Die Renaissance der Platterbse

Wie sie Landwirtschaft und Ernährung nachhaltiger machen könnte

20.05.2025 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Die wenig genutzte Platterbse, eine der ältesten Kulturpflanzen, bietet zahlreiche Vorteile für eine nachhaltige Landwirtschaft und die Ernährungssicherheit. (Bildquelle: © Nadja Kasperczyk)

Die wenig genutzte Platterbse, eine der ältesten Kulturpflanzen, bietet zahlreiche Vorteile für eine nachhaltige Landwirtschaft und die Ernährungssicherheit. (Bildquelle: © Nadja Kasperczyk)

Die Platterbse (Lathyrus sativus) ist robust, düngt den Boden und liefert wertvolles Eiweiß. Toxische Inhaltsstoffe begrenzen jedoch ihre Nutzung. Züchtung und Verarbeitung eröffnen neue Chancen, sie als nachhaltige Kulturpflanze wiederzuentdecken.

Linsen, Kichererbsen und Co. erleben in Zeiten pflanzenbasierter Ernährung einen regelrechten Boom. Doch eine ihrer Verwandten fristet bislang ein Schattendasein: die Platterbse (Lathyrus sativus). Als sogenannte „orphan crop“ – eine weltweit wenig genutzte, oft vernachlässigte Kulturpflanze – ist sie kaum in den globalen Agrar- und Ernährungssystemen vertreten, obwohl sie Eigenschaften mitbringt, die angesichts von Klimawandel, Bodenknappheit und steigenden Düngemittelpreisen hochaktuell sind. Ein Forschungsteam der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) hat im Rahmen des EU-Projekts BioValue untersucht, welches Potenzial in dieser „vergessenen“ Hülsenfrucht steckt – und warum züchterische Weiterentwicklungen nötig sind, um dieses Potenzial auch wirklich zu heben.

Robuste Alleskönnerin für die Landwirtschaft

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Die Blüte der Platterbse.

Die Blüte der Platterbse.

Bildquelle: © H. Zell - Eigenes Werk / Wikipedia, CC BY-SA 3.0

Die Platterbse zählt zu den ältesten Kulturpflanzen der Menschheit, ist aber heute in Europa kaum noch auf den Feldern zu finden und wird nur als Tierfutter genutzt. Dabei ist die Pflanze für die moderne Landwirtschaft äußerst attraktiv: Sie trotzt sowohl Dürre als auch Starkregen und kommt mit wechselhaften Witterungsbedingungen gut zurecht – ideale Voraussetzungen für den Anbau in Zeiten des Klimawandels.

Zudem bindet die Platterbse Stickstoff aus der Luft und reichert damit den Boden auf natürliche Weise mit Nährstoffen an. Als Teil vielfältiger Fruchtfolgen verbessert sie nachhaltig die Bodenfruchtbarkeit.

Vom „Arme-Leute-Essen“ zum Trendprodukt

Auch für die menschliche Ernährung bietet die Platterbse Vorteile. Ihr hoher Proteingehalt macht sie zu einer wertvollen pflanzlichen Eiweißquelle. Allerdings steckt in den rohen Samen ein Haken: Der Inhaltsstoff β-ODAP kann bei übermäßigem Verzehr Nervenschäden verursachen (Neurolathyrismus). Doch durch bewährte Verarbeitungstechniken wie Einweichen, Fermentieren oder Rösten lässt sich dieses Risiko deutlich verringern.

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Hülsenfrüchte der Platterbse.

Hülsenfrüchte der Platterbse.

Bildquelle: © H. Zell - Eigenes Werk / Wikipedia, CC BY-SA 3.

Im BioValue-Projekt wurden bereits erste kulinarische Anwendungen entwickelt: Ein Eintopf aus Buchweizen, Platterbse und Aubergine sowie herzhafte Cracker aus Platterbsen- und Kichererbsenmehl zeigen, wie vielseitig die alte Hülsenfrucht in der modernen Küche eingesetzt werden kann.

Warum züchterische Weiterentwicklung nötig ist

Trotz dieser Vorzüge besteht bei der Platterbse in mehreren Bereichen züchterischer Handlungsbedarf. Vorrangig geht es darum, den Gehalt an β-ODAP zu senken, um gesundheitliche Risiken beim Verzehr zu minimieren. Gleichzeitig gilt es, antinutritive Inhaltsstoffe wie Phytinsäure und Tannine zu reduzieren, da diese die Nährstoffaufnahme hemmen und die Verdaulichkeit beeinträchtigen. Auch das Aminosäurenprofil der Platterbse bedarf einer Verbesserung, da es derzeit einen vergleichsweise niedrigen Anteil an schwefelhaltigen Aminosäuren wie Methionin und Cystein aufweist. Diese essenziellen Aminosäuren sind für die menschliche Ernährung von großer Bedeutung, da sie an zahlreichen Stoffwechselprozessen beteiligt sind. Darüber hinaus ist die Steigerung der Erträge sowie der Resistenzen gegenüber Krankheiten und Schädlingen ein wichtiges Ziel, um die Pflanze für den landwirtschaftlichen Anbau attraktiver zu machen. Schließlich ist auch eine Anpassung an die spezifischen Klimabedingungen und Anbausysteme in Europa erforderlich.

Wie das gelingen kann

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Die Samen der Platterbse haben einen hohen Proteingehalt.

Die Samen der Platterbse haben einen hohen Proteingehalt.

Bildquelle: © Andrew Butko / Wikipedia, CC BY-SA 3.0

Gezielte Selektion und die Nutzung genetischer Vielfalt – insbesondere von Landsorten und Wildformen – bieten Ansatzpunkte für züchterische Fortschritte. Darüber hinaus kommen moderne Verfahren wie die Marker-gestützte Selektion und genomische Selektion zum Einsatz, um erwünschte Merkmale wie einen geringeren β-ODAP-Gehalt oder eine verbesserte Nährstoffzusammensetzung schneller und präziser in neue Sorten zu übertragen. Auch innovative Methoden der Präzisionszüchtung, wie etwa CRISPR/Cas-basierte Genomeditierung, könnten langfristig zur Optimierung spezifischer Eigenschaften beitragen, beispielsweise zur Reduktion antinutritiver Substanzen oder zur Steigerung der Stressresistenz. Wichtige Ziele sind darüber hinaus die Verbesserung der Konkurrenzkraft gegenüber Unkräutern, die Eignung für Mischkulturen sowie eine höhere Standfestigkeit.

Fazit

Die Platterbse ist ein Paradebeispiel dafür, wie alte Kulturpflanzen Lösungen für moderne Herausforderungen bieten können. Ihr Anbau fördert eine nachhaltige Landwirtschaft, während sie gleichzeitig als gesunde und vielseitige Zutat in der Küche überzeugen könnte. Doch um ihr volles Potenzial auszuschöpfen, braucht es gezielte Züchtungsarbeit, Verarbeitungskompetenz und Kooperation. Bleibt zu hoffen, dass dieses unscheinbare Gewächs bald wieder häufiger auf unseren Tellern landet.


Quelle:
Solovieva, I. et al. (2025): Exploring the Potential and Challenges of Lathyrus sativus (Grass Pea) in European Agri-Food Value Chains: A Cross-Country Analysis. In: Sustainability (2025). doi: 10.3390/su17083283

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Titelbild: Die wenig genutzte Platterbse, eine der ältesten Kulturpflanzen, bietet zahlreiche Vorteile für eine nachhaltige Landwirtschaft und die Ernährungssicherheit. (Bildquelle: © Nadja Kasperczyk)