Kasahara Gateway
Neuentdecktes Gewebe steuert Samengröße

Die Samen einer Pflanze sind einzigartig, doch die molekularen Mechanismen, durch die sie entstehen, sind bei allen Blütenpflanzen gleich. (Bildquelle: © Alexander Klepnev – eigenes Werk / Wikipedia, CC BY 4.0)
Eine Studie zeigt, wie Blütenpflanzen ausschließlich befruchtete Samenanlagen mit Nährstoffen versorgen. Dieses Wissen ließe sich möglicherweise auch für die Züchtung von Pflanzen mit größeren Samenkörnern nutzen.
Bei vielen Nahrungspflanzen sind die essbaren Teile die Samen. Man denke nur an Reis, Weizen, Mais – die wichtigsten Akteure für die Welternährung. Je größer ihre Samen, desto höher ist in der Regel der Ertrag. Doch die Ausbildung von Samen ist eine energieintensive Angelegenheit, und Pflanzen regulieren sehr genau, wie sie ihre vorhandenen Ressourcen einsetzen.
Damit überhaupt ein Samen gebildet wird, muss die Samenanlage, das sogenannte Ovulum, erfolgreich befruchtet werden. Erst dann gibt die Mutterpflanze Nährstoffe aus ihrem Phloem frei. Embryo und Endosperm können sich entwickeln und wachsen. Bisher ist jedoch nicht bekannt, wie Blütenpflanzen sicherstellen, dass nur befruchtete, also lebensfähige Samen die wertvollen Nährstoffe erhalten – unbefruchtete jedoch nicht.
Kallose-Pfropfen verschließt das Tor

Neu entdeckter „Gate“-Mechanismus steuert die Samengröße: Callose-Ablagerungen (blau) blockieren in unreifen Samenanlagen den Nährstofffluss über das Phloem und werden erst nach Befruchtung abgebaut (obere Reihe, Zeitdifferenz jeweils ein Tag). Wird das Gen für das „Callose-Abbau-Enzym“ abgeschaltet, wird der Verschluss der Leitungsbahnen trotz Befruchtung stärker (untere Reihe). Die befruchteten Samen bleiben klein. Umgekehrt führt eine Überexpression dieses Gens zu größeren Samen.
Bildquelle: © Ryushiro Kasahara, CC BY 4.0
Ein internationales Team von Wissenschaftlern unter der Leitung von Ryushiro Kasahara von der Kyoto Universität in Japan von der Universität Kyoto in Japan hat ein neues Gewebe entdeckt, das wie eine Art „Tor“ zwischen dem mütterlichen Phloem und der Samenanlage steht und den Transport von Nährstoffen reguliert.
Ist die Samenanlage noch nicht befruchtet, wird dieses Tor durch eine Art Pfropfen aus Kallose blockiert. Diese wachsartige Substanz lässt weder Wasser noch Nährstoffe hindurch. Nach einer erfolgreichen Befruchtung wird die Kallose jedoch abgebaut – der Weg zwischen Phloem und Ovulum ist frei. Dieses neu entdeckte Gewebe wird nach seinem Entdecker als Kasahara-Gateway bezeichnet.
Ein Quäntchen Glück half bei der Entdeckung
Bei der Entdeckung der neuen Struktur war auch ein Quäntchen Glück im Spiel, wie Kasahara erklärt. Er arbeitete gerade daran, die Ergebnisse einer früheren Studie zu überprüfen und hatte dafür Samenanlagen mit einem Farbstoff behandelt, der Kallose sichtbar macht.
„Die pflanzliche Befruchtung ist davon abhängig, dass der Pollenschlauch in die Samenanlage hineinwächst – also schauen die meisten Forschenden auch nur an dieser Stelle nach. Aber wir haben auch Signale auf der gegenüberliegenden Seite gesehen“, erklärt Kasahara. „Niemand hat dort gesucht, wo ich gesucht habe. Ich erinnere mich, dass ich überrascht war – vor allem, weil das Kallose-Signal immer dann besonders stark war, wenn die Befruchtung fehlgeschlagen ist.“
Eizellbefruchtung allein reicht nicht
Bei erfolgloser Befruchtung stellen die Pflanzen vermehrt Kallose her und dichten das Tor ab (geschlossener Zustand). „Weil sich eine unbefruchtete Samenanlage nicht zu einem Samen weiterentwickeln kann, wäre es für die Pflanze verschwenderisch, sie mit Nährstoffen zu versorgen“, erklärt Kasahara.
Nach einer erfolgreichen Befruchtung hingegen wird das Enzym β-1,3-Glucanase gebildet, das die Kallose abbaut (offener Zustand). Weitere Experimente zeigten, dass es dafür unabdingbar ist, dass entweder beide Zellkerne befruchtet werden – oder zumindest die Zentralzelle. Eine ausschließliche Befruchtung der Eizelle reichte hingegen nicht aus.
Größere Samen dank eines einzigen Gens

Graphische Zusammenfassung der Studienergebnisse (PE: Phloem-Ende; Chalazal: Ansatzpunkt der Samenanlage am Funiculus (dem „Stiel“ der Samenanlage).
Bildquelle: © Xiaoyan Liu et al. (2025), CC BY 4.0
Das Enzym β-1,3-Glucanase wird bei Arabidopsis durch das Gen AtBG_ppap kodiert. War dieses Gen defekt, wurde die Kallose nach der Befruchtung nur unvollständig abgebaut. In der Folge entstanden bei Arabidopsis im Durchschnitt acht Prozent kleinere, aber dennoch lebensfähige Samen.
Genau das Gegenteil war der Fall, wenn Pflanzen dieses Gen übermäßig stark exprimierten: Dann lag selbst ohne Befruchtung kein Kallose-Pfropfen mehr vor, und die Arabidopsis-Pflanzen bildeten 18 Prozent größere Samen aus. Ein vergleichbarer Effekt ließ sich auch bei Reis beobachten, der mit dem Arabidopsis-Gen ausgestattet worden war – hier bildeten die Pflanzen neun Prozent größere Körner aus.
Neue Möglichkeit für die Pflanzenzüchtung
Seit Langem suchen Forschende nach Möglichkeiten, die Samengröße gezielt zu beeinflussen. Nun gibt es einen vielversprechenden Ansatzpunkt: Diese Erkenntnisse könnten von großem Interesse für Pflanzenzüchter sein, die ertragreichere Sorten entwickeln möchten. Jetzt, da bekannt ist, wie Pflanzen die Nährstoffzufuhr in die Samenanlage steuern, ließe sich hier züchterisch gezielt ansetzen.
Allerdings ist bislang noch unklar, ob die Überexpression von AtBG_ppap nicht auch Nachteile für die übrige Pflanze mit sich bringt – etwa, weil zu viele Nährstoffe in die Samen abfließen. Weitere Untersuchungen sind nötig, um hier Licht ins Dunkel zu bringen.
Quelle:
Xiaoyan Liu et al.(2025): Fertilization-dependent phloem end gate regulates seed size. In: Current Biology (7. April 2025). doi: 10.1016/j.cub.2025.03.033
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Titelbild: Die Samen einer Pflanze sind einzigartig, doch die molekularen Mechanismen, durch die sie entstehen, sind bei allen Blütenpflanzen gleich. (Bildquelle: © Alexander Klepnev – eigenes Werk / Wikipedia, CC BY 4.0)