Hordedane und das ewige Wettrüsten
Neue Phytoalexin-Gruppe in Gerste entdeckt
Forscher:innen haben in Gerste bislang unbekannte Phytoalexine zur Abwehr pathogener Pilze gefunden. Eine Entdeckung kam noch hinzu: Eine Pilzart hat es geschafft, diese „Waffe“ zu neutralisieren und sogar als Rohstoffquelle zu verwenden. Ein Wettrüsten Pilz gegen Pflanze.
Es ist ein seltener Fund im ewigen Wettrüsten zwischen Pflanzen und ihren Pathogenen: Pflanzenforscher:innen aus Köln und Halle haben ein Beispiel entdeckt, wie ein Schadpilz die Immunabwehr von Gerste nicht nur ausschaltet, sondern sogar zu seinem Vorteil nutzt.
Aus Reis und Mais war bekannt, dass diese Pflanzenarten bestimmte Terpenoide bilden, wenn sie von pathogenen Pilzen infiziert werden. Für einige dieser Terpenoide konnte gezeigt werden, dass diese antimykotisch wirken. Zugleich gab es Hinweise darauf, dass sogenannte diterpinoide Phythoalexine auch in anderen Gräsern wie Weizen, Gerste, Roggen und Hafer existieren. Doch über die Biosynthese dieser Verbindungen war kaum etwas bekannt.
Gencluster auf Chromosom 2 identifiziert
Weil sich dahinter ein neuer Abwehrmechanismus gegen Pilzkrankheiten verbergen könnte, suchten die Forscher:innen im Genom der Gerste nach Genen und Synthesewegen für entsprechende Moleküle. Tatsächlich konnte das Team auf Chromosom 2 ein Gencluster identifizieren, das für die Produktion mehrerer diterpinoider Phytoalexine verantwortlich ist. Diese bislang unbekannte Klasse der Terpenoide taufte das Team auf den Namen Hordedane. Als besonders häufiger Vertreter erwies sich ein Molekül namens 19-OH-HTA. Unter anderem gehören zu dem Cluster die Copalyl-Diphosphat-Synthase 2 (CPS2), eine Kauren-Synthase-Artige (KSL) und mehrere Cytochrom-P450-Oxygenasen (CYP). Bei Kontakt mit Pilzen wird der Cluster aktiviert.
Die Forscher:innen testeten, wie sich dieser Mix aus Hordedanen in einer Konzentration, wie sie bei Wurzelabsonderungen auftritt, auf unterschiedliche Pilze auswirkte. Konkret testeten die Forscher:innen die Effekte auf Bipolaris sorokiniana (Erreger von Fleckenkrankheit und Wurzelfäule), Verticilium dahliae (Erreger der Verticillium-Welke bei zahlreichen Kulturpflanzen, Obstbäumen und Gemüsen) und Fusarium graminearum (Erreger der Ährenbleiche).
Auch die Wirkung auf zwei nützliche Pilzendophyten, Serendipita indica und Serendipita vermifera, hat das Forscherteam untersucht. Während die Hordedane Keimung und Wachstum von Verticilium nicht veränderten, unterdrückten sie die Keimung von Fusarium und Serendipita weitgehend. Ungewöhnlich war der Befund, dass Bipolaris mit steigender Konzentration der Hordedane sein Wachstum beschleunigte.
Knockout-Mutanten belegen Rolle der Diterpenoide
Mittels der Genom-Editierungsmethode CRISPR/Cas9 erzeugten die Forscher:innen genetisch veränderte Gerstenpflanzen mit vorzeitigen Stop-Codons in den Genen CPS2 und KSL4. Wie erwartet konnten die Mutanten dadurch keine Hordeane produzieren. Die Infektionsverläufe der Mutanten verglichen die Forscher:innen mit jenen des Wildtyps. Während sich Fusarium in den Mutanten viermal so stark ausbreitete wie im Wildtyp, war der Befall mit Bipolaris beim Wildtyp geringer. Offensichtlich wirken die Hordedane als Breitband-Antimykotikum, aber nicht gegen Bipolaris. Die Hordedane fördern sogar Infektionen mit diesem Erreger.
Dieser Besonderheit von Bipolaris gingen die Forscher:innen in einer Zellkultur mit Hordedanen auf den Grund. Massenspektrometrische Analysen der Nährflüssigkeit ergaben dabei, dass Bipolaris in der Lage ist, 19-OH-HTA auf zwei unterschiedliche Weisen zu modifizieren und mit eigenen Sesquiterpenoiden zu verbinden. Dadurch kann der Pilz das pflanzliche Molekül für seinen eigenen Stoffwechsel verwenden und zugleich die toxische Wirkung aufheben. Stattdessen fördern die umgewandelten Hordedane das Wachstum von Bipolaris und unterstützen seine Kolonisierung der Wurzeln. Diese Anpassung erlaubt es dem hemibiotrophen Pilz, sich effizienter in der Pflanze zu etablieren und diese länger am Leben zu erhalten, bevor er schließlich in die sogenannte nekrotrophe Phase wechselt, in der er absterbendes Gewebe besiedelt.
Vergleichbare Gencluster existieren wohl bei den meisten Süßgräsern
In einer Syntenie-Studie suchten die Forscher:innen nach Entsprechungen des Hordedanen-Genclusters aus Gerste auch in Reis und Weizen. Dabei zeigte sich eine große Übereinstimmung mit dem Momilacton-Cluster in Reis. Auch bei Weizen fanden sich Cluster orthologer Gene, sogar in allen drei Genomsätzen. Dabei enthielten die Chromosomen 2 alle ein CPS- und ein KSL-Gen, aber unterschiedliche CYP-Gene. Da sich Hordedane bei allen drei genetisch entfernten einkeimblättrigen Pflanzen finden, vermuten die Forscher:innen, dass auch andere Süßgräser ähnliche Cluster enthalten, aber diverse Diterpenoide bilden. Da die entsprechenden Gene in mehreren ähnlichen Kopien vorliegen, ist anzunehmen, dass eine unabhängige Evolution und damit eine schnelle chemische Anpassung der Diterpene an Pathogene möglich ist.
Die Entdeckung der Hordedane als pflanzliche Breitbandabwehrstoffe eröffnet neue Ansätze für die Pflanzenzüchtung. Die genetische Kontrolle der Hordedane-Bildung könnte genutzt werden, um Gerstensorten zu entwickeln, die gegenüber unterschiedlichen Pilzarten widerstandsfähiger sind. Gleichzeitig zeigt die Studie auch die beeindruckende Anpassungsfähigkeit von Krankheitserregern wie Bipolaris sorokiniana. Die neue Studie verdeutlicht, wie Krankheitserreger in ökologischen Nischen neue Möglichkeiten finden, sich anzupassen und Abwehrstrategien der Pflanzen zu umgehen oder sogar zu ihrem eigenen Nutzen zu verändern.
Quelle:
Liu, Y., et al. (2024): Hordedane diterpenoid phytoalexins restrict Fusarium graminearum infection but enhance Bipolaris sorokiniana colonization of barley roots. In: Molecular Plant, 17, 1307-1327. doi: 10.1016/j.molp.2024.07.006.
Zum Weiterlesen auf Pflanzenforschung.de:
- Abwehr mit „Verzögerungszünder“ - Ein pflanzlicher Abwehrstoff wird erst im Schädling aktiviert
- Ein rundum ökologischer Pflanzenschutz - Duftstoff der Tabakpflanze hält Blattläuse fern
- Die Tricks pathogener Pilze - Wie Effektorproteine mikrobielle Konkurrenten ausschalten
Titelbild: Umgekehrt entwickeln Erreger Mechanismen, diese Abwehr zu unterlaufen. So kommt es zu einem andauernden Wettrüsten zwischen den Kontrahenten. (Bildquelle: © pflanzenforschung.de, Symbolbild erstellt mit DALL•E)