Im Kampf gegen unvollständige Genomsequenzen

29.03.2011 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Das Weizengenom ist fünfmal größer als das Maisgenom (Quelle: © Rainer Sturm / pixelio.de).

Das Weizengenom ist fünfmal größer als das Maisgenom (Quelle: © Rainer Sturm / pixelio.de).

Dr. Catherine Feuillet ist Forschungsdirektorin und Leiterin der Arbeitsgruppe „Struktur, Funktion und Evolution des Weizengenoms“ des Institut National de la Recherche Agronomique (INRA) in Clermont-Ferrand, Frankreich. Im Gespräch mit Pflanzenforschung.de erklärt sie, warum vollständige Genomsequenzen so wichtig sind.

Pflanzenforschung.de: Zehn Jahre nach der vollständigen Sequenzierung des Arabidopsis-Genoms verfügt nur das Reisgenom über eine ähnlich gute Sequenzqualität. Woran liegt das?

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Dr. Catherine Feuillet, Forschungsdirektorin am Institut National de la Recherche Agronomique, Frankreich.

Dr. Catherine Feuillet, Forschungsdirektorin am Institut National de la Recherche Agronomique, Frankreich.

Bildquelle: Privat C. Feuillet

Dr. Feuillet: Aufgrund der hohen Kosten werden viele Sequenzierungsprojekte durch öffentlich finanzierte Sequenzierzentren durchgeführt und nicht durch die späteren Anwender der Sequenzen. Das ist ein großes Problem. Für die Zentren reicht eine qualitativ ungenügende Sequenz oft aus, den Anwendern reicht das nicht. Niemand ist nach der Veröffentlichung einer Sequenz von schlechter Qualität noch bereit, Geld in deren Vervollständigung zu investieren.

Einzig beim Maisgenom war das anders: Das Maisgenom ist zwar immer noch nicht vollständig sequenziert, aber die Teile des Genoms, die sequenziert wurden, sind von guter Qualität. Denn bei Mais haben die Anwender dessen Sequenzierung vorangetrieben. Die kürzlich durch ein Sequenzierzentrum erstelle Genomsequenz der Gurke ist hingegen von schlechter Qualität. Mit solch einer Sequenz können zwar einzelne Gene identifiziert werden, da sie relativ wenige Wiederholungen enthalten. Die Zuordnung dieser Gene zu einer genetischen Karte ist mit einer schlechten Sequenz fast unmöglich.

Pflanzenforschung.de: Da Pflanzegenome so groß sind und eine hohe Anzahl an repetitiven Sequenzen aufweisen, sind sie schwierig zu sequenzieren. Haben diese zahlreichen repetitiven Sequenzen oder Transposons eigentlich eine Funktion?

Dr. Feuillet: Eine direkte Funktion haben diese Sequenzen oft nicht, aber sie können die Funktion von Genen beeinflussen. Wenn ein Transposon beispielsweise in einen Promotor springt, wird die Expression des Gens verändert. Transposons können auch die Lage von Genen verändern. Das Maisgenom besteht zu 80 bis 90 Prozent aus Transposons. Beim Menschen sind es etwa 40 Prozent.

Pflanzenforschung.de: Eine Gruppe international angesehener Sequenzierzentren schlagen sechs Qualitätsstufen vor, die den Grad der Sequenzierung von Genomen beschreiben sollen:

1.    Standard Entwurf,
2.    Entwurf von hoher Qualität,
3.    verbesserter Entwurf von hoher Qualität,
4.    annotationsgerichtete Verbesserung,
5.    vollendet ohne Contigs und
6.    vollendet.

Für welche Anwendungen benötigt man die höchste Qualitätsstufe einer vollendeten Sequenz?

Dr. Feuillet: Bei Tieren haben Wissenschaftler festgestellt, dass Speziesunterschiede häufig durch ähnliche Gene verursacht werden. Um diese geringfügigen Unterschiede in einer Sequenz ausfindig machen zu können, benötigt man Sequenzen von hoher Qualität. Um konservierte Sequenzen ausfindig zu machen, braucht man keine qualitativ hochwertige Sequenz, es geht um die feinen Unterschiede zwischen verschiedenen Spezies und die liegen nicht in den konservierten Sequenzabschnitten.

Pflanzenforschung.de: Grundsätzlich gibt es zwei verschiedene Arten, ein Genom zu sequenzieren: Die „BAC-by-BAC-Methode“ und das Schrotschussverfahren (Whole-Genome-Shotgun, WGS). Wann sollte man beide Techniken miteinander kombinieren?

Dr. Feuillet: Bei der BAC-by-BAC-Methode wird zuerst eine physikalische Karte erstellt. Dafür benötigt man etwas Zeit, hat aber den Vorteil, dass die Sequenzstücke im Anschluss leichter zusammengefügt werden können. Das gelingt dann auch bei Sequenzabschnitten, die schwierig aneinanderzufügen sind, wie zum Beispiel bei Sequenzwiederholungen.

Die WGS-Methode ist schneller, aber auch ungenauer, da die Zusammensetzung der Sequenzfragmente bei Wiederholungen nicht möglich ist. Dadurch gehen wichtige Sequenzinformationen verloren.

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Kürzlich wurde die Genomsequenz der Gurke veröffentlicht, allerdings mit schlechter Qualität (Quelle: © Viktor Mildenberger/www.pixelio.de).

Kürzlich wurde die Genomsequenz der Gurke veröffentlicht, allerdings mit schlechter Qualität (Quelle: © Viktor Mildenberger/www.pixelio.de).

Kleine Genome ohne oder mit nur wenigen Sequenzwiederholungen können problemlos mit der WGS-Methode sequenziert werden. Bei größeren Genomen mit vielen Wiederholungen ist eine Kombination beider Methoden sinnvoll.

Pflanzenforschung.de: Inwiefern können die neuartigen Sequenziergeräte der sog. dritten Generation dazu beitragen, das Sequenzieren von Pflanzengenomen zu erleichtern?

Dr. Feuillet: Die heutigen NGS- Technologien erzeugen alle Sequenzfragmente, die weitaus kürzer sind als die, die mit der Sanger-Methode erstellt wurden. Das erschwert die Zusammensetzung komplexer Genome. Die Geräte der dritten Generation wollen schnelles Hochdurchsatzsequenzieren mit langen Lesestücken vereinbaren. Wenn diese Technik auf dem Markt ist, wird das das Sequenzieren komplexer Genome maßgeblich verbessern.

Pflanzenforschung.de: Welches pflanzliche Genom sollte Ihrer Meinung nach am dringendsten sequenziert werden und warum?

Dr. Feuillet: Weizen natürlich! (Lacht) Ich arbeite bereits seit fünf Jahren an Weizen. Das Weizengenom ist riesengroß: 17 Millionen Basenpaare. Das menschliche Genom hat etwa 3 Millionen Basenpaare. Das Weizengenom ist fünfmal größer als das größte bisher noch unvollständig sequenzierte Genom, das Maisgenom. Weizen ernährt etwas ein Drittel der menschlichen Bevölkerung und ist deshalb eines der wichtigsten Nahrungsmittel. Das Weizengenom ist außerdem auch noch hexaploid, besitzt also drei sehr ähnliche Genome, was die Sequenzierung zusätzlich erschwert. Mit internationalen Partnern isolieren wir jedes der 21 Chromosomen und erstellen zunächst eine physikalische Karte. Dann wird jedes Chromosom einzeln sequenziert. Wenn wir das Geld für die Fertigstellung des Genoms erhalten, könnte das Genom innerhalb der nächsten drei Jahre fertig gestellt sein. Deutschland arbeitet übrigens am Chromosom 6a!

Pflanzenforschung.de: Welchen Anspruch stellen Sie an zukünftige Sequenzierungsprojekte?

Dr. Feuillet: Wissenschaftler brauchen Genomsequenzen von sehr guter Qualität. Mit einer „quick-und-dirty-Strategie“ fehlen einfach zu viele biologische Informationen.

Pflanzenforschung.de: Vielen Dank für das Gespräch!


Zum Weiterlesen:

Titelbild: Das Weizengenom ist fünfmal größer als das Maisgenom (Quelle: © Rainer Sturm / pixelio.de).