Harz mit Geschichte
Wie uralte Enzyme Nadelbäumen helfen, sich gegen Borkenkäfer zu wehren
Harz schützt Nadelbäume vor Insekten und Krankheitserregern. Seine klebrige Masse enthält Diterpene – natürliche Abwehrstoffe, die Borkenkäfer und Pilze fernhalten. (Bildquelle: © Adrian Michael, eigenes Werk / Wikipedia, CC BY-SA 3.0)
Wenn Fichten oder Kiefern verletzt werden, tritt ein klebriger, aromatischer Saft aus: Harz. Dieses natürliche Schutzmittel verschließt Wunden, fängt Insekten ein und enthält Stoffe, die Pilze und Schädlinge abwehren. Besonders wichtig sind dabei Diterpene – chemische Verbindungen, die wie ein pflanzliches Abwehrarsenal wirken.
Ein internationales Forschungsteam des Max-Planck-Instituts für chemische Ökologie in Jena und der Iowa State University (USA) hat nun herausgefunden, dass diese Abwehrstoffe eine außergewöhnlich lange und verflochtene Evolutionsgeschichte haben. Manche Diterpene entstanden bereits vor mehr als 300 Millionen Jahren, andere erst in jüngerer Zeit, als Borkenkäfer die Nadelbäume bedrohten. Das Besondere: Beide Generationen von Abwehrstoffen wirken heute gemeinsam, um die Bäume zu schützen.
Alte Gene, neue Tricks
Kleiner Käfer, große Wirkung: Der Gekörnter Fichtenborkenkäfer (Cryphalus abietis) kann Fichten schwächen – ihr Harz ist die erste Verteidigungslinie.
Bildquelle: © Udo Schmidt / Wikipedia, CC BY-SA 2.0
Um die Geschichte der Diterpene zu rekonstruieren, analysierte das Team die Erbsequenzen der Enzyme, die sie herstellen – die sogenannten Diterpensynthasen. Diese Enzyme bestimmen, welche chemischen Varianten eines Diterpens die Pflanze produziert. Durch genetische Vergleiche und Laborexperimente gelang es den Forschenden, molekulare „Ahnen“ dieser Enzyme zu rekonstruieren und deren Funktionen nachzuvollziehen.
Das Ergebnis war überraschend: Einige Enzyme, die in heutigen Nadelbäumen vorkommen, lassen sich bis in die Zeit vor den ersten Nadelbaumarten zurückverfolgen. Andere sind dagegen mehrfach unabhängig in verschiedenen Baumlinien entstanden – offenbar als Reaktion auf ähnliche Bedrohungen wie den Borkenkäfer. Die Evolution hat also mehrfach dieselbe chemische Lösung gefunden – ein klassisches Beispiel für konvergente Evolution.
„Diterpensynthasen sind spannende Enzyme, weil schon kleine Veränderungen in ihrer Bauweise dazu führen, dass sie unterschiedliche chemische Produkte erzeugen. Sie eignen sich deshalb hervorragend, um zu untersuchen, wie Pflanzen im Laufe der Evolution diese enorme Vielfalt an Abwehrstoffen hervorbringen konnten“, erklärt Erstautor Andrew O’Donnell aus der Abteilung Biochemie den Ausgangspunkt der Untersuchungen.
Evolution mit Vorarbeit
Erstautor Andrew O’Donnell vor einem Gel-Bildgebungssystem
Bildquelle: © Angela Overmeyer / Max-Planck-Institut für chemische Ökologie
Eine zentrale Rolle spielte dabei ein genetischer Mechanismus namens Epistase. Er beschreibt, dass neue Eigenschaften oft nur entstehen können, wenn zuvor bestimmte Veränderungen bereits vorhanden sind. Kleine, zunächst unscheinbare Mutationen in alten Enzymen ebneten also den Weg für neue Abwehrstoffe, die erst Millionen Jahre später relevant wurden.
„Das Potential der Pflanzen, bestimmte Stoffe zu entwickeln, nahm über Millionen Jahre zunächst nur langsam zu – und stieg dann sprunghaft an, nachdem sich die Nadelbäume von anderen Pflanzen abgespalten hatten. Das könnte erklären, warum manche Pflanzengruppen dieselben Eigenschaften immer wieder neu entwickeln können“, so Andrew O’Donnell.
Doppelte Verteidigung gegen doppelte Bedrohung
Heute enthält das Harz von Nadelbäumen eine Mischung aus uralten und jüngeren Diterpenen. Fossile Funde legen nahe, dass die jüngeren Verbindungen zeitgleich mit dem Auftreten der Borkenkäfer entstanden sind – ein evolutionäres Wettrüsten zwischen Baum und Käfer.
„Wie schnell sich ein Baum an neue Herausforderungen wie den Angriff von Borkenkäfern anpassen kann, hängt auch davon ab, welche Veränderungen im Stoffwechsel bereits im Laufe der Evolution stattgefunden haben. Diese Vorgeschichte bestimmt mit, welche neuen Eigenschaften überhaupt entstehen können – und damit, wie gut sich die Pflanze anpasst“, erklärt Jonathan Gershenzon, Leiter der Abteilung Biochemie.
Aus der Evolution lernen
Die Ergebnisse zeigen: Die chemische Abwehr der Nadelbäume ist kein statisches System, sondern das Produkt jahrhundertelanger molekularer Anpassungen. Wer versteht, wie alte Gene neue Abwehrstoffe ermöglichen, kann vielleicht auch nachhaltige Pflanzenschutzstrategien entwickeln, die natürliche Abwehrmechanismen nutzen statt sie zu ersetzen.
Das Team will nun genauer untersuchen, wie die Evolution von Diterpenen und Diterpensynthasen Einfluss auf die Fähigkeit von Bäumen genommen hat, sich heute sowohl gegen Borkenkäfer als auch gegen die mit ihnen assoziierten Pilzarten zu verteidigen. Vermutlich kommt es gerade auf die Kombination verschiedener Stoffe an, um die effektivste Abwehr gegen die doppelte Bedrohung von Käfer und Pilz zu erreichen.
Quelle:
O’Donnell, A. J. et al. (2025): Favorable epistasis in ancestral diterpene synthases promoted convergent evolution of a resin acid precursor in conifers. Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS), 122(39). doi: 10.1073/pnas.2510962122
Zum Weiterlesen auf Pflanzenforschung.de:
- Lockruf der Pilze - Borkenkäfer erkennen verbündete Pilze an speziellen Duftstoffen
- Wirkstoff-Cocktail gegen Käfer und Pilze - Warum Fichten auf komplexe Duftmischungen zur Verteidigung setzen
- Deutschlands Wälder weiter im Stress - Waldschadensbericht 2024 zeigt kaum Entspannung
Titelbild: Harz schützt Nadelbäume vor Insekten und Krankheitserregern. Seine klebrige Masse enthält Diterpene – natürliche Abwehrstoffe, die Borkenkäfer und Pilze fernhalten. (Bildquelle: © Adrian Michael, eigenes Werk / Wikipedia, CC BY-SA 3.0)