Iontronischer Sensor

Neues System klassifiziert Pflanzenarten und Wachstumsstadien durch Berührung

10.12.2024 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Der iontronische Sensor analysiert Pflanzen alleine durch die Berührung eines Blattes. (Bildquelle: © FreePhotosART / Pixabay; Pixabay Content License)

Der iontronische Sensor analysiert Pflanzen alleine durch die Berührung eines Blattes. (Bildquelle: © FreePhotosART / Pixabay; Pixabay Content License)

Forschende haben eine Technologie entwickelt, die durch die Berührung von Pflanzenblättern mit hoher Präzision sowohl die Art als auch den Entwicklungsstand einer Pflanze klassifiziert. Das Geheimnis liegt in der sogenannten Iontronik.

Man sagt, manche Menschen hätten ein Gesicht wie ein offenes Buch. Auch Pflanzen verraten durch ihr Äußeres viel über ihren Zustand. Schon das geübte Auge erkennt oft an den Blättern, ob eine Pflanze Durst leidet oder von einer Krankheit betroffen ist. Kameras, die neben dem sichtbaren auch andere Bereiche des Lichtspektrums erfassen, ermöglichen automatisierte Diagnosen. Berührungssensoren messen bereits Feuchtigkeit oder Temperatur. Textur und Härte der Blätter blieben jedoch bisher unerfasst. Hier setzt ein neuer Sensor an, der die Iontronik nutzt und beispielsweise an der Fingerspitze eines Handschuhs befestigt werden könnte.

Elektrode misst Widerstand und Kapazität

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Funktionsweise des iontronischen Berührungssensors
IDE: interdigitale Goldelektroden; PET: Polyethylenterephthalat; PRL: piezoresistive Schicht

Funktionsweise des iontronischen Berührungssensors
IDE: interdigitale Goldelektroden; PET: Polyethylenterephthalat; PRL: piezoresistive Schicht

Bildquelle: © Chen, M., et al. / CC BY-NC-ND 4.0

Die Iontronik nutzt die Wechselwirkungen zwischen Elektronen und Ionen an Oberflächen. Wird ein Blatt auf eine speziell entwickelte Elektrode gelegt, misst diese, wie gut die Blattoberfläche Elektrizität leitet (Widerstand) und speichert (Kapazität). Diese Eigenschaften hängen von Faktoren wie dem Wassergehalt, der Härte und der Mikrostruktur des Blattes ab.

Der neue Sensor besteht aus mehreren Schichten: einer piezoresistiven Schicht, die den Druck misst, und einer iontronischen Schicht, die Widerstand und Kapazität erfasst. Durch die Berührung des Blattes verändert sich die Leitfähigkeit der Oberfläche. Diese Veränderungen werden in elektrische Signale umgewandelt und von einer Software analysiert, die maschinelles Lernen verwendet. Das System erkennt Muster in den Messdaten, mit denen es Pflanzenarten und Wachstumsstadien präzise klassifizieren kann.

Nahezu perfekte Präzision

Das System wurde an Blättern mit unterschiedlichen Texturen und Härten getestet. Weiche, wasserreiche Blätter zeigten eine höhere Kapazität, während härtere Blätter einen höheren Widerstand aufwiesen. In Experimenten konnte der Sensor zehn Pflanzenarten mit einer Genauigkeit von 97,7 Prozent identifizieren. Die Klassifikation der fünf Wachstumsstadien gelang sogar mit einer Genauigkeit von 100 Prozent. Dies zeigt, dass der Sensor selbst kleinste Unterschiede in der Blattstruktur und Feuchtigkeit erkennt, die mit bloßem Auge kaum wahrnehmbar sind. Da das System auch bei variierenden Druckstärken verlässlich arbeitet, bietet es vielseitige Einsatzmöglichkeiten.

Anwendungspotenzial in Landwirtschaft und Ökologie

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Die Abbildung verdeutlicht, wie sich der Sensor einsetzen ließe.

Die Abbildung verdeutlicht, wie sich der Sensor einsetzen ließe.

Bildquelle: © Chen, M., et al. / CC BY-NC-ND 4.0

In der Landwirtschaft ließe sich der iontronische Sensor nutzen, um den optimalen Erntezeitpunkt zu bestimmen – durch präzise Erfassung der Wachstumsstadium der Pflanzen. In der ökologischen Forschung könnten Wissenschaftler:innen Pflanzenarten schnell und effizient bestimmen, ohne aufwendige Labortests durchführen zu müssen.

Auch im Pflanzenschutz birgt die Technologie großes Potenzial: Krankheiten oder Schädlingsbefall verändern die elektrischen Eigenschaften von Blättern und werden so vom Sensor erkannt. Landwirt:innen könnten frühzeitig reagieren und den Einsatz von Pestiziden gezielt steuern und letztendlich auch reduzieren. In Gewächshäusern wäre denkbar, das System zur Überwachung der Wachstumsbedingungen in Echtzeit einzusetzen.

Hürden und Weiterentwicklungen

Trotz der vielversprechenden Ergebnisse gibt es noch Herausforderungen. Pflanzen mit groben Oberflächenstrukturen oder Stacheln stellen den Sensor vor Probleme. Die Forschenden planen daher, kleinere und flexiblere Sensoren zu entwickeln, die auch solche Pflanzen analysieren können.

Ein weiteres Ziel ist die Kombination mit anderen Technologien, etwa optischen Sensoren oder tragbaren Geräten, die zusätzlich chemische Daten erfassen. Ob diese Systeme großflächig in der Landwirtschaft eingesetzt werden oder auf Forschungsprojekte beschränkt bleiben, wird letztlich auch eine Frage der Kosten sein.


Quelle:
Chen, M., et al. (2024): Iontronic tactile sensory system for plant species and growth-stage classification. In: Device (online, 13. November 2024). doi: 10.1016/j.device.2024.100615.

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Titelbild: Der iontronische Sensor analysiert Pflanzen alleine durch die Berührung eines Blattes. (Bildquelle: © FreePhotosART / Pixabay; Pixabay Content License)