Das Projekt EpiGlyc

Beeinflussen Histon-Glykierungen die Trockentoleranz einer Pflanze?

08.01.2025 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Histone (in der Bildmitte) binden an einem DNA-Fragment und beeinflussen so die Genaktivität. (Bildquelle: © Astrojan / Wikimedia, CC BY-SA 4.0)

Histone (in der Bildmitte) binden an einem DNA-Fragment und beeinflussen so die Genaktivität. (Bildquelle: © Astrojan / Wikimedia, CC BY-SA 4.0)

Studien deuten darauf hin, dass sich die Glykierungsmuster von Histonen bei Trockenstress ändern. Gelänge es, die genetischen und biochemischen Zusammenhänge zu verstehen, könnte darin ein Ansatz liegen, die Trockentoleranz von Getreide durch einen gezielten Einsatz von Wirkstoffen zu verbessern.

Vor etwas mehr als 100 Jahren wurde erstmals ein chemisches Prinzip beschrieben, das heute als Maillard-Reaktion bekannt und gewissermaßen in aller Munde ist: Der französische Naturwissenschaftler Louis Camille Maillard publizierte 1912, wie Aminosäuren unter Wärmezufuhr mit Zuckern reagieren. In aller Munde ist diese Reaktion deshalb, weil sie zahlreichen gerösteten, gebratenen oder gebackenen Lebensmitteln deren typisches Aroma und Geschmack verleiht.

Seit mehr als drei Jahrzehnten vermuten Wissenschaftler:innen, dass sich Maillard-Reaktionen auch in lebenden Zellen abspielen. Insbesondere Proteine mit einem hohen Anteil der Aminosäuren Lysin und Arginin können mit Carbonyl-haltigen Verbindungen wie Zuckern reagieren. Fachleute sprechen dabei von einer Glykierung, weil keine Enzyme beteiligt sind. Die gleiche Reaktion unter Mitwirkung von Enzymen nennt man Glykosylierung.

Trockenstress verändert Glykierungsmuster von Histonen

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Im Projekt verglichen die Forscher:innen Gerste mit und ohne Trockenstress, um spezielle Glykierungsmuster zu identifizieren.

Im Projekt verglichen die Forscher:innen Gerste mit und ohne Trockenstress, um spezielle Glykierungsmuster zu identifizieren.

Bildquelle: © EpiGlyc

Lediglich acht Jahre ist es her, dass Forscher:innen entdeckt haben, dass sich bei Pflanzen die Muster der Histon-Glykierungen unter Trockenstress verändern. „Wir vermuten, dass manche Gene dadurch an- oder ausgeschaltet werden“, berichtet Andrej Frolov vom Leibniz-Institut für Pflanzenbiochemie in Halle. Auf diese Idee kam der Pflanzenforscher, weil die Veränderungen an Lysin- und Argininresten erfolgen und genau diese Reste mit DNA-Basen interagieren. „Jede Reaktion an den Aminosäureresten würde die Interaktion der Histone mit den DNA-Basen verändern“, erläutert Frolov den Gedanken. „Das könnte beeinflussen, wie die DNA in den Histonen gepackt ist und wie die DNA mit Histonen reagiert.“ Dementsprechend wären Gene für eine Transkription zugänglich und somit aktiv – oder eben nicht.

Vor fünf Jahren dann berichtete eine chinesische Forschungsgruppe, dass sie in Krebszellen temporäre epigenetische Glykierungsmotive gefunden hat. Für Frolov war das der letzte Anstoß, um das Projekt EpiGlyc ins Leben zu rufen und zu überprüfen, ob Glykierungen die Trockentoleranz von Pflanzen beeinflussen.

Modifikation von Histonen züchterisch oder chemisch beeinflussen

„Die Glykierung ist ein chemiebasierter Signaltransduktionsweg“, sagt der Projektleiter. „Die Modifikationen können entstehen und enzymatisch wieder abgebaut werden.“ Sobald man die Reaktionen genau kennt, kann man das beteiligte Enzymsystem identifizieren und züchterisch darauf hinwirken, dass eine Modifikation stabiler oder instabiler wird. Dadurch ließe sich die Trockentoleranz der Pflanze verbessern. Denkbar ist, die Modifikationen durch äußerliche Anwendungen von bestimmten Wirkstoffen zu beeinflussen.

Zunächst aber zielt das Projekt darauf ab, Frolovs Hypothese zu belegen. Dazu arbeitet das Team parallel mit zwei Pflanzenarten, Arabidopsis thaliana (Ackerschmalwand) und Hordeum vulgare (Gerste). Die Ackerschmalwand hat ein relativ kleines Genom, Proteom und Metabolom und ist als Modellpflanze gut erforscht – das vereinfacht die Experimente und Dateninterpretation. Gerste wiederum ist eine bedeutende Kulturart in unserer Landwirtschaft und daher als Versuchspflanze besonders praxisrelevant. Während es bei Arabidopsis bereits Mutanten gibt, die unterschiedliche stark Glykierungen ausbilden, stand bei Gerste hier nur der Wildtyp zur Verfügung.

Histone nach Trockenstress isoliert

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Bei Arabidopsis konnten die Forscher:innen bereits auf Mutanten zurückgreifen, die unterschiedlich ausgeprägte Glykierungsmuster zeigen.

Bei Arabidopsis konnten die Forscher:innen bereits auf Mutanten zurückgreifen, die unterschiedlich ausgeprägte Glykierungsmuster zeigen.

Bildquelle: © EpiGlyc

Die Experimente starteten mit dem Anbau der Versuchspflanzen unter Trockenstress. Ein kleiner Teil der Pflanzen wuchs zur Kontrolle bei ausreichender Wasserversorgung. Aus den Pflanzen isolierte das Team zunächst die Zellkerne und daraus eine angereicherte Histonfraktion. Das gestaltete sich zunächst schwieriger als gedacht, doch schließlich wurde dafür eine effiziente Methode entwickelt.

Im nächsten Schritt zerlegten die Forscher:innen die Histone mit Hilfe von Proteasen in kleinere Fragmente. „Mit zwei Proteasen erzeugen wir aus den Histonen kleinere Peptide, die wir dann mittels Massenspektrometrie untersuchen können, um Glykierungen an den Histonproteinen zu finden“, erläutert Frolov. Eine echte Herausforderung war es aber zunächst, geeignete Proteasen auszuwählen. Die meisten getesteten Proteasen setzten entweder zu kurze oder zu lange Peptide frei. Am Ende aber fand das Team die passenden Enzyme.

Mit Antikörpern und ChIP-Seq die Zielgene identifizieren

Histon-Glykierungen, die nur bei Trockenstress auftreten, sollen nun weiter untersucht werden. Denn die entscheidende Frage ist nun, welche Gene im Kontakt mit den modifizierten Histonen sind und vielleicht dadurch in ihrer Aktivität beeinflusst werden.

Um dies zu klären, werden gerade Antikörper gegen die glykierten Histonfragmente erzeugt. Auch das wird schwierig, fürchtet Frolov: „Die Peptidfragmente enthalten ja jeweils nur eine kleine Modifikation durch den Zuckerrest. Unsere Antikörper müssen aber so spezifisch sein, dass sie nur an die modifizierten Histone binden, sonst bekommen wir zu viele Falsch-Positive.“

Und so soll es dann weitergehen: Das Chromatin – also die mit den Histonen verbundene genomische DNA der Versuchspflanzen – wird in Stücke geschnitten und die DNA-Fragmente mit den modifizierten Histonen durch Bindung an die Antikörper „herausgefischt“ – eine Methode, die als Affinitätschromatographie bezeichnet wird. Nach der Sequenzierung dieser Fragmente mit der ChIP-Seq-Methode zeigt sich dann, welche Gene von den modifizierten Histonen gebunden werden. Das wichtigste Projektziel wäre damit erreicht.

Schon bald eine praxistaugliche Anwendung?

Die Überlegungen des Projektleiters reichen aber schon weiter. Als nächstes soll überprüft werden, ob eine bestimmte Histon-Modifikation tatsächlich die Funktion der betroffenen Gene beeinflusst und wie es dadurch zu einer Trockentoleranz kommen kann. „Das dauert definitiv noch einmal zwei Jahre“, schätzt Frolov. Dann aber könnte es schnell gehen: „Wenn wir das alles wissen, dann wollen wir Agrochemikalien identifizieren, die diese Modifikationen künstlich auslösen.“ Das könnten beispielsweise Substanzen sein, die jene Enzyme inhibieren, die sonst Glykierungen beseitigen würden. Vorausgesetzt, diese Wirkstoffe lassen sich ohne Beeinträchtigung von Mensch und Natur einsetzten, hätte die Maillard-Reaktion rund 115 Jahre nach ihrer Entdeckung eine erste praktische Anwendung in der Landwirtschaft gefunden.