Kleine Proteine, große Wirkung

Mikroproteine in der Pflanzenforschung

12.03.2025 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Das microProtein NOP-1 greift in den Ethylenstoffwechsel ein und kann bei grünen Tomaten die Fruchtreife verlangsamen. (Bildquelle: © experimentMR / Pixabay)

Das microProtein NOP-1 greift in den Ethylenstoffwechsel ein und kann bei grünen Tomaten die Fruchtreife verlangsamen. (Bildquelle: © experimentMR / Pixabay)

Kleine Proteine spielen eine entscheidende Rolle im pflanzlichen Stoffwechsel. Aktuelle Studien zeigen, dass diese winzigen Moleküle vielfältige Prozesse steuern. Ihre gezielte Nutzung könnte die Pflanzenzüchtung revolutionieren und den Einsatz von Agrochemikalien reduzieren.

Sie sind klein und daher schwer zu finden. Die Rede ist von sehr kleinen Proteinen, die aus weniger als einhundert Aminosäurebausteinen bestehen. Sie können mit anderen Proteinen interagieren und dadurch viele wichtige biologische Prozesse regulieren. Das hilft dem Organismus dabei, sich an verändernde Umweltbedingungen anzupassen.

Weil diese Proteine so klein sind, nur in geringen Mengen vorkommen und keine Sequenzähnlichkeit zu bereits bekannten Proteinen besitzen, sind sie schwer zu finden. Ein aktuelles Review im Fachjournal Trends in Genetics fasst den aktuellen Wissensstand über solche Mikroproteine zusammen und zeigt auf, was sie „alles draufhaben“.

Eine wichtige Gruppe: die microProteine

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Mikroproteine (miPs) regulieren größere Proteine durch Interaktionsdomänen. Sie entstehen aus individuellen Genen (trans-miPs), alternativer Transkription (cis-miPs) oder nicht-kodierenden RNAs mit kurzen offenen Leserahmen (sORFs). miRNA-kodierte Peptide (miPEPs) verstärken die Transkription ihrer pri-miRNA. Cyclotide entstehen durch Spaltung von Proteinvorläufern.

Mikroproteine (miPs) regulieren größere Proteine durch Interaktionsdomänen. Sie entstehen aus individuellen Genen (trans-miPs), alternativer Transkription (cis-miPs) oder nicht-kodierenden RNAs mit kurzen offenen Leserahmen (sORFs). miRNA-kodierte Peptide (miPEPs) verstärken die Transkription ihrer pri-miRNA. Cyclotide entstehen durch Spaltung von Proteinvorläufern.

Bildquelle: © Petri, L. et al. (2025), CC-BY

Eine Untergruppe sind die sogenannten microProteine. Das großgeschriebene P in der Wortmitte soll die Ähnlichkeit zu den microRNAs widerspiegeln. Denn ihr Wirkmechanismus ist ähnlich: microRNAs regulieren mRNAs negativ, behindern also ihre Wirkung. MicroProteine binden an ihre Zielproteine und verhindern, dass sie ihre Funktion ausführen können.

Das erste microProtein, das je entdeckt worden ist, ist der DNA-Bindungsinhibitor Id. Es kann mit verschiedenen Transkriptionsfaktoren interagieren und ihre Wirkung unterbinden. Id spielt bei normalen Zellen und Krebszellen eine Rolle bei der Regulation der Zellteilung und -differenzierung.

Die ersten in Pflanzen identifizierten microProteine waren die LITTLE ZIPPER-Proteine. In Arabidopsis umfasst diese Familie vier Mitglieder: ZPR1 bis ZPR4. Sie spielen eine wichtige Rolle dabei, Stammzellen im Apikalmeristem der Sprossachse zu konservieren. Das ist wichtig, denn nur wenn die Pflanze ihr Leben lang Stammzellen besitzt, kann sie auch wachsen.  

Wie werden microProteine kodiert?

Es gibt zwei unterschiedliche Möglichkeiten. Entweder gibt es für die microProteine spezielle Gene, dann werden sie als cis-microProteine bezeichnet. Diese Gene sind vermutlich durch Genduplikation hervorgegangen und haben dann nach und nach Teile ihrer Sequenz verloren. In anderen Fällen führt die alternative Transkription eines offenen Leserahmens (open reading frames oder ORF) zur Bildung eines microProteins, entweder indem die Translation später gestartet oder zeitiger beendet wird. In diesem Fall spricht man von trans-microProtein.

Bei microProteinen ist es kompliziert, ihre spezifische Funktion zu identifizieren, weil sie in vielen Fällen in einem Genkodon enthalten sind, das auch für eine größere Proteinvariante (Isoform) kodiert. Wenn man eine Mutation in diesem gemeinsamen Abschnitt vornimmt, verändert man nicht nur das kleine microProtein, sondern auch die größere Isoform. Dadurch wird es problematisch zu bestimmen, welche beobachteten Effekte ausschließlich auf die veränderte Funktion des microProteins zurückzuführen sind und welche auf die veränderte größere Isoform.

Wie greifen microProteine in den Stoffwechsel ein?

Meist machen sie das durch Protein-Protein-Interaktionen, zum Beispiel indem sie einen Transkriptionsfaktor (TF) binden und dadurch inaktivieren. Das normalerweise von diesem TF aktivierte Gen kann dann nicht mehr abgelesen werden. Manchmal beeinflussen sie auch die Lokalisation anderer Proteine. Zum Beispiel können sie TFs davon abhalten, vom Zellplasma in den Zellkern zu wandern. Auch dann kann das betroffene Gen nicht mehr abgelesen werden. Zuletzt können microProteine auch ein Baustein in einer komplexen Signalkaskade sein.

Es gibt noch mehr Synthesemöglichkeiten

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Könnten per Spray aufgebrachte MicroProteine das Immunsystem von Pflanzen boosten? Denkbar wäre es.

Könnten per Spray aufgebrachte MicroProteine das Immunsystem von Pflanzen boosten? Denkbar wäre es.

Bildquelle: © WikimediaImages / Pixabay

Kleine Proteine können auch noch durch andere Mechanismen entstehen. Einige werden direkt aus zuvor als nicht-kodierend eingestuften RNAs synthetisiert, wie zum Beispiel langen nicht-kodierenden RNAs (lncRNAs) oder sogar aus RNA-Fragmente, die normalerweise mit microRNAs (miRNAs) assoziiert werden. Zudem können kleine Proteine auch durch alternative Transkriptions- und Spleißvarianten entstehen, bei denen nur ein Teil der ursprünglichen, längeren mRNA genutzt wird. Ein weiterer Mechanismus ist die proteolytische Spaltung, bei der aus einem größeren Vorläuferprotein spezifische, funktionsrelevante Fragmente abgespalten werden. Diese unterschiedlichen Entstehungswege ermöglichen es Zellen, die regulatorisch wirksamen Proteine flexibel und bedarfsgerecht zu produzieren.

Molekulares Lego: der Einsatz von kleinen Proteinen beim Bioengineering

Das immense Potenzial kleiner Proteine eröffnet neue Wege im Bioengineering. Durch gezielte Manipulation dieser Moleküle könnten Pflanzen entwickelt werden, die widerstandsfähiger gegenüber Umweltstressoren sind und gleichzeitig einen geringeren Bedarf an Agrochemikalien aufweisen. Dies könnte zu nachhaltigeren landwirtschaftlichen Praktiken führen und die Nahrungsmittelsicherheit in einer sich wandelnden Umwelt verbessern.

Erste Erfolge belegen das Potenzial synthetischer Mikroproteine. In einer Studie wurden solche Mikroproteine in Pflanzenzellen eingebracht, um gezielt die Funktion zentraler Regulatoren zu modulieren. Dabei standen drei wichtige Proteine im Fokus:

  • DCL1 (DICER-LIKE1):
    Spielt eine Schlüsselrolle in der miRNA-Biogenese, indem es prä-mRNA in funktionsfähige miRNAs umwandelt.
  • BRI1 (BRASSINOSTEROID INSENSITIVE 1):
    Fungiert als Rezeptor im Brassinosteroid-Signalweg und ist entscheidend für das Pflanzenwachstum und die Entwicklung.
  • CRY1 (Cryptochrom 1):
    Wirkt als Photorezeptor für blaues Licht und steuert wichtige lichtabhängige Prozesse.

Nach der Anwendung der synthetischen Mikroproteine zeigten die behandelten Pflanzen den gleichen Phänotyp wie Pflanzen, bei denen die Gene dieser Proteine gezielt ausgeschaltet wurden. Damit wurde eindrucksvoll demonstriert, dass das Prinzip der funktionellen Modulation durch Mikroproteine funktioniert.

microProteine als Helfer in der Landwirtschaft

Ein anderer Ansatz ist es, im Labor hergestellte kleine Proteine auf Pflanzen aufzusprühen, um damit agronomische Eigenschaften wie Fruchtreife, Wurzelwachstum und Krankheitsresistenz zu beeinflussen. Ein Vorteil - zumindest in den Augen von Gentechnik-Kritikern - wäre, dass solche Pflanzen nicht gentechnisch verändert sind.

Durch das Aufbringen eines microPeptids (oder einer microRNA) würde ihr Phänotyp aber trotzdem verändert. Erste Versuche mit microRNA gab es bereits. Bei Micropeptiden ist die Forschung noch nicht ganz so weit. Es wurde jedoch schon ein Mikropeptid namens NOP-1 entwickelt, dass in den Ethylenstoffwechsel eingreift und zum Beispiel das Reifen von grünen Tomatenfrüchten verlangsamen kann.  

Fazit

Kleine Proteine finden sich in Tiere, Pflanzen und Pilzen. Sie spielen eine unverzichtbare Rolle bei der Steuerung von Wachstum und Entwicklung. Ihre weitere Erforschung könnte dazu beitragen, Pflanzen besser an veränderte Umweltbedingungen anzupassen und mit weniger Dünge- und Pflanzenschutzmitteln auszukommen.

Doch noch sind viele Fragen offen. Durch welche Mechanismen wird die Expression der kleinen Proteine reguliert? Sind sie aufgrund ihrer Größe stabiler als andere Proteine? Wirkt die Mehrheit der Mikroproteine nur innerhalb ihrer Zelle oder werden sie auch aktiv zwischen Zellen hin und her transportiert? Die Forschung steht hier ganz klar noch ganz am Anfang.

Aber mit Hilfe neuer RNA-Sequenzierungstechniken sowie Strukturvorhersagen durch Algorithmen wie AlphaFold werden auf dem Gebiet der Mikroproteine sicher bald viele neue Erkenntnisse erzielt.


Quelle:
Petri L, et al.: Exploring the world of small proteins in plant biology and bioengineering. Trends Genet. 2025 Feb;41(2):170-180. doi: 10.1016/j.tig.2024.09.004

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Titelbild: Das microProtein NOP-1 greift in den Ethylenstoffwechsel ein und kann bei grünen Tomaten die Fruchtreife verlangsamen. (Bildquelle: © experimentMR / Pixabay)