Erdgipfel Rio 20 – Anfang einer neuen Weltwirtschaft?

19.06.2012 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Rio 20: Ein Ziel ist die Einrichtung einer „Green Economy“. (Quelle: © iStockphoto.com/ Beboy_ltd)

Rio 20: Ein Ziel ist die Einrichtung einer „Green Economy“. (Quelle: © iStockphoto.com/ Beboy_ltd)

Vom 20. bis zum 22. Juni 2012 findet in Rio de Janeiro der Weltgipfel „Rio 20“, (UN-Konferenz für nachhaltige Entwicklung 2012) statt. Wie schon beim Erdgipfel 1992, so gibt es auch hier hohe Erwartungen an die über 25.000 Teilnehmer, davon über 100 Staats- und Regierungschefs. Allerdings geht es auch um nichts weniger als ein neues Wirtschaftssystem, das die wichtigsten Probleme der Menschheit lösen soll.

Rio 1992 und zwanzig Jahre später

Auf dem berühmten „Erdgipfel“ im Juni 1992 in Rio stand erstmals das Thema der „Nachhaltigen Entwicklung“ im Mittelpunkt einer Konferenz. Unter Mitwirkung von 17.000 Teilnehmern, darunter 130 Regierungschefs, wurde der Begriff einer breiten Öffentlichkeit vorgestellt. Das Leitbild der Nachhaltigen Entwicklung (engl. sustainable development) sieht vor, dass die natürlichen Ressourcen so genutzt werden, dass sie für nachfolgende Generationen erhalten bleiben. Damit sollten auch endlich globale Probleme wie Armut, Hunger, Umweltzerstörung gelöst werden. Zwei völkerverbindliche Konventionen, die Klimarahmenkonvention (United Nations Framework Convention on Climate Change, UNFCCC) sowie die Konvention über die biologische Vielfalt (Convention on Biological Diversity, CBD), wurden zudem verabschiedet.

Zwanzig Jahre später ist der Begriff der Nachhaltigkeit so ziemlich jedem bekannt. Leider hat sich trotzdem an der Ausgangssituation seit 1992 wenig geändert. Zu den altbekannten Problemen sind noch neue hinzugekommen: Die Schwellenländer erlangen rasant immer größere wirtschaftliche Bedeutung, gleichzeitig wächst auch ihr negativer Einfluss auf die Umwelt. In vielen Industrienationen ist die Finanzkrise das alles beherrschende Thema, so dass andere wichtige Themen nur noch am Rande stattfinden. Immer noch hungern knapp eine Milliarde Menschen, etwa zwei Milliarden leben von weniger als zwei Dollar täglich. Der Klimawandel, der die Situation vor allem in den ärmsten Ländern noch verschärfen wird, nimmt langsam richtig Fahrt auf, von einer Begrenzung schädlicher Gase sind die Industrie- und Schwellenländer weiter entfernt als jemals zuvor.

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In den Schwellenländern werden auch die negativen Auswirkungen der rasanten wirtschaftlichen Entwicklung auf die Umwelt deutlich, z. B. Luftverschmutzung durch Abgase.

In den Schwellenländern werden auch die negativen Auswirkungen der rasanten wirtschaftlichen Entwicklung auf die Umwelt deutlich, z. B. Luftverschmutzung durch Abgase.

Bildquelle: © Dieter Schütz / pixelio.de

Dazu wird die Zeit immer knapper. Allein um den Klimawandel halbwegs zu begrenzen, sind nur noch maximal 20 Jahre Zeit. Der neue Erdgipfel muss deshalb mit konkreten Plänen aufwarten. Die zwei wichtigsten Schwerpunktthemen sind:

  • Reformen wichtiger UN-Nachhaltigkeitsgremien. Es soll zum Beispiel dem Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) mehr politische Gewichtung verliehen werden, etwa durch eine Umwandlung in eine Organisation, die anderen, zum Beispiel der Welthandelsorganisation WTO, ebenbürtig ist. Ebenso wird die Einrichtung eines „Nachhaltigkeitsrates“ (Sustainable Development Council, SDC) gefordert, der dafür Sorge trägt, dass die „drei Säulen“ der Nachhaltigkeit (Natur, Soziales Wirtschaft) im Gleichgewicht bleiben.
  • Einrichtung einer „Green Economy“, eines Wirtschaftssystems, das die natürlichen Ressourcen nachhaltig nutzt, über „grüne“ sozioökonomische Konzepte einen Mindest-Lebensstandard (Zugang zu sauberem Wasser, Nahrung und Energie, Wohnraum, Bildung und Gesundheit) vor allem in unterentwickelten Ländern fördert und für zukünftige Generationen sichert. Wie diese neue Form der Wirtschaft konkret aussehen soll, wird das wichtigste Thema auf der Konferenz in Rio sein.

Wirtschaft der Zukunft: Green Economy

Eine besondere Rolle in dieser Green Economy kommt dabei dem Agrarsektor zu. Etwa zwei Drittel der Weltbevölkerung arbeiten in der Landwirtschaft, die meisten in  bäuerlichen Kleinbetrieben. Um eine Green Economy zu installieren, die auch diese, von Bodenauslaugung, Wassermangel und Klimawandel besonders bedrohte Teile der Bevölkerung erreicht, ist die Wissenschaft gefordert. Hier müssen neue Wege entwickelt werden, um auf den bereits vorhandenen Flächen die Produktion zu erhöhen und gleichzeitig Wasser und Boden langfristig zu erhalten; zum Beispiel durch die Entwicklung neuer Sorten, die hohe Erträge bringen bei gleichzeitig niedrigem Verbrauch von Wasser und Dünger. Das Ziel ist nicht kurzfristig erhöhte Erträge, sondern eine nachhaltige landwirtschaftliche Produktionssteigerung, die besonders den Kleinbauern ihr Einkommen und auch ihre Unabhängigkeit sichert. Gleichzeitig müssen bereits degradierte Ökosysteme (zum Beispiel Wälder) wiederhergestellt werden, um ihre Leistungen wie Erosionsschutz, Einfluss auf Klima und Wasserhaushalt langfristig wieder zu gewährleisten.

Deutschland hat im Hinblick auf die Green Economy bereits 2011 die „Nationale Forschungsstrategie BioÖkonomie 2030“ ins Leben gerufen. Sie soll sich verstärkt um die Themen Welternährung, nachhaltige Landwirtschaft und nachwachsende Rohstoffe für Industrie und Energieerzeugung kümmern. Ziel ist eine auf biologischen Technologien basierende Wirtschaft, die Ressourcen schont und die Erdöl-basierte Wirtschaft ersetzen soll.

Schöne neue Welt

Problematisch an der „schönen neuen Welt“: Noch sind es die Industrieländer, die einen Großteil der Ressourcen verbrauchen, um ihren Lebensstandard zu sichern. Die Entwicklungsländer und Schwellenländer wie China, Indien, Brasilien, bestehen im Gegenzug auf ihrem Recht, Ressourcen zu verbrauchen, um ihre Wirtschaft erst mal aufzubauen und einen ähnlichen Standard zu erreichen wie die Industrieländer. Aber: Dabei setzen sie zunehmend auch auf „grüne Strategien“, die schonend mit Naturgütern umgehen und den Ausstoß von Klimagasen beschränken. In Indien werden beispielsweise bereits über eine Million Autos mit Erdgas betrieben. In Brasilien verdienen mittlerweile mehr als 500.000 Menschen ihren Lebensunterhalt im Recyclingsektor.

Das zeigt, dass die Green Economy im Kleinen schon begonnen hat. Der Gipfel von Rio wird hoffentlich dafür sorgen, dass in dieser Richtung weitere wichtige Schritte auf den Weg gebracht werden.