Indien gibt Weg frei für genomeditierten Reis
Neue Sorten markieren politischen Kurswechsel in der Agrarbiotechnologie

Reisfelder in Tamil Nadu, Indien (Bildquelle: © Lilo Johnson, flickr.com/ Wikipedia, CC BY 2.0)
Lange galt Indien als zurückhaltend bei gentechnischen Verfahren. Mit der vereinfachten Zulassung von zwei CRISPR-editierten Reissorten ändert sich das: Die neuen Sorten sollen Erträge steigern und klimatische Risiken abfedern. Indien könnte mit diesem Weg ein Modell für andere Schwellenländer werden.
Indien hat erstmalig zwei genomeditierte Reissorten für den Anbau freigegeben: DRR Dhan 100 (Kamala) und Pusa DST Rice 1. Entwickelt wurden sie von führenden Forschungsinstituten des indischen Agrarministeriums mithilfe der CRISPR-Cas9-Technologie. Im Gegensatz zu klassischen gentechnisch veränderten Organismen (GVO) enthalten die neuen Sorten keine fremde DNA – ein entscheidender Unterschied, der jetzt auch regulatorische Hürden in Indien abbaut.
Mit der Freigabe setzt Indien ein deutliches agrarpolitisches Signal: weg von der jahrelangen Blockade gegenüber gentechnisch veränderten Sorten – hin zu einer differenzierten Bewertung neuer Züchtungsmethoden.
Punktmutation statt Transgen: Wie die Technik funktioniert

Asien ist die wichtigste Reisregion der Welt: Rund 91 % der globalen Ernte stammen aus China, Indien und Südostasien.
Bildquelle: AndrewMT - Eigenes Werk / Wikipedia, CC BY-SA 3.0
Beide Sorten wurden mittels des SDN-1-Verfahrens editiert – einer Methode der Genomeditierung, bei der gezielt ein bestehendes Gen im Erbgut verändert bzw. ausgeschaltet wird, ohne dass fremdes genetisches Material eingeführt wird.
Bei Pusa DST Rice 1 richtete sich der Eingriff auf das DST-Gen (Drought and Salt Tolerance), das als negativer Regulator der Stressresistenz bekannt ist. Genauer gesagt wirkt DST als Transkriptionsfaktor, der die Bildung von Spaltöffnungen (Stomata) und die Aktivität bestimmter stressassoziierter Gene kontrolliert. Durch die gezielte Deletion eines Abschnitts innerhalb des DST-Gens mit CRISPR-Cas9 wurde dessen Funktion ausgeschaltet. In der Folge bildeten die Pflanzen weniger Spaltöffnungen und entwickelten breitere Blätter, was ihre Fähigkeit zur Wasserretention deutlich verbesserte. Gleichzeitig zeigte sich eine erhöhte Toleranz gegenüber Trockenheit und Salzstress, insbesondere in der Keimlings- und Vegetationsphase. Dieser Effekt beruht unter anderem auf der Herunterregulierung mehrerer Gene, die an der Bildung von Spaltöffnungen beteiligt sind, darunter SPCH1, MUTE und ICE1, die normalerweise unter Kontrolle des DST-Gens stehen.
Bei DRR Dhan 100 (Kamala) wurde das OsCKX2-Gen ausgeschaltet, das für ein Enzym namens Cytokinin-Oxidase codiert. Dieses Enzym ist für den Abbau von Cytokininen verantwortlich – pflanzlichen Hormonen, die das Zellwachstum, die Zellteilung und die Entwicklung von Blütenständen fördern. Durch die Inaktivierung des Gens wurde die Aktivität dieses Enzyms unterdrückt, wodurch die Konzentration von Cytokininen in den Rispen anstieg. Das führte zu einer stärkeren Verzweigung im Blütenstand und einer höheren Kornzahl pro Rispe. Zusätzlich reifte die Sorte rund 20 Tage früher als ihre Ausgangslinie und zeigte eine verbesserte Leistung unter Dürrebedingungen sowie bei reduzierter Düngung.
Beide Genomeingriffe zielen somit darauf ab, pflanzenphysiologische Engpässe zu beseitigen, um die Effizienz im Wasser- und Nährstoffhaushalt zu steigern – bei gleichzeitig höherer Produktivität.
Auf dem Acker erfolgreich getestet

Reis macht rund 10 % der weltweiten Ernte von Nahrungspflanzen aus (Stand 2019) – und bleibt damit ein zentrales Grundnahrungsmittel für Milliarden Menschen.
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In mehrjährigen Feldversuchen unter verschiedenen Klima- und Bodenbedingungen zeigten die neuen Sorten eine Ertragssteigerung von bis zu 30 %, eine Reifedauer von 20 Tagen weniger sowie eine deutlich verbesserte Stresstoleranz. Der Wasserverbrauch konnte dank der kürzeren Vegetationsperiode und der effizienteren Wassernutzung signifikant gesenkt werden – nach Schätzungen des indischen Agrarforschungsrates um bis zu 7.500 Millionen Kubikmeter pro Jahr. Gleichzeitig könnten auf fünf Millionen Hektar mit den neuen Sorten rund 4,5 Millionen Tonnen zusätzlicher Reis geerntet werden.
Ein neuer Regulierungsrahmen macht Tempo
Dass diese Sorten so schnell zur Freigabe gelangten, liegt auch an einem gezielten regulatorischen Kurswechsel: 2022 schuf Indien neue Richtlinien für Pflanzen, die durch SDN-1- oder SDN-2-Technologien verändert wurden – also ohne artfremde Gene auskommen. Diese gelten nicht als gentechnisch verändert im klassischen Sinne und müssen nicht mehr das aufwendige Zulassungsverfahren für GVOs durchlaufen.
Stattdessen erfolgt eine zweistufige Prüfung: Zunächst ein Biosicherheitscheck durch Gremien wie die Review Committee on Genetic Manipulation (RCGM), dann eine agronomische Bewertung durch das nationale Sortenfreigabeverfahren. Auch staatliche NOCs (No-Objection Certificates), die früher die Genehmigung verzögerten, sind nun nicht mehr erforderlich.
Politisches Signal weit über Indien hinaus

Reisanbau wie hier auf gefluteten Feldern verbraucht enorme Wassermengen – angesichts zunehmender Dürreperioden durch den Klimawandel werden wassersparende Sorten immer dringlicher.
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Indien geht damit einen neuen Weg in der Biotechnologiepolitik. Während gentechnisch veränderte Pflanzen wie Bt-Aubergine oder gentechnisch verbesserter Senf weiterhin auf Genehmigungen warten, schafft die Regierung nun klare Rahmenbedingungen für Genomeditierung. Das bietet Planungssicherheit für Forschung und Züchtung – und fördert private wie öffentliche Innovationsprojekte.
Mehr als zehn weitere Nutzpflanzen, darunter Weizen, Tomaten, Hülsenfrüchte, Baumwolle und Bananen, befinden sich bereits in der Pipeline. Die beiden nun zugelassenen Reissorten könnten ab etwa 2029 großflächig angebaut werden.
Modellfall für das globale Agrarsystem?
Mit dieser Entscheidung positioniert sich Indien nicht nur als Vorreiter im globalen Süden, sondern liefert auch ein Modell für andere Länder, die mit ähnlichen Herausforderungen ringen: Wasserknappheit, Klimawandel, Ertragsschwankungen und wachsender Bevölkerungsdruck.
Indiens Schritt zeigt, dass regulatorische Weichenstellungen entscheidend dafür sind, ob wissenschaftliche Innovationen den Weg aufs Feld finden – und ob Ernährungssicherheit im 21. Jahrhundert nachhaltig gesichert werden kann.
Regulierung weltweit: Große Unterschiede
Weltweit gehen Länder sehr unterschiedlich mit der Regulierung genomeditierter Pflanzen um. In vielen Staaten Nord- und Südamerikas sowie in England, Israel, Nigeria und Kenia gelten sie nicht mehr als gentechnisch verändert, sofern keine Fremd-DNA eingeführt wurde – sie werden wie konventionell gezüchtete Pflanzen behandelt. Auch Japan, Australien und Indien haben sie unter dieser Bedingung aus der Gentechnik-Regulierung ausgenommen. China verfolgt einen Sonderweg: Dort bleiben sie zwar GVOs, unterliegen aber weniger strengen Prüfungen als klassische gentechnisch veränderte Organismen. Nur wenige Länder wie Südafrika, Neuseeland oder Peru regulieren sie weiterhin so streng wie klassische GVOs. In der EU hingegen fehlt bislang eine eigene Regelung, weshalb auch genomeditierte Pflanzen unter das veraltete Gentechnikrecht fallen – mit aufwendigen Zulassungsverfahren und rechtlichen Unsicherheiten.
Quellen:
- India approves first genome-edited rice varieties, Nature (India) News, 04.05.2025.
- Santosh Kumar, V. V. et al. (2020): CRISPR-Cas9 mediated genome editing of drought and salt tolerance (OsDST) gene in indica mega rice cultivar MTU1010. In: Physiol. Mol. Biol. Plants 26. doi: 10.1007/s12298-020-00819-w
- India’s first genome-edited rice varieties will boost rice yields by 20-30%, reduce water consumption. (The Economic Times, 05.05.2025)
- Policy to plate: What genome-edited rice means for India's food future (Business Standard, 11.05.2025)
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Titelbild: Reisfelder in Tamil Nadu, Indien (Bildquelle: © Lilo Johnson, flickr.com/ Wikipedia, CC BY 2.0)