Kleine Schwergewichte

Kleinste Lebewesen der Erde bringen die zweithöchste Biomasse auf die Waage

24.04.2023 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Der Riesen-Mammutbaum (Sequoiadendron giganteum) ist das größte Lebewesen auf der Erde. (Bildquelle: © Klaus Stebani / Pixabay)

Der Riesen-Mammutbaum (Sequoiadendron giganteum) ist das größte Lebewesen auf der Erde. (Bildquelle: © Klaus Stebani / Pixabay)

Welche Organismengruppen haben das größte Gewicht, würde man ihre gesamte globale Biomasse wiegen? Das sind nicht etwa die Insekten, wie Forscher:innen herausfanden, sondern unter anderem die Mikroorganismen.

Die Größe der Lebewesen auf der Erde umfasst eine riesige Spanne, vom kleinsten bekannten Lebewesen, Nanoarchaeum equitans („wiegt“ etwa 0,01 Femtogramm oder 10-17 Gramm), bis zum größten Lebewesen der Erde, dem Riesenmammutbaum (Sequoiadendron giganteum) mit einem Gewicht von etwa 1.000 Tonnen oder 109 Gramm. Bisher ging man davon aus, dass Gewicht und Häufigkeit der Organismengruppen einer gesetzmäßigen Verteilung unterliegen: Kleine, „leichte“ Mikroorganismen sind deutlich häufiger als große Bäume. In der Summe aber, so schätzte man, ist die gesamte Biomasse jeder Organismengruppen in etwa gleich. Dem ist nicht überall so, wie Forscher:innen in einer neuen Studie gerade herausfanden.

Die Sheldonsche Größenspektrum-Theorie

In den 1970er Jahren ermittelten US-Forscher:innen, dass sich das Leben im Ozean auf eine bestimmte Weise verteilt. Sowohl die Häufigkeit als auch die Größe der Lebewesen folgte demnach einem bestimmten Grundsatz: Nimmt die Körpergröße einer Organismengruppe um das Zehnfache zu, nimmt im Gegenzug die Häufigkeit dieser Gruppe um das Zehnfache ab. Das hat zur Folge, dass die Biomasse im Ozean in allen Größengruppen von Lebewesen mehr oder weniger gleich verteilt ist. Weitere Forschungen konnten diese Theorie bestätigen – allerdings nur für unberührte Ozeane. Greift der Mensch ein, verschiebt sich dieses Gleichgewicht. So ist die Biomasse an Fischen vermutlich nur noch halb so groß wie vor dem Eingreifen des Menschen.

Eine vergleichbare, wissenschaftlich bestätigte Regel gab es für die Landbewohner bisher nicht. Daher sammelten die Forscher:innen Daten auch zu allen bisher bekannten Lebewesen, ihren Lebensräumen, Häufigkeit, Biomasse und Größe. Da man zum Beispiel Mikroorganismen oder Pilzgeflechte nicht ohne weiteres „ausmessen“ oder „wiegen“ kann, wurden ihre Massen über den Gehalt an Kohlenstoff in Gramm angegeben. Anschließend werteten die Forscher:innen die Daten über verschiedene statistische Verfahren aus.

Hauptsache extrem

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Korallen gehören zu den großen Primärproduzenten in den Flachwasserbereichen der Ozeane.

Korallen gehören zu den großen Primärproduzenten in den Flachwasserbereichen der Ozeane.

Bildquelle: © Eychenne / Pixabay

Die Ergebnisse zeigten, dass die Größenspektrum-Theorie nicht für Landlebewesen passt. Im Gegenteil: Die höchste Biomasse besaßen zwei Gruppen am Rand der Größenskala: Mikroorganismen mit der Größenklasse um ein Femtogramm oder 10-15 Gramm brachten 15 Gigatonnen (Gt) an Biomasse auf die Waage, sowie die (fast) Größten, eine heterogene Gruppe aus Pflanzen (hauptsächlich Bäume), Säugetieren und einigen Pilzen mit der Größenklasse von etwa 10 Tonnen oder 107 Gramm kamen auf 65 Gt. Das Mittelfeld (Gewichtsklasse von 10 Pikogramm (10-11 Gramm) bis 10 Milligramm (10-2 Gramm) mit Insekten, vielen Pilzarten und kleineren Pflanzen besaß dagegen nur etwa eine Gigatonne an Biomasse.

Marine Organismengruppen, das zeigte die Studie auch, tragen verhältnismäßig wenig zur globalen Biomasse bei. Ausnahme waren die marinen Mikroorganismen, die in der kleinsten Größenklasse (0,1 Femtogramm oder 10-16 g) die größte Biomasse auf die Waage brachten, während die Bodenmikroorganismen die nächstgrößere Klasse (ein Femtogramm oder 10-15 g) dominierten.

Besonderes Augenmerk richteten die Forscher:innen auf den Biomassepeak in den oberen Größenklassen. Seine heterogene Zusammensetzung aus unterschiedlichen Artengruppen, die alle in etwa dieselbe Größe haben, deutet nach ihrer Meinung darauf hin, dass es eine universelle maximale Größe gibt, die das Wachstum nach oben begrenzt. Allerdings fehlen bisher weitere Daten für eine genauere Analyse.

Alles klar im Ozean

Im Ozean konnte die Größenspektrum-Regel hingegen grundsätzlich erneut bestätigt werden. Die Biomasse war hier gleichmäßiger auf die einzelnen Größenklassen verteilt als an Land, obwohl Makroalgen, Mangroven, Steinkorallen und Seegras, die zusammen etwa 45 Prozent der Biomasse der Meere ausmachen und bei früheren Untersuchungen ausgelassen wurden, diesmal mit in die Berechnungen einflossen. Ein Grund für die gleichmäßigere Verteilung im Ozean ist, dass die großen Primärproduzenten wie Mangroven oder Korallen nur im Flachwasserbereich vorkommen, weil sie auf Licht und Nährstoffe angewiesen sind. In den flächenmäßig deutlich größeren und tiefen Bereichen der Ozeane dominieren hingegen sehr kleine und massenhaft auftretende Primärproduzenten, denen nur wenige Konsumenten aus den großen Gewichtsklassen, wie etwa Wale und andere Meeressäugetiere sowie große Fischarten, entgegenstehen.

Da bestimmte Flachwasserbereiche wie Mangrovenwälder als eine Art „Mischung“ aus Land- und Wasserlebensraum anzusehen sind, schlagen die Forscher:innen vor, bei zukünftige Berechnungen Flachwasserhabitate als eigenständigen Lebensraum zu betrachten.

Wichtige Forschungen stehen noch an

Die Wissenschaftler:innen weisen darauf hin, dass die vorliegenden Berechnungen noch mit großen Unsicherheiten behaftet sind. Für genauere Untersuchungen fehlt bisher die Datengrundlage. Die ist aber wichtig: Denn auf diesem Weg können aktuelle ökologische Veränderungen wie der Rückgang einer Organismengruppe besser erfasst und bewertet werden. Deswegen sollten sie zur Abschätzung der Nachhaltigkeit von Maßnahmen in Zukunft mit einbezogen werden, um die globalen Folgen menschlichen Handelns besser einschätzen zu können.


Quelle:
Tekwa, E. W. et al (2023): The sizes of life. In. Plos One, 29. März 2023. dx.doi.org/10.1371/journal.pone.0283020

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Titelbild: Der Riesen-Mammutbaum (Sequoiadendron giganteum) ist das größte Lebewesen auf der Erde. (Bildquelle: © Klaus Stebani / Pixabay)