Höchste Zeit zu Blühen

06.06.2012 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Sonnenlicht gibt den Impuls für die Blütenbildung. (Quelle: © Jürgen Nießen / www.pixelio.de)

Sonnenlicht gibt den Impuls für die Blütenbildung. (Quelle: © Jürgen Nießen / www.pixelio.de)

Werden im Frühjahr die Tage länger, ist es für viele Pflanzen Zeit zu blühen. Lichtsignale setzen dann eine Kette molekularer Prozesse in Gang, die die Blütenbildung induzieren. Forscher haben jetzt ein entscheidendes Puzzleteil in diesem Prozess entdeckt.

Pflanzen bestimmen den optimalen Zeitpunkt der Blütenbildung, indem sie die jahreszeitlichen Veränderungen der Tageslänge und des Lichtspektrums mit speziellen Lichtrezeptoren in ihren Blättern messen. Ihre „innere Uhr“ (Circadianische Rhythmik) legt dabei fest, zu welcher Tageszeit der Lichtrezeptor exprimiert, also das Tageslicht gemessen wird. Forscher haben nun das letzte Rätsel im Zusammenspiel von Sonnenlicht, Circadianer Rhythmik und Genen entschlüsselt. 

In Experimenten mit der Modellpflanze Ackerschmalwand (Arabidipsis thaliana) untersuchten sie die molekularen Vorgänge während der Blütenbildung. Ihre Erkenntnisse überführten sie in ein mathematisches Modell, um die Funktionsprinzipien genauer zu untersuchen.

Sonne gibt Signal für die Blütenbildung

Ist ein Frühlingstag lang genug, wird in den Blättern der Ackerschmalwand das Protein FLOWERING LOCUS T (FT) gebildet. Von den Blättern strömt das FT-Protein in die Sprossspitzen, an denen die Zellen noch undifferenziert sind. Dort setzt es einen molekularen Prozess in Gang, bei dem sich Blütenzellen ausdifferenzieren. Die Blütenbildung beginnt. Wie die Signalkette von der Lichtrezeption bis zur Blütenbildung genau funktioniert, war bislang erst ansatzweise enträtselt.

Bekannt ist, dass der Transkriptionsfaktor CONSTANS (CO) die Produktion des Blühproteins FT fördert. Die Transkription des CO-Gens schwankt im Tagesrhythmus und erreicht ihren Peak in der Abenddämmerung. An längeren Tagen im Frühjahr und Sommer gibt es zu dieser Tageszeit noch Sonnenlicht – dann wird das CO-Protein aktiviert und damit die FT-Transkription befördert. 

Die Blüte ist Ergebnis eines komplexen Zusammenspiels aus fördernden und hemmenden Impulsen

Wie die Wissenschaftler nun herausfanden, ist der Lichtrezeptor FKF1 (FLAVIN-BINDING, KELCH REPEAT, F-BOX) entscheidend an diesem Prozess beteiligt. Auch der FKF1-Proteinkomplex wird täglich am späten Nachmittag transkribiert und nur dann aktiviert, wenn zu dieser Zeit die Sonne noch scheint. Ist FKF1 aktiv, stabilisiert es die Transkription des CO-Proteins und fördert dadurch auch die Produktion des Blühproteins FT. Die „innere Uhr“ der Pflanzen reguliert die tageszeitspezifische Stabilisierung des CO-Proteins über das Timing von FKF1.

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Über die gezielte Manipulation der Signalwege der Blühinduktion wollen Züchter ertragreichere und regional besser angepasste Nutzpflanzen züchten. 

Über die gezielte Manipulation der Signalwege der Blühinduktion wollen Züchter ertragreichere und regional besser angepasste Nutzpflanzen züchten. 

Bildquelle: © Hajo Rebers / www.pixelio.de

In den Morgenstunden ist die CO-Produktion und damit auch die FT-Produktion gehemmt. Denn am Morgen bindet der Transkriptionsfaktor CYCLING DOF FACTOR 1 (CDF1) an den FT-Promoter von CO und hemmt diesen. An langen Nachmittagen entfernt FKF1 diesen Repressor CDF1 und bindet statt diesem an CO. Die CO-Produktion wird dann stabilisiert. Die Produktion des Blühprotein FT läuft an. Durch vielfältige Regulationsschleifen wird die Blütenbildung dabei exakt kontrolliert.

Der richtige Zeitpunkt zählt

Die Blüte einzuleiten, ist eine der wichtigsten Entscheidungen für Pflanzen. Sie bestimmt über eine erfolgreiche Reproduktion und damit über den evolutionären Erfolg einer Art. Dabei ist die präzise Abstimmung auf die Jahreszeit unerlässlich. Nur wenn die Tageslänge, die Temperatur und die Nahrungssituation ideal sind, beginnt eine Pflanze zu blühen. Bei Pflanzen, die durch Pollen von Artgenossen bestäubt werden, ist zudem entscheidend, dass diese zur selben Zeit blühen wie ihre Nachbarn. 

Am Beispiel der Ackerschmalwand, einer genetisch vergleichsweise einfachen Pflanze, gelang es nun die Signalwege und Regulatoren, die an der Blühinduktion beteiligt sind, besser zu verstehen. Gelingt es, diese Erkenntnisse auf genetisch komplexere Nutzpflanzen wie Reis, Weizen oder Roggen zu übertragen, hätten Züchtungsforscher ein Werkzeug in der Hand, mit dem sie die Blühperiode gezielt manipulieren könnten. 

Dadurch ließe sich die Blütezeit von Nahrungs- und Energiepflanzen z.B. besser an diverse klimatische Bedingungen anpassen. Erträge könnten gesteigert werden. Der Zeitpunkt der Blüte ist einer der wichtigsten limitierenden Faktoren für gute Ernten. Vielleicht ließen sich aber auch Pflanzen züchten, die auch außerhalb arttypischer Regionen gedeihen. Dies wäre eine Chance, um auch in Gebieten mit schwierigen klimatischen Bedingungen eine ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln sicherzustellen. 

Wie langwierig die Suche nach den „richtigen“ Blüh-Genen sein kann, zeigt auch das Beispiel der Zuckerrübe. Nach über 10 Jahren der Forschung gelang es Forschern kürzlich das sogenannte Schossgen zu isolieren. Dieses Gen induziert in Zuckerrüben die Blütenbildung und stoppt damit das Wurzelwachstum. Die Zuckerrübe ist eine zweijährige Pflanze, d.h. nach einer vegetativen Phase im ersten Jahr, folgt im zweiten Jahr die Blüte (generative Phase). Mit dem Wissen über die Blühinduktion kann nun die Blüte gezielt verhindert und dadurch der Zuckerertrag gesteigert werden. Züchtungsprogramme könnten zudem durch eine Blüte bereits im ersten Jahr deutlich beschleunigt werden. 


Quelle

Young Hun Song et al. (2012): FKF1 Conveys Timing Information for CONSTANS Stabilization in Photoperiodic Flowering. Science 336, 1045 (2012); DOI: 10.1126/science.1219644.

Zum Weiterlesen:

Titelbild: Sonnenlicht gibt den Impuls für die Blütenbildung. (Quelle: © Jürgen Nießen / www.pixelio.de)