„Ich forsche, damit Winterraps auch noch nach milden Wintern blüht.“

Interview mit Sarah Duveneck

11.06.2025 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Die Doktorandin Sarah Duveneck entschlüsselt, wie Winterraps sein Blüh-Timing steuert – eine Feinabstimmung, die durch zunehmend milde Winter ins Wanken gerät. (Bildquelle: © Die Blattmacher)

Die Doktorandin Sarah Duveneck entschlüsselt, wie Winterraps sein Blüh-Timing steuert – eine Feinabstimmung, die durch zunehmend milde Winter ins Wanken gerät. (Bildquelle: © Die Blattmacher)

Im Mai leuchten die Rapsfelder in sattem Gelb – ein vertrautes Bild. Doch zunehmend milde Winter infolge des Klimawandels bringen diesen Blührhythmus aus dem Takt. Es drohen Ernteverluste beim Raps. Sarah Duveneck erforscht deshalb, wie sich diese bedeutende Nutzpflanze an die neue Situation anpassen lässt.

Die Doktorandin der Universität Kiel erklärt im Interview, wie sie mithilfe der Genschere CRISPR/Cas9 genetische Schalter für die Blüte findet – und wie Forschung, Landwirtschaft und ihre Leidenschaft für Pferde und Rinder eng miteinander verknüpft sind.

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Sarah Duveneck (links) und ihre Kollegin Dr. Kea Ille erforschen, was den Raps zum Blühen bringt – eine essenzielle Voraussetzung für stabile Ernten. 

Sarah Duveneck (links) und ihre Kollegin Dr. Kea Ille erforschen, was den Raps zum Blühen bringt – eine essenzielle Voraussetzung für stabile Ernten. 

Bildquelle: © Die Blattmacher

Pflanzenforschung.de: Frau Duveneck, Winterraps ist eine wichtige Kulturpflanze in Deutschland. Warum spielt gerade die Blüte eine so zentrale Rolle?

Sarah Duveneck: Die Blüte ist essenziell – nur wenn sie zuverlässig einsetzt, bildet die Pflanze Samen und damit Rapsöl. Winterraps braucht jedoch eine längere Kälteperiode, um zu blühen – das nennen wir Vernalisation. Die Pflanzen werden im Spätsommer gesät, bilden eine Blattrosette und überwintern in diesem Stadium. Im Frühjahr beginnen sie dann in die Höhe zu wachsen und Blüten zu bilden.

Aber wie gesagt: Nur wenn der Winter lang genug kalt ist, wird das genetische Programm für die Blütenbildung aktiviert. Und mit dem fortschreitenden Klimawandel ist das kein sicheres Ereignis mehr. In unserem Projekt Epibrass wollen wir deshalb verstehen, wie dieser Prozess im Erbgut verankert ist. Dieses Wissen kann helfen, Sorten zu entwickeln, die auch bei milderen Wintern sicher zum richtigen Zeitpunkt blühen und einen hohen Ertrag liefern.

Pflanzenforschung.de: Wie gehen Sie bei Ihrer Forschung konkret vor?

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Kleine Stücke vom Raps werden für die Forschung mit der Genschere CRISPR/Cas9 behandelt und anschließend auf einem Nährmedium zum Wachsen angeregt (oben). Unten: regenerierte Pflänzchen. 

Kleine Stücke vom Raps werden für die Forschung mit der Genschere CRISPR/Cas9 behandelt und anschließend auf einem Nährmedium zum Wachsen angeregt (oben). Unten: regenerierte Pflänzchen. 

Bildquelle: © Die Blattmacher

Sarah Duveneck: Wir vermuten, dass bestimmte Gene an der Induktion der Blütenbildung beteiligt sind. Um ihre Funktion zu untersuchen, nutzen wir die Genschere CRISPR/Cas9 und schalten diese Gene gezielt aus. Dann beobachten wir, welche Veränderungen an der Pflanze auftreten. Daraus lassen sich Rückschlüsse auf die jeweilige Genfunktion ziehen. Der Einsatz von CRISPR/Cas9 war beim Winterraps allerdings eine Herausforderung.

Pflanzenforschung.de: Worin bestand die Schwierigkeit?

Sarah Duveneck: Es gab zwei Hauptprobleme: Zum einen regenerierten die bearbeiteten Pflanzenstücke nur schwer. Zum anderen war es bisher schwierig, gleichzeitig mehrere Bereiche im Genom mit der Genschere zu verändern. Dies ist aber aufgrund der komplexen Genomstruktur des Winterrapses notwendig. Denn von einem Großteil der Gene liegen mehrere Kopien vor. Wenn man nur einzelne Genkopien mit der Genschere verändern kann, verlängert das den Prozess deutlich. Um in diesem Fall alle gewünschten Modifikationen für die Untersuchung der Genfunktion zu kombinieren, müssen die Pflanzen mehrfach gekreuzt werden - das kann Jahre dauern. Zum Glück konnte meine Kollegin Kea Ille beide Probleme lösen. Sie hat fast zweieinhalb Jahre an einem Protokoll für ein funktionierendes, hocheffizientes Transformationssystem gearbeitet. Damit ist es nun möglich, genetisch veränderte Winterrapspflanzen zuverlässig zu regenerieren.

Pflanzenforschung.de: Und mit dieser Methode haben Sie dann die Blühaktivierung untersucht?

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Im Gewächshaus überprüft Sarah Duveneck ihre Rapspflanzen. Später testet sie, unter welchen Bedingungen diese blühen. 

Im Gewächshaus überprüft Sarah Duveneck ihre Rapspflanzen. Später testet sie, unter welchen Bedingungen diese blühen. 

Bildquelle: © Die Blattmacher

Sarah Duveneck: Ja – und ich war selbst überrascht: Mit Keas Methode konnte ich alle Genkopien eines vielversprechenden Gens in einem einzigen Schritt mit der Genschere CRISPR/Cas9 bearbeiten. Das war ein echter Fortschritt. Besonders interessiert mich ein Gen, das vermutlich die Blüte unterdrückt, solange kein Kältereiz erfolgt ist. Die Vernalisation könnte dieses Gen stilllegen – und damit dann die Blütenbildung auslösen. Tatsächlich blühten meine Versuchspflanzen auch ohne jede Kälteperiode, sobald alle Genkopien ausgeschaltet waren. Damit haben wir gezeigt, dass das untersuchte Gen eine zentrale Rolle bei der Blühsteuerung spielt.

Pflanzenforschung.de: Und wie geht es jetzt weiter?

Sarah Duveneck: Wir untersuchen, welche Bedeutung die einzelnen Genkopien oder bestimmte Kombinationen haben. Wahrscheinlich wirken sie nicht alle gleich. Ich vermute, dass sie verschiedene „Checkpoints“ entlang des Weges zur Blütenbildung darstellen. Einige agieren am Anfang des Weges und entscheiden, ob die Pflanze überhaupt blühen kann. Andere sind dann später für den genauen Zeitpunkt zuständig, regulieren also das „Warten“ bis zum Frühling. Diese Feinabstimmung ist wichtig für Sorten, die nicht zu früh und nicht zu spät blühen sollen, um einen optimalen Ertrag zu erhalten.

Man kann sich das vorstellen wie einen Zug, der von A nach B fährt und an mehreren Haltesignalen warten muss. Erst wenn alle nacheinander zur richtigen Zeit auf Grün stehen, fährt er weiter. Wir möchten, dass der Zug pünktlich ankommt – also der Raps zur Blüte kommt.

Pflanzenforschung.de: Im Projektnamen Epibrass steckt das Wort Epigenetik. Welche Rolle spielt sie?

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Sarah Duveneck untersucht, in welchen Pflanzen sich noch artfremde Gene befinden. Diese Pflanzen fluoreszieren rot und werden aussortiert. 

Sarah Duveneck untersucht, in welchen Pflanzen sich noch artfremde Gene befinden. Diese Pflanzen fluoreszieren rot und werden aussortiert. 

Bildquelle: © Die Blattmacher

Sarah Duveneck: Eine sehr wichtige. Uns interessiert nicht nur, welche Gene welche Funktionen haben, sondern wie sie reguliert – also ein- oder ausgeschaltet – werden. Das kann über epigenetische Mechanismen wie Histon-Methylierungen geschehen. Sie wirken wie molekulare Schalter und bestimmen, wie aktiv ein Gen ist. Besonders spannend ist, dass solche epigenetischen Markierungen auch durch äußere Einflüsse wie Kälte entstehen – und dass die Pflanze sich dadurch „merkt“, dass sie beispielsweise einen Winter erlebt hat. Ich möchte untersuchen, ob diese Art von molekularem Gedächtnis auch für die Blühsteuerung im Raps entscheidend ist.

Pflanzenforschung.de: Was fasziniert Sie persönlich an Ihrer Forschung?

Sarah Duveneck: Ich bin auf einem kleinen landwirtschaftlichen Betrieb aufgewachsen, umgeben von Rapsfeldern. Für mich ist es wichtig, dass unsere Grundlagenforschung konkrete Lösungen für die Landwirtschaft liefert – gerade im Hinblick auf den Klimawandel. Pflanzenforschung ist für mich keine abstrakte Wissenschaft, sondern etwas sehr Reales. Besonders spannend finde ich das Potenzial neuer Technologien wie CRISPR/Cas9 – sofern sie verantwortungsvoll eingesetzt werden.

Pflanzenforschung.de: Ist die Landwirtschaft weiterhin Teil Ihres Lebens?

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In ihrer Freizeit kümmert sich die Pflanzenforscherin Sarah Duveneck um Rinder und Pferde auf dem heimischen Hof. 

In ihrer Freizeit kümmert sich die Pflanzenforscherin Sarah Duveneck um Rinder und Pferde auf dem heimischen Hof. 

Bildquelle: © S. Duveneck

Sarah Duveneck: Ja, sehr sogar. Wir betreiben Rinderzucht im Nebenerwerb. Das ist nicht mein Hauptberuf, aber eine Herzensangelegenheit. Wir halten Mutterkühe, jedes Jahr werden Kälber geboren – das ist immer etwas ganz Besonderes. Kürzlich hatten wir zum ersten Mal Zwillinge. Ich kenne viele der Tiere seit Jahren und begleite sie über Generationen. Die Arbeit ist zeitintensiv, aber kein Stress – eher ein Ausgleich zur Forschung.

Pflanzenforschung.de: Sie reiten auch – eine weitere Leidenschaft?

Sarah Duveneck: Ja, ich bin mit Pferden groß geworden und reite hauptsächlich Dressur. Vor meiner Doktorarbeit war ich viel auf Turnieren unterwegs. Die Pferde aus meiner Zucht bilde ich selber aus – das macht mir besonders viel Freude. Aktuell bleibt mir weniger Zeit, aber am Wochenende versuche ich immer, zumindest ein paar Stunden im Sattel zu verbringen.

Pflanzenforschung.de: Gibt es Parallelen zwischen der Forschung und der Arbeit mit Tieren?

Sarah Duveneck: Auf jeden Fall. Geduld, Beobachtungsgabe und das Erkennen von Zusammenhängen sind in beiden Bereichen essenziell. Man muss bereit sein, ständig dazuzulernen und flexibel auf neue Herausforderungen zu reagieren. In der Forschung wie in der Landwirtschaft geht es darum, die Natur zu verstehen und verantwortungsvoll mit ihr umzugehen. Ich hoffe, dass wir innovative Lösungen entwickeln, die der Praxis nützen – und dass dabei auch traditionelle Methoden weiterhin ihren Wert behalten.

Pflanzenforschung.de: Vielen Dank für das Gespräch – und weiterhin viel Erfolg!


Im Text verlinkte Studie aus dem Projekt Epibrass:

Ille, K., and Melzer, S. "Efficient and Versatile Rapeseed Transformation for New Breeding Technologies." In: bioRxiv 2024.11.06.622292 (2024) doi.org/10.1101/2024.11.06.622292

Zum Weiterlesen auf Pflanzenforschung.de:

Titelbild: Die Doktorandin Sarah Duveneck entschlüsselt, wie Winterraps sein Blüh-Timing steuert – eine Feinabstimmung, die durch zunehmend milde Winter ins Wanken gerät. (Bildquelle: © Die Blattmacher)