Im Feinstaub aufgespürt

Wie Umwelt-DNA das Biodiversitätsmonitoring revolutionieren könnte

27.06.2025 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Vorrichtung zur Messung der Luftqualität in Bremen. In solchen Stationen könnte auch Umwelt-DNA für das Biodiversitätsmonitoring flächendeckend gesammelt werden. (Bildquelle: © Freie Hansestadt Bremen; CC-BY-SA-4.0)

Vorrichtung zur Messung der Luftqualität in Bremen. In solchen Stationen könnte auch Umwelt-DNA für das Biodiversitätsmonitoring flächendeckend gesammelt werden. (Bildquelle: © Freie Hansestadt Bremen; CC-BY-SA-4.0)

Lässt sich Artenvielfalt aus der Luft lesen? Ein Forschungsteam zeigt, wie sich mit Luftfiltern und DNA-Analysen biologische Vielfalt erfassen lässt – schnell, kostengünstig und ergänzend zu klassischen Methoden. Das Verfahren nutzt Umwelt-DNA z.B. aus Pollen, Sporen und Pflanzenresten – und könnte das Biodiversitätsmonitoring revolutionieren.

Die Biodiversität steckt global in einer ernsten Krise. Doch die biologische Vielfalt und ihre Veränderungen zu erfassen, um daraus Maßnahmen abzuleiten, ist sehr aufwendig – vor allem für größere Gebiete. Ein britisch-kanadisches Forschungsteam hat nun eine kostengünstige und schnelle Methode vorgestellt, um zumindest auf Gattungsebene die Artenvielfalt zu erheben. Erprobt wurde der Ansatz in Großbritannien, doch er lässt sich auf viele Länder übertragen.

Umwelt-DNA aus Pollen und Pflanzenresten

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Maiglöckchenhähnchen (Lilioceris merdigera) auf einem Blatt. Alle Lebewesen hinterlassen DNA-Spuren – selbst im Feinstaub lassen sie sich nachweisen.

Maiglöckchenhähnchen (Lilioceris merdigera) auf einem Blatt. Alle Lebewesen hinterlassen DNA-Spuren – selbst im Feinstaub lassen sie sich nachweisen.

Bildquelle: © Fritz Geller-Grimm - Eigenes Werk / Wikipedia, CC BY-SA 2.5

Als Grundlage verwendeten die Forscher:innen sogenannte Umwelt-DNA (environmental DNA, eDNA). Wer Krimis schaut, weiß: Es ist unmöglich, sich an einem Ort aufzuhalten, ohne DNA-Spuren zu hinterlassen. Das gilt auch für Pflanzen und andere Organismen. Selbst in der Luft finden sich Pollen, Sporen, Pflanzenreste, Haare, Hautschuppen oder mikroskopische Organismen – und mit ihnen zumindest Bruchstücke ihrer DNA.

All diese Partikel landen auch in Luftfiltern, die eigentlich dazu dienen, die Schadstoffbelastung in der Luft zu messen. Das Forschungsteam griff für seine Studie deshalb auf 15 britische Messstationen zurück, mit denen Schwermetalle in der Luft überwacht werden. Die darin verbauten Filter sammelten alle Partikel mit einer Größe von weniger als 10 Mikrometern (PM10). Ein Jahr lang wurden so Luftproben genommen, wodurch Arten unabhängig etwa von Blühphasen oder visueller Präsenz erfasst wurden. Die in den Proben enthaltene DNA analysierten die Forscher:innen mittels des sogenannten Metabarcoding.

Bestimmung mittels Metabarcoding

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Das Forschungsteam konnte DNA von phytopathogenen Pilzen wie Ramularia spec. im Feinstaub nachweisen. Die Analyse der Umwelt-DNA könnte daher künftig als Frühwarnsystem im Pflanzenschutz dienen.

Das Forschungsteam konnte DNA von phytopathogenen Pilzen wie Ramularia spec. im Feinstaub nachweisen. Die Analyse der Umwelt-DNA könnte daher künftig als Frühwarnsystem im Pflanzenschutz dienen.

Bildquelle: © TristramBrelstaff – Eigenes Werk / Wikipedia, CC BY-SA 3.0

Metabarcoding ist eine molekularbiologische Methode, um viele verschiedene Organismen in einer Umweltprobe schnell und gleichzeitig zu identifizieren. Sie kombiniert zwei Techniken: Beim DNA-Barcoding wird ein charakteristischer kurzer Abschnitt im Genom verwendet, um eine Art zu identifizieren – ähnlich einem Strichcode im Supermarkt. Häufig sind das artspezifisch konservierte Gene. In dieser Studie diente ITS2 als Marker – eine Sequenz aus dem nicht-kodierenden Bereich innerhalb der ribosomalen DNA. Diese in allen Eukaryoten vorhandenen Abschnitte werden mittels PCR vervielfältigt und anschließend im Hochdurchsatz sequenziert. Danach vergleichen die Forscher:innen die Sequenzen mit DNA-Datenbanken, um die jeweilige Art zu bestimmen. In 185 Proben identifizierte die Studie insgesamt mehr als 1100 Taxa, darunter 210 Pflanzengattungen.

Beeindruckend war die Vielfalt der erfassten DNA-Spuren. Es fanden sich Fragmente von Kulturpflanzen wie Weizen, Gurken, Raps oder Kohl, aber ebenso Wildkräuter wie Brennnesseln und Zierpflanzen wie Rhododendren. Auch Moose, Algen und Flechten konnten identifiziert werden – Gruppen, die in klassischen Erhebungen oft unterrepräsentiert sind. Besonders bemerkenswert war, dass auch pflanzenpathogene Pilze wie Leptosphaeria und Ramularia detektiert wurden – ein möglicher Ansatz für Frühwarnsysteme im Pflanzenschutz. Nicht erfasst hat die Methode allerdings Farne – eventuell, weil deren Sporen für PM10-Filter zu groß sind.

Vergleich mit Citizen-Science-Datenbanken

Um ihre Befunde besser einordnen zu können, verglichen die Forscher:innen die eDNA-Daten mit den Citizen-Science-Datenbanken eBird – einer globalen Plattform zur Vogelbeobachtung – und iNaturalist, einem Online-Netzwerk zur Dokumentation von Tier-, Pflanzen- und Pilzfunden durch Freiwillige. Dabei zeigte sich, dass eDNA aus Luftproben andere, oft unscheinbare oder nachtaktive Arten erfasst als ehrenamtliche Beobachtungen. Gerade bei Pflanzen, Algen und Pilzen ist eDNA oft überlegen – auch weil sich viele Arten nur schwer im Gelände bestimmen lassen.

Doch die Methoden ergänzen sich: Während Citizen Science sichtbare und charismatische Arten zuverlässig dokumentiert, deckt eDNA versteckte Diversität auf – darunter auch pathogene Organismen, Frühstadien von Pflanzen oder schwer bestimmbare Gruppen wie Moose und Flechten.

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Moose, Algen und Flechten sind im konventionellen Biodiversitätsmonitoring häufig unterrepräsentiert – im Feinstaub lassen sich jedoch auch ihre DNA-Spuren nachweisen (Foto: Landkartenflechte Rhizocarpon geographicum).

Moose, Algen und Flechten sind im konventionellen Biodiversitätsmonitoring häufig unterrepräsentiert – im Feinstaub lassen sich jedoch auch ihre DNA-Spuren nachweisen (Foto: Landkartenflechte Rhizocarpon geographicum).

Bildquelle: © Tigerente - Selbst fotografiert / Wikipedia, CC BY-SA 3.0

Partikel aus einem Radius von etwa 18 Kilometern

Ein häufiger Kritikpunkt an Umwelt-DNA-Methoden ist, dass man oft nicht genau weiß, woher die DNA stammt. Doch die Studie liefert hier konkrete Hinweise: Die verwendeten Filter sammelten Partikel der Klasse PM10. Solche Partikel legen in der Luft nur relativ kurze Strecken zurück – im Mittel rund 18 Kilometer. Außerdem ermittelten die Forscher:innen die jeweils nächstgelegenen plausiblen Quellen – etwa Äcker bei Nutzpflanzen-DNA oder Märkte mit Fischverkauf bei Meeresfisch-DNA. Die erfasste DNA stammt demnach überwiegend aus der näheren Umgebung der Messstationen. Für das Monitoring von Pflanzen in einer Region ist das ein großer Vorteil.

Großes Potenzial fürs Biodiversitätsmonitoring

Der neue Ansatz bietet somit einige Vorzüge: Die verwendete Infrastruktur etwa existiert bereits in vielen Ländern. Die Luftmessstationen arbeiten standardisiert, rund um die Uhr und ohne zusätzliches Personal. Damit eröffnen sich neue Möglichkeiten für Langzeit- und Großflächenerhebungen der Pflanzenvielfalt – etwa im Rahmen von Biodiversitätsstrategien, Klimaauswirkungen oder dem Monitoring invasiver Arten.

Methodisch hat das Verfahren noch Potenzial: Die Kombination verschiedener genetischer Marker, optimierte Filterlagerung und standardisierte Datenverarbeitung könnten in Zukunft noch mehr Details über die pflanzliche Biodiversität liefern – bis hin zur Detektion saisonaler Dynamiken oder genetischer Varianten.


Quelle:
Tournayre, O., et al. (2025): First national survey of terrestrial biodiversity using airborne eDNA. In: Scientific Reports, Vol. 15, Art. 19247 (2. Juni 2025). doi: 10.1038/s41598-025-03650-z.

Zum Weiterlesen auf Pflanzenforschung.de:

Titelbild: Vorrichtung zur Messung der Luftqualität in Bremen. In solchen Stationen könnte auch Umwelt-DNA für das Biodiversitätsmonitoring flächendeckend gesammelt werden. (Bildquelle: © Freie Hansestadt Bremen; CC-BY-SA-4.0)