Eine neue Kulturpflanze für Deutschland

Projekt SorBOOM will Anbau von Hirse vorantreiben

30.06.2025 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Körnerhirse wächst auf einem Versuchsfeld in Groß-Gerau in Hessen. Der Anbau von Hirse fristet in Deutschland aktuell ein Nischendasein. (Bildquelle: © Steffen Windpassinger)

Körnerhirse wächst auf einem Versuchsfeld in Groß-Gerau in Hessen. Der Anbau von Hirse fristet in Deutschland aktuell ein Nischendasein. (Bildquelle: © Steffen Windpassinger)

Die wärmeliebende Sorghumhirse (Sorghum bicolor) gilt als robust, nahrhaft und klimafit – doch in Deutschland fristet sie bislang ein Schattendasein. Das Projekt SorBOOM will das ändern: Mit genetischen Analysen, Züchtung neuer Hybriden und modernen Methoden wie Drohnentechnik und Genomeditierung soll Sorghum fit für den heimischen Acker gemacht werden.

Sorghumhirse ist weltweit die fünftwichtigste Getreideart. Wichtige Anbauländer sind neben seiner afrikanischen Heimat und Indien zurzeit die USA, Mexiko, Australien und Argentinien. Auch in Frankreich, Norditalien und Südosteuropa ist die Pflanze schon häufiger auf den Feldern zu sehen.

Während in den USA die Pflanze hauptsächlich als Futtermittel oder als Ausgangsstoff für die Bioethanol-Produktion genutzt wird, ist Hirse in anderen Ländern ein Grundnahrungsmittel. In Mexiko werden daraus Tortillafladen gebacken, in Afrika ein porridgeartiger Brei zubereitet. Die Körner sind ernährungsphysiologisch sehr wertvoll, sie bestehen zu 60 bis 75 Prozent aus Kohlenhydraten, zu 8 bis 13 Prozent aus Proteinen und zu 4 bis 6 Prozent aus Fett.

#####1#####
Der Pollen von Sorghumhirse ist eine gute Proteinquelle für Honigbienen.

Der Pollen von Sorghumhirse ist eine gute Proteinquelle für Honigbienen.

Bildquelle: © Steffen Windpassinger

In Deutschland hingegen ist der Sorghumanbau bislang verschwindend gering. Während auf 2,6 Millionen Hektar Weizen angebaut wird, wachsen Sorghumpflanzen gerade mal auf 15.000 Hektar. „Das ist vergleichbar mit der Anbaufläche von Spargel oder Weihnachtsbäumen“, sagt Dr. Steffen Windpassinger von der Justus-Liebig-Universität Gießen. Windpassinger koordiniert das Projekt SorBOOM, das dem heimischen Sorghumanbau Aufschwung verleihen möchte.

Die Projektpartner und das übergeordnete Ziel

Wie bei jeder Kulturpflanze ist ein stabiler und hoher Ertrag das oberste Züchtungsziel. Damit das hierzulande gelingen kann, müssen Pflanzen mit einer größeren Kältetoleranz gezüchtet werden. Denn bisher mag die Hirse es warm – kein Wunder, wurde sie doch vor rund 5000 Jahren im nordöstlichen Afrika domestiziert und breitete sich von dort über ganz Afrika, Arabien und bis hin nach China aus.

„In Europa ist die direkte Konkurrenz zu Sorghum der Mais“, sagt Windpassinger. „Und wenn man mit Sorghum vergleichbare Erträge erzielen will, muss man sie zeitiger aussähen, als es die derzeitig verfügbaren Sorten erlauben.“

Wissenschaftliche Partner:

Assoziierter wissenschaftlicher Partner:

Industriepartner:

Das experimentelle Vorgehen

Erfassung der genomischen Diversität

#####2#####
Im direkten Vergleich zeigt sich, dass Sorghumhirse (vorne) noch besser mit Trockenstress zurechtkommt als Mais (hinten).

Im direkten Vergleich zeigt sich, dass Sorghumhirse (vorne) noch besser mit Trockenstress zurechtkommt als Mais (hinten).

Bildquelle: © Steffen Windpassinger

Bisher ist die genomische Diversität von Hirse nur unzureichend wissenschaftlich erfasst. Im Rahmen von SorBOOM soll daher ein Pan-Genom und ein Pan-Methylom erstellt werden. Dafür werden insgesamt 70 Zuchtlinien analysiert. Federführend geleitet wird dieses Teilprojekt von Prof. Agnieszka Golicz von der Justus-Liebig-Universität Gießen.

Die 70 ausgewählten Linien sind sehr divers, bilden aber schwerpunktmäßig langtag-adaptierte Linien aus dem Zuchtprogramm der Uni Gießen ab. „Wenn wir Linien aus den Ursprungsregionen nehmen würden, wie Äthiopien oder Sudan, würden die in Europa oder weiten Teilen der USA gar nicht zur Blüte kommen, weil sie an Kurztagsbedingungen angepasst sind“, erklärt Windpassinger die Vorauswahl. „Wir haben aber das Glück, dass die genetische Diversität in unseren Linien noch einen recht großen Teil der globalen Diversität widerspiegelt.“

Biostatistische Modellierung

Um die Züchtung zu beschleunigen, ist es wichtig zu wissen, welche Stellen im Genom für agronomisch vorteilhafte Eigenschaften verantwortlich sind. SorBOOM will daher genetische, epigenetische und transkriptomische Marker für solche Eigenschaften ermitteln. Diese Marker sollen auch in Vorhersagemodelle einfließen.

#####3#####
Um Zeit zu sparen, wird das Hybridsaatgut im Winter in Mexiko hergestellt.

Um Zeit zu sparen, wird das Hybridsaatgut im Winter in Mexiko hergestellt.

Bildquelle: © Steffen Windpassinger

Im Idealfall ließe sich damit zum Beispiel ermitteln, welche Eltern besonders leistungsstarke Hybriden hervorbringen. Denn das volle Potenzial der Hirse lässt sich am besten mit F1-Hybriden ausnutzen. „Der Heterosis-Effekt kann den Ertrag von Sorghumhirse um 40 bis 50 Prozent erhöhen“, erläutert Steffen Windpassinger die Vorteile. Und er ergänzt: „Wenn wir schon anhand der Daten von den Elternlinien abschätzen können, welche Kreuzung sich lohnt, dann wären wir effizienter und schneller“.

Anbau von Testhybriden

Um besser zu verstehen, welche Hybriden unter welchen Umweltbedingungen die besten Leistungen abliefern, führt das Team Feldversuche durch.

Dafür werden aus den Zuchtlinien zunächst 200 Hybriden erzeugt. Um Zeit zu sparen, findet dieser Schritt während des europäischen Winters in Mexiko statt. Anschließend werden die Hybriden gemeinsam mit den Elternlinien und kommerziellen Standardsorten zum Vergleich an sieben unterschiedlichen Standorten in Europa angebaut. Die vier Standorte in Südfrankreich und Norditalien haben ein wärmeres, trockeneres Klima – genau so könnte es mit fortschreitendem Klimawandel auch bald in Deutschland sein. Die drei Standorte in Deutschland, in Südhessen, der Magdeburger Börde und in Mecklenburg-Vorpommern, spiegeln ganz unterschiedliche Klima- und Bodenbedingungen wider. „In Mecklenburg-Vorpommern ist es der Hirse vermutlich noch zu kalt, aber dort können wir Beobachtungen im Jugendstadium oder zur Kältetoleranz machen.“

#####4#####
Die Sorghumhirse-Hybriden reagieren unterschiedlich auf Trockenstress. Der Genotyp links im Bild toleriert Trockenheit gut, die Pflanzen rechts nicht.

Die Sorghumhirse-Hybriden reagieren unterschiedlich auf Trockenstress. Der Genotyp links im Bild toleriert Trockenheit gut, die Pflanzen rechts nicht.

Bildquelle: © Steffen Windpassinger

Von allen Parzellen werden wichtige agronomische Eigenschaften ermittelt, vor allem die abiotische Stresstoleranz und der Ertrag. Die 100 Hybriden mit der besten Leistung werden ein weiteres Jahr angebaut, während die schlechteren 100 durch neue Hybriden ersetzt werden. So kann der kontinuierliche Zuchtfortschritt direkt in das Projekt einfließen.

Phänotypisierung mit NIR und Drohnen

Wie gut die verschiedenen Sorghum-Genotypen mit den jeweiligen Standortbedingungen zurechtgekommen sind, wird auch mit Hilfe von Nahinfrarot-(NIR)-Spektroskopie ermittelt. Dafür werden die Samen der Pflanzen von allen Standorten nach Gießen geschickt und dort mit NIR-Spektroskopie analysiert. Diese Spektren sollen zukünftig idealerweise auch anhand der Elternlinien Vorhersagen über den Ertrag oder die Stresstoleranz der Testhybriden ermöglichen, und somit die Kreuzungsplanung wesentlich erleichtern.

Kamerabestückte Drohnen, die die Testfelder während der Anbauperiode regelmäßig überfliegen, sammeln weitere multispektrale Informationen. „Anhand dieser kann man zum Beispiel erkennen, ob die Pflanze unter Stress steht, weil das den Chlorophyllgehalt beeinflusst“, erklärt Windpassinger. Die Drohnenbilder lassen auch erkennen, welche Pflanzen bei Trockenstress länger grün bleiben – die Trockenheit also besser verkraften.

Gene-Editing für tanninfreie Hirse

#####5#####
Die Hybrideltern werden auf ihre Kältetoleranz getestet.

Die Hybrideltern werden auf ihre Kältetoleranz getestet.

Bildquelle: © Steffen Windpassinger

Außerdem sollen für Hirse moderne Methoden der Genomeditierung etabliert werden. Eine Idee ist es, somit schneller Sorten zu erzeugen, die frei von dem Gerbstoff Tannin sind. Tannin wird von Pflanzen als Abwehrmittel gegen pflanzenfressende Schädlinge produziert. Aber dieser Stoff verhindert auch, dass Tiere wie Menschen die Nährstoffe effizient aufnehmen können. Aus diesem Grund sind in Europa, wo Sorghum bislang vorrangig für die Tierernährung genutzt wird, tanninfreie Sorten erwünscht.

„Das Merkmal Tanninfreiheit wird rezessiv vererbt und hauptsächlich durch zwei Genorte bestimmt. Wenn es uns gelänge, die zwei dominanten Allele auszuschalten, dann hätten wir das Ziel einer tanninfreien Sorghumhirse schnell erreicht“, erklärt Windpassinger.

Ausblick

Läuft alles wie geplant, können die Industriepartner zum Projektabschluss züchterisch interessante Sortenkandidaten zum Sortenschutz anmelden. Gleichzeitig hat die Züchtungsforschung dann neue Methoden entwickelt, um die Effizienz bei der Hirsezüchtung weiter zu steigern.


Zum Weiterlesen auf Pflanzenforschung.de:

Titelbild: Körnerhirse wächst auf einem Versuchsfeld in Groß-Gerau in Hessen. Der Anbau von Hirse fristet in Deutschland aktuell ein Nischendasein. (Bildquelle: © Steffen Windpassinger)