Genfamilien im Wandel

04.01.2013 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Acht Genome wurden untersucht, darunter auch das Erbgut der Westlichen Balsam-Pappel (Populus trichocarpa). (Quelle: © Sten Porse / Wikimedia.org; CC BY-SA 3.0)

Acht Genome wurden untersucht, darunter auch das Erbgut der Westlichen Balsam-Pappel (Populus trichocarpa). (Quelle: © Sten Porse / Wikimedia.org; CC BY-SA 3.0)

Dupliziert sich ein Gen mehrfach, entsteht im Laufe der Evolution eine Genfamilie. Ihre Genekopien können mutieren, sich verdoppeln oder wieder gelöscht werden und das genetische Repertoire einer Pflanzenlinie somit entscheidend verändern. Daher ist die Entwicklung von Genfamilien für das Verständnis evolutionärer Prozesse und der Entstehung neuer Arten entscheidend. Eine Studie zeigt, dass knapp 2.800 Genfamilien in acht repräsentativen Pflanzengenomen auftauchen, die womöglich den „Kernbestand“ aller photosynthetisch aktiven Pflanzen darstellen könnten.

Die Größe von Genfamilien kann zwischen den unterschiedlichen Abstammungslinien grüner Pflanzen stark variieren. Während manche Pflanzen bestimmte Genfamilien beispielsweise durch Genverdopplung stetig vergrößert haben, sind diese Genfamilien in anderen Abstammungslinien klein geblieben oder durch den Verlust von genetischem Material sogar geschrumpft. Die Evolution von Genfamilien spielt im Pflanzenreich eine wichtige Rolle bei der Entstehung neuer Arten und hilft, die Prozesse der Artenbildung besser zu verstehen. Eine aktuelle Studie zeigt nun, dass photosynthetisch aktive Pflanzen knapp 2.800 Genfamilien gemeinsam haben.

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Photosynthetisch aktive Pflanzen können als „grüne Pflanzen“ kategorisiert werden, da sie den natürlichen Farbstoff Chlorophyll enthalten. Dieser verleiht ihnen ihre charakteristisch grüne Farbe. Darunter zählen neben Landpflanzen also auch Grünalgen.

Acht Genome wurden verglichen

Um die Entwicklung der Genfamilien in photosynthetisch aktiven Pflanzen zu untersuchen und speziell um die Entstehung der Gene der Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana) nachzuzeichnen, verglich Ya-Long Guo, der Autor der vorliegenden Studie vom Max-Planck-Institut für Entwicklungsbiologie in Tübingen, die Genome von acht repräsentativen grünen Pflanzen: Der Schaumkresse-Arten Arabidopsis thaliana und Arabidopsis lyrata, der Westlichen Balsam-Pappel (Populus trichocarpa), von Reis (Oryza sativa), der Mohrenhirse (Sorghum bicolor), des Moosfarns Selaginella moellendorffii, des Kleinen Blasenmützenmooses (Physcomitrella patens) und der Grünalge Chlamydomonas reinhardtii.

Dazu analysierte er in den acht ausgewählten Pflanzen die Gesamtheit aller Proteine, das sogenannte Proteom, das sich aus der in den Genen gespeicherten genetischen Information herausbildet. Der Wissenschaftler griff hierfür auf bioinformatische Methoden zurück.

Genetische Gemeinsamkeiten und Unterschiede von photosynthetisch aktiven Pflanzen

Durch die computergestützte Analyse der genetischen Daten entdeckte der Forscher, dass 2.745 Genfamilien in allen untersuchten Pflanzengenomen auffindbar waren. Da aus diesen Genen im Organismus auch physiologisch aktive Proteine gebildet werden, vermutet der Wissenschaftler hier den „Kern“-Proteinbestand von photosynthetisch aktiven Pflanzen gefunden zu haben.

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Die Ackerschmalwand Arabidopsis thaliana wurde bei der vorliegenden Studie genauer betrachtet. Ihr Genom wurde bereits im Jahr 2000 vollständig entschlüsselt. Damals war dies das erste vollständig bekannte Pflanzengenom.

Die Ackerschmalwand Arabidopsis thaliana wurde bei der vorliegenden Studie genauer betrachtet. Ihr Genom wurde bereits im Jahr 2000 vollständig entschlüsselt. Damals war dies das erste vollständig bekannte Pflanzengenom.

Bildquelle: © Safflle / Wikimedia.org; CC BY-SA 3.0

Die Studie ging dabei von der Annahme aus, dass es mindestens ein Ur-Gen im jüngsten gemeinsamen Vorfahren gibt. Da in dieser Studie die Grünalge C. reinhardtii die älteste untersuchte Pflanze ist, wurden nur die Genfamilien in die Analyse aufgenommen, die neben C. reinhardtii noch von mindestens einer der sieben anderen Arten geteilt werden. Damit waren die knapp 2.800 Familien identifiziert, die somit auch in anderen „grünen“ Pflanzen auffindbar sein müssten. 

Die Anzahl an Genfamilien variiert stark bei den untersuchten Genomen (zwischen gut 8.500 (Moosfarn, S. moellendorffii) und über 18.000 (Reis, O. sativa). Die Anzahl an Genen innerhalb dieser Genfamilien ebenfalls. Sie beträgt zwischen gut 15.000 bis über 45.000.

Unterschiede in der Gattung Arabidopsis

Bei der Betrachtung der genetischen Gemeinsamkeiten der acht Genome wurden jedoch auch Unterschiede zwischen den beiden untersuchten Arabidopsis-Arten entdeckt. Es gibt 98 Genfamilien, die nur in Arabidopsis lyrata und mindestens einem der gattungsfremden Genome gefunden werden konnten und 117 Genfamilien, die nur Arabidopsis thaliana mit den anderen Genomen gemein hatte. Jede dieser beiden Arabidopsis-Arten hat demnach spezifische Gene, die jedoch auch in anderen gattungsfremden Pflanzen auffindbar sind. 

A. thaliana im Detail

A. thaliana-Pflanzen besitzen 27.025 Gene. Die Analyse ergab, dass mehr als 70 Prozent aller Gene vor 450 Millionen Jahre entstanden. Dazu musste der Forscher die verwandtschaftlichen Verhältnisse (Phylogenese) der untersuchten Pflanzen zusammen mit deren Genomen untersuchen und nachverfolgen, wann die einzelnen Gene entstanden sind.

Konservierte Gene, sind evolutionär ältere Gene, die sich über einen langen Zeitraum relativ wenig verändert haben. Sie übernehmen daher auch wichtige Funktionen, um das Überleben der Pflanzen zu sichern. Sie sind weniger anfällig für Mutationen, als evolutionär jüngere Gene. Bei A. thaliana sind viele ältere Gene im Genom enthalten, die demnach wichtige Funktionen übernehmen. Guo stellte fest, dass die älteren Gene im Vergleich zu evolutionär jüngeren, längere Sequenzen aufweisen und aufgrund ihrer wichtigen Funktion auch häufiger abgelesen werden. 

Besondere Genfamilien aus „Orphan genes“

Jede evolutionäre Abstammungslinie enthält in ihrem Erbgut auch sogenannte „orphan genes“, „verwaiste“ Gene. Diese Gene haben keine homologen Gene in anderen Abstammungslinien. Homologe Gene stammen von einem gemeinsamen Vorläufer ab. Da dies bei verwaisten Genen nicht der Fall ist, ist ihr evolutionärer Ursprung bisher nur unzureichend verstanden.

Auch aus verwaisten Genen können sich Genfamilien herausbilden. Die Anzahl sowie die Größe dieser Genfamilien unterscheiden sich auch bei den acht untersuchten Genomen stark. Während bei der Ackerschmalwand (A. thaliana) nur ca. 1.300 Genfamilien aus „verwaisten“ Genen gefunden werden konnten, waren es beim Reis über 10.000.

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Auch Taufliegen der Gattung Drosophila haben eine vergleichbare Rate, mit der ermittelt werden kann, wieviele Gene pro eine Mio. Jahren gewonnen bzw. verloren werden. Hier: Die „Schwarzbäuchige“ Taufliege (Drosophila melanogaster).

Auch Taufliegen der Gattung Drosophila haben eine vergleichbare Rate, mit der ermittelt werden kann, wieviele Gene pro eine Mio. Jahren gewonnen bzw. verloren werden. Hier: Die „Schwarzbäuchige“ Taufliege (Drosophila melanogaster).

Bildquelle: © Botaurus / Wikimedia.org; gemeinfrei

Die Geschwindigkeit der Evolution

Darüber hinaus ermittelte der Forscher, wie viele Gene bei den „grünen“ Pflanzen pro Million Jahren gewonnen bzw. verloren werden. Daraus ergibt sich die durchschnittliche Geschwindigkeit, mit der eine Genfamilie sich voraussichtlich im Laufe der Zeit - aufgrund des Zugewinns und des Verlusts an Genen - entweder vergrößert oder schrumpft. Die Rate wird hier auf 0,001379 geschätzt, was bedeutet, dass in einem einzelnen Genom beispielsweise bei A. thaliana pro eine Million Jahren ungefähr 37 Gene verdoppelt werden und verloren gehen (0.001379 Zugewinne und Verluste/Gen/Million Jahre × 27.025 Gene). Diese Rate ist vergleichbar mit der von Hefe oder der Fruchtfliege Drosophila.

Genfamilien können sich im Laufe der Zeit entweder vergrößern oder verkleinern. Die durchschnittliche Tendenz ist dabei bei jeder Abstammungslinie unterschiedlich. Die Genfamilien der meisten Abstammungslinien haben sich tendenziell vergrößert. Die Genfamilien einiger Gattungen haben sich jedoch tendenziell verkleinert, so beispielsweise die der Gattung Arabidopsis

Bessere Kenntnisse nutzen

Die Studie gibt genomweite Einblicke in die Evolutionsgeschichte von Genen und Genfamilien in photosynthetisch aktiven Pflanzen, hier vor allem der Ackerschmalwand. Diese Kenntnisse können uns helfen, die genetische Variation zwischen evolutionär älteren und neueren Arten besser zu verstehen. Prozesse wie eine bessere Anpassung von Pflanzen an veränderte Umweltbedingungen aber auch die gezielte Entwicklung neuer Kulturpflanzen aus wildverwandten Arten, ließen sich so gezielter steuern. Darüber hinaus dient dieses bessere Verständnis als Grundlage für Experimente, in denen beispielsweise die genauen biologischen Funktionen von Genen ermittelt werden. Da bioinformatische Modelle diese Funktionen nur abschätzen, sind experimentelle Belege nötig, um diese Annahmen valide zu untermauern.


Quelle:
Guo, Y.-L. (2012): Gene family evolution in green plants with emphasis on the origination and evolution of Arabidopsis thaliana genes. In: The Plant Journal, online 6. Dezember 2012, DOI: 10.1111/tpj.12089.

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Titelbild: Acht Genome wurden untersucht, darunter auch das Erbgut der Westlichen Balsam-Pappel (Populus trichocarpa). (Quelle: © Sten Porse / Wikimedia.org; CC BY-SA 3.0)