„CRISPR/dCas als externe Applikation auf Pflanzen wäre superinteressant“, sagt die Pflanzenforscherin. Ein Spray könnte schnell Veränderungen innerhalb der Pflanze hervorrufen, wäre übertragbar auf andere Kulturpflanzen und hätte wahrscheinlich keine Zulassungsprobleme, wie es bei genomeditierten Pflanzen in der EU noch der Fall ist.

„Wir werden am Ende der drei Projektjahre nicht ein passendes Spray für jedes gewünschte Gen haben“, ordnet Koch ein. Deshalb soll es auch nach Projektende gemeinsam weitergehen. Das große Ziel der RNA-Expertin: „Wir wollen ein Sprühsystem, das verschiedene Gene gleichzeitig editiert, denn eine Resistenz wird oft von mehreren Genen im Zusammenspiel aufgebaut.“ Jetzt aber sollen erste Kandidatengene in Gerste überhaupt erst einmal den Machbarkeitsbeweis liefern.


Publikationen:

  • Hinrichs, AK., Koch, A., Richter, A. (2024). Dual-Luciferase Reporter Assay for Prescreening CRISPR (d)Cas9-Mediated Epigenetic Editing on a Plant Promoter Using Human Cells. In: Maghuly, F. (eds) Plant Functional Genomics. Methods in Molecular Biology, vol 2788. Humana, New York, NY. https://doi.org/10.1007/978-1-0716-3782-1_16
  • Arroyo Villora, S., Zhao, Y., Castellanos Silva, P., Olanin, V., Groll, D., Maurer, S., Roetzer, V., Szymanski, W., Procida-Kowalski, T., Philipp, N., Koch, A., Bartkuhn, M., Graumann, J., Volckmann, R., Koster, J., Rossbach, O., Salzig, D., Dammann, R., Sigges, C., Halbritter, J., Haerteis, S., & Richter, A. M. (2024). Epigenetic silencing and CRISPR-mediated reactivation of tight junction protein Claudin10B (CLDN10B) in renal cancer. Clinical Epigenetics, under review.

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Titelbild: Das Projekt BarEpiEdit will Gerste durch den gezielten Einsatz einer modifizierten Genschere gegen Krankheiten schützen – durch Veränderung der Epigenetik. (Bildquelle: © Johannes D., selbst fotografiert / Wikipedia, CC BY-SA 3.0)