Die Tricks pathogener Pilze
Wie Effektorproteine mikrobielle Konkurrenten ausschalten

Ein „Schlachtfeld“ im Verborgenen: Im Ackerboden konkurrieren pathogene Mikroorganismen mit anderen Bakterien und Pilzen um Lebensraum. (Bildquelle: © 4028mdk09, eigenes Werk / Wikipedia,CC BY-SA 3.0)
Pflanzen und deren Krankheitserreger liefern sich seit Millionen Jahren ein biochemisches Wettrüsten. Ein Schauplatz dieses Kampfes wurde dabei von der Forschung lange übersehen: der Angriff der Pathogene auf andere Mikroorganismen, die einen Befall der Pflanze behindern.
Mikroorganismen leben praktisch überall. Auch Pflanzen und deren Wurzelraum sind dicht von Bakterien und Pilzen besiedelt. Viele dieser Mikroben sind für die Pflanze bedeutungslos, andere dagegen nützlich, einige wenige rufen Krankheiten hervor. Im Laufe der Evolution haben Pflanzen daher Mechanismen entwickelt, die nützlichen Arten in ihrem Mikrobiom durch abgesonderte Sekundärmetabolite zu begünstigen und die schädlichen Arten dadurch zu bekämpfen.
Schützenhilfe gegen pathogene Pilze bekommen die Pflanzen von verschiedenen Seiten: Da gibt es einige Phagen, nützliche Bakterien und Pilzen wie die Mykorrhizapilze, die sich mit verschiedenen Abwehrmechanismen gegen die Krankheitserreger stellen. Deshalb wundert es eigentlich nicht, dass pathogene Pilze ihre Angriffe nicht nur direkt gegen die Immunabwehr der Pflanzen richten, sondern auch gegen Teile des Mikrobioms. Doch dieser Kampf im Mikrokosmos rückt erst jetzt in den Fokus der Pflanzenforschung.
Wettrüsten seit Millionen von Jahren

Links: In gesunden Pflanzen wirken die Immunreaktion (Schild) und die ansässige Mikrobiota dem Wachstum von Pathogenen entgegen. Rechts: Pathogene Pilze sondern Effektorproteine ab (rote Kreise), die andere Mikroorganismen und die Pflanzenabwehr unterdrücken.
Bildquelle: © Current Opinion in Plant Biology; CC-BY-4.0
Genetische Studien deuten darauf hin, dass der Angriff pathogener Pilze auf ausgewählte Arten des pflanzlichen Mikrobioms seit Millionen Jahren Teil des evolutionären Wettrüstens zwischen Pilz und Pflanze ist. Einige Gene für Effektoren, mit denen der Pilz andere Mikroben angreift, sind älter als die ersten Landpflanzen und kommen auch bei nicht-pathogenen Pilzen vor. Das ist plausibel, denn Pilze mussten sich schon immer – auch vor der ersten Bildung eines pflanzlichen Mikrobioms – gegen andere Mikroben verteidigen und durchsetzen. Im Zuge der Evolution haben sich diese Angriffswerkzeuge pathogener Pilze darauf spezialisiert, Mikroben zu bekämpfen, die die Infektion einer Pflanze behindern.
Wie sieht diese Behinderung aus? Zunächst einmal konkurrieren andere Mikroorganismen mit den Pathogenen sowohl um Nährstoffe als auch um Flächen, auf denen sie wachsen. Außerdem sondern einige Mikroorganismen Sekundärmetabolite und antimikrobielle Proteine ab, die Pathogene schwächen oder sogar abtöten können. Einige Mikroorganismen aktivieren oder verstärken auch die pflanzlichen Abwehrreaktionen.
Pathogene stören die Pflanze beim Aufbau des „Wunsch-Mikrobioms“
Was machen nun die Pathogene? Zwei Strategien kommen hier zum Einsatz. Zum einen richten sie ihre „Waffen“ indirekt gegen ihre mikrobiellen Konkurrenten: Effektorproteine greifen in jene Signalwege der Pflanze ein, die die Zusammensetzung des Mikrobioms mitsteuern. Zum anderen attackieren die Erreger auch direkt andere Mikroorganismen. So haben Forscher:innen etwa für den Pilz Verticillium dahliae gezeigt, dass dessen Effektorproteine Ave1, Ave1L2 und AMP3 selektiv Sphingomonaden und Actinobakterien unterdrücken. Aber auch andere Pilze, die um die gleiche Nische konkurrieren, werden so attackiert. Immer mehr Studien zeigen, dass diese Strategie unter pathogenen Pilzen weit verbreitet ist. Bislang wurden jedoch nur wenige dieser antimikrobiellen Effektorproteine identifiziert.
Unlängst haben Forscher:innen eine KI darauf trainiert, für Pilzproteine vorherzusagen, ob diese antimikrobiell wirken können. Das Ergebnis: Im Pilzreich dürfte der Katalog antimikrobieller Effektorproteine überraschend groß sein.
Hohe Selektivität der Effektorproteine
Pathogene Pilze scheinen ihr Arsenal an antimikrobiellen Effektorproteinen sogar an ihren Wirt anzupassen. So bildet der Erreger der Weißfäule (Rosellinia necatrix) abhängig von der Wirtspflanze wie Baumwoll- oder Avocadopflanzen jeweils andere Effektorproteine.
Aus Sicht des Pilzes ist eine hohe Selektivität seiner Angriffe sinnvoll. Mit seinen Effektoren kann er gezielt jene Teile des Mikrobioms ausschalten, die ihm vor allem bei der Infektion im Weg sind. Würde er dagegen breitenwirksame antimikrobielle Sekundärmetabolite einsetzen, könnte er damit das gesamte Mikrobiom und damit auch seine Wirtspflanze zu sehr schädigen.
Gegenwehr durch Hilferuf

Diverse Effektoren mit antimikrobiellen Aktivitäten fördern die Besiedlung verschiedener Pflanzenwirte durch Pathogene.
Bildquelle: © Current Opinion in Plant Biology; CC-BY-4.0
Denkbar ist, dass mikrobielle Effektorproteine gegen pathogene Pilze als Antwort auf den pflanzlichen „Hilfeschrei“ entstanden sind. Dahinter verbirgt sich die Theorie, dass Pflanzen bei einer Infektion gezielt Mikroorganismen anlocken, die dem Angreifer schaden. Befällt etwa Fusarium oxysporum eine Tomatenpflanze, lockt diese durch chemische Signale Trichoderma harzianum in ihre nicht infizierten Wurzeln und bekämpft so das Pathogen. Ähnlich machen es Gerste und Mais, wenn ihre Wurzeln von Fusarium graminearum befallen werden: Sie locken Pseudomonaden und Bacillus amyloliquefaciens in die gesunden Wurzeln, wo die Bakterien antifungale Lipopeptide absondern.
Der Effekt dieser Abwehrmechanismen kann sogar langfristig wirken. Durch die Ansiedlung entsprechender Bakterien können krankheitsunterdrückende Böden entstehen, die nachfolgende Getreidekulturen schützen. So reichern sich etwa in Böden, auf denen Weizen über fünf Jahre von Bipolaris sorokiniana infiziert wurde, Chitinophagaceae-Bakterien an, die die Schwere der Infektion signifikant verringern. Dass es solange dauert, bis dieser Schutz aufgebaut ist, könnte ein Hinweis darauf sein, dass auch hier antimikrobielle Effektoren der pathogenen Pilze die Rekrutierung der nützlichen Bakterien behindern.
Ansatzpunkt für nachhaltigen Pflanzenschutz
Für den Pflanzenschutz ist es daher von großem Interesse, möglichst viele antibakterielle Effektoren pathogener Pilze zu identifizieren und dann Wege zu finden, diese gezielt zu blockieren. Der Weg wäre frei für neue und nachhaltige Konzepte der Krankheitsbekämpfung bei Pflanzen.
Quelle:
Mesny, F., et al. (2024): Meddling with the microbiota: Fungal tricks to infect plant hosts. In: Current Opinion in Plant Biology, 2024, Vol. 82:102622. doi: 10.1016/j.pbi.2024.102622.
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Tielbild: Ein „Schlachtfeld“ im Verborgenen: Im Ackerboden konkurrieren pathogene Mikroorganismen mit anderen Bakterien und Pilzen um Lebensraum. (Bildquelle: © 4028mdk09, eigenes Werk / Wikipedia,CC BY-SA 3.0)