Kalkmagerrasen: Ein Gras auf dem Vormarsch

Wie die Aufrechte Trespe die Artenvielfalt bedroht

30.04.2025 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Der Blütenstand einer Aufrechten Trespe: Die Grasart verdrängt andere Arten in Kalkmagerrasengebieten. (Bildquelle: © Liliane Pessott , eigenes Werk / Wikipedia, CC BY 4.0)

Der Blütenstand einer Aufrechten Trespe: Die Grasart verdrängt andere Arten in Kalkmagerrasengebieten. (Bildquelle: © Liliane Pessott , eigenes Werk / Wikipedia, CC BY 4.0)

Kalkmagerrasen zählen zu den artenreichsten Lebensräumen Europas – doch sie sind bedroht. Eine neue Studie der Universität Osnabrück zeigt, dass ein unscheinbares Gras, die Aufrechte Trespe (Bromus erectus), diese wertvollen Ökosysteme zunehmend schädigt.

Seit Jahrhunderten entstanden Kalkmagerrasen durch die Nutzung als Viehweiden auf nährstoffarmen, kalkhaltigen Böden. Ihre bunte Vielfalt an Pflanzen und Insekten macht sie zu Hotspots der Biodiversität. In der gesamten EU stehen sie unter Schutz. Doch während früher die Aufgabe traditioneller Bewirtschaftung das größte Problem war, verändert heute ein anderer Faktor diese Lebensräume dramatisch: das unaufhaltsame Vordringen der Aufrechten Trespe.

Starke Zunahme in den letzten 40 Jahren

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Ein artenreicher Kalkmagerrasen am Walberg bei Walburg (Werra-Meißner-Kreis, Nordhessen).

Ein artenreicher Kalkmagerrasen am Walberg bei Walburg (Werra-Meißner-Kreis, Nordhessen).

Bildquelle: © Meloe, eigenes Werk / Wikipedia, CC BY-SA 4.0

Das Forschungsteam um Prof. Dr. Thomas Fartmann untersuchte am Kaiserstuhl in Baden-Württemberg die Ursachen und Folgen der Ausbreitung. Die Ergebnisse sind alarmierend: Trotz intensiver Naturschutzbemühungen hat sich die Bedeckung von Bromus erectus in den vergangenen 40 Jahren deutlich erhöht, besonders in den produktiveren Typen der Kalkmagerrasen wie dem Onobrychido-Brometum typicum und dem primuletosum. Hier stieg die Bedeckung um den Faktor 1,6 bis 2,0. In besonders betroffenen Flächen betrug sie durchschnittlich 53 Prozent.

Warum sich die Trespe durchsetzt

Besonders bevorzugt die Aufrechte Trespe Standorte mit mittlerer Bodenproduktivitat, wo sie Konkurrenten überwachsen kann. Studien zeigten, dass sie auf tiefgründigen, stickstoffangereicherten Böden durch ihre tiefreichenden Wurzeln besonders effektiv Wasser und Nährstoffe aufnimmt. Zudem verträgt sie Sommertrockenheit besser als viele andere Gräser und entwickelt sogar nach Dürren erneut frisches Blattwerk.

„Wir erklären die Ausbreitung in den letzten 40 Jahren vor allem durch den Klimawandel, also mildere Winter und trockenere Sommer, aber auch durch Stickstoffeinträge“, erläutert Prof. Fartmann. „Die Fähigkeit dieser Pflanze, auch bei vergleichsweise niedrigen Temperaturen im Winter zu wachsen, ist ein starker Vorteil gegenüber vielen Konkurrenten. Dies gilt vor allem für tiefgründige Böden, die durch atmosphärische Einträge mit Stickstoff angereichert sind. Auch die Sommertrockenheit begünstigt die sehr dürreresistente Art.“

Weniger Vielfalt

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Ein Kalkmagerrasen mit massiver Ausbreitung der Aufrechten Trespe (Bromus erectus): Kaiserstuhl, Baden-Württemberg, Deutschland.

Ein Kalkmagerrasen mit massiver Ausbreitung der Aufrechten Trespe (Bromus erectus): Kaiserstuhl, Baden-Württemberg, Deutschland.

Bildquelle: © Fartmann, T. et al. (2025), CC BY 4.0

Zudem zeigte die Studie, dass in Gebieten mit einer hohen Bedeckung von Bromus erectus die Artenvielfalt sinkt: Zwar sind viele Pflanzenarten noch vorhanden, doch ihr Anteil an der Vegetationsdecke ist deutlich reduziert. Die Flächen werden strukturell und floristisch homogener, seltene Arten gehen zunehmend verloren.

Interessanterweise reichte ein einziges warmes, trockenes Frühjahr (wie 2020) aus, um auch in den üblich feuchteren, produktiveren Graslandtypen die Dominanz der Trespe zu fördern. Solche Wetterlagen werden im Zuge des Klimawandels künftig häufiger auftreten, was das Problem weiter verschärfen dürfte.

Strategien gegen das Vordringen der Trespe

Doch es gibt Hoffnung: Durch gezielte Bewirtschaftung könnte die Ausbreitung gestoppt werden. Prof. Fartmann empfiehlt eine häufigere Nutzung, insbesondere Beweidung oder Mahd im Winter und zeitigen Frühjahr während der Phase des ersten Austriebs sowie erneut sechs bis acht Wochen später während der Hauptwachstumsphase. Auch kontrolliertes Abbrennen im Winter kann sinnvoll sein, da es die oberirdische Biomasse der Trespe zerstört und damit ihre Wettbewerbsvorteile im Frühjahr reduziert.

Besonders effektiv ist außerdem eine ganzjährige Beweidung durch Weidetiere wie Pferde, Rinder oder Schafe. Diese kann die Dominanz der Aufrechten Trespe deutlich reduzieren und damit einen wichtigen Beitrag zum Erhalt der artenreichen Kalkmagerrasen leisten.


Quelle:
Fartmann, T. et al. (2025): Encroachment of the Upright brome (Bromus erectus) in calcareous grasslands – Assessment of the drivers and effects on plant species assemblages. In: Journal of Environmental Management (2025). doi: 10.1016/j.jenvman.2025.125068

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Titelbild: Der Blütenstand einer Aufrechten Trespe: Die Grasart verdrängt andere Arten in Kalkmagerrasengebieten. (Bildquelle: © Liliane Pessott , eigenes Werk / Wikipedia, CC BY 4.0)