Komplexe Züchtungsgeschichte der Rosen
Samanthas Stammbaum
Viele tausend Jahre lang wurden Rosen in China und Europa kultiviert. Im 18. Jahrhundert kamen chinesische Rosen erstmals nach Europa und die Züchtungsgeschichte der Pflanze nahm Fahrt auf. Eine neue Studie zeigt im Detail, welchen Anteil die einzelnen Vorfahren am modernen Rosengenom haben. Diese Daten könnten auch bei der Züchtung neuer Sorten helfen.
Im Jahr 1867 kreuzte der Rosenzüchter Jean-Baptiste André Guillot eine chinesische mit einer europäischen Rose und erschuf den Hybrid „La France“, auch bekannt unter dem lateinischen Namen Rosa hybrida. Diese Pflanze vereinte zahlreiche der guten Eigenschaften ihrer beiden Vorfahren und gilt als Mutter der modernen Rosensorten – von denen es heutzutage mehr als 35.000 gibt.
Ein aktuelles Paper im Fachmagazin Nature Plants bringt jetzt neue Details über die Evolution der Rosa hybrida ans Licht. Ein Forschungsteam aus China hat das Genom der modernen Rosensorte „Samantha“ sequenziert. Sie identifizierten Gene, die für zentrale agronomische Merkmale verantwortlich sind, wie kontinuierliche Blüte, Blütenentwicklung, Farbgebung, Krankheitsresistenz und Wachstumsmerkmale.
Ultra-Long-Sequencing für bessere Qualität
Wie alle modernen Rosensorten ist auch Samantha tetraploid, verfügt also über vier Chromosomensätze. Mit Hilfe modernster Sequenziermethoden ist es den Forschenden gelungen, das Genom dieser Pflanze in hoher Qualität zu sequenzieren. Zum Einsatz kam unter anderem Ultra-long-Sequencing, wobei besonders große Teile des Genoms in einem Rutsch abgelesen werden. Dadurch werden Fehler vermieden, die oft entstehen, wenn kleine DNA-Fragmente sequenziert und anschließend mit Hilfe von Computern zusammengepuzzelt werden. Das neue Genom von Samantha ist allen bisher sequenzierten Rosengenomen daher qualitätsmäßig überlegen.
Als nächstes erstellten die Wissenschaftler:innen eine Karte von Genomvariationen. Dazu verglichen sie das Genom von Samantha mit den genomischen Daten von 233 Rosen-Akzessionen, darunter:
- wilde Rosen aus unterschiedlichen Verbreitungsgebieten, wie China, Süd- und Westasien sowie Europa,
- mittelalte Kultursorten, die vor dem Jahr 1867 entstanden sind und daher noch nicht alle Eigenschaften von Chinesischer und Europäischer Rose in sich vereinen, wie die kontinuierliche Blüte und
- moderne Kultursorten, die nach dem Jahr 1867 entwickelt wurden und die Eigenschaften von Chinesischer und Europäischer Rose vollständig vereinen.
Moderne Rosen haben Vorläufer aus China und Europa
Diese Analysen zeigen die Beiträge von Wildarten der Gattung Rosa zu modernen Rosen auf und unterstreichen, dass insbesondere Rosa odorata var. gigantea und ihre abgeleiteten Kultivare die größten Beiträge zu modernen Rosen leisten. Das natürliche Verbreitungsgebiet dieser Rosenart reicht von Yunnan in Westchina über Myanmar bis nach Manipur in Indien. Im Genom von „Samantha“ identifizierten sie insgesamt noch fünf weitere potenzielle Vorfahren: Rosa chinensis „Old Blush“ (Herkunft: China), Rosa wichuraiana (Ostasien), Rosa gallica (Mitteleuropa, Südeuropa und Kleinasien), Rosa moschata (Westasien, Himalaya und möglicherweise Nordafrika) und Rosa fedtschenkoana (Zentralasien).
Die Chromosomen weisen einen großen Anteil an Chimerismus auf, jedes Chromosom setzt sich aus Bruchstücken mehrerer Vorfahren zusammen. Das deutet darauf hin, dass es während der Züchtungsgeschichte zahlreiche homologe Gentransfers und/oder Introgressionen gegeben hat.
Transposons für unbändiges Blühen
Die Studie untersucht auch die beiden wichtigen Gene AP2L, welches die Anzahl der Blütenblätter steuert, und KSN, das für die kontinuierliche Blüte verantwortlich ist. Bei Samantha befinden sich in beiden Genen Transposons, die die Genaktivität so verstärken, dass ständig neue Blüten mit zahlreichen Blütenblättern gebildet werden.
Diese Studie legt so neben detaillierten Einblicken in die „Rosengeschichte“ eine Vielzahl genomischer Ressourcen für die Rosenzüchtung frei. „Unsere Forschung eröffnet neue Möglichkeiten für die gezielte Züchtung von Rosen mit verbesserten Eigenschaften, wie längere Blühperioden, Krankheitsresistenzen, verbesserte Düfte oder anderes“, schreiben die Autoren. Sie betonen auch, wie wichtig es ist, genetische Diversität der Rosen zu erhalten. Denn der Klimawandel bringt weltweit neue Rekordtemperaturen, Dürreperioden und Starkregenereignisse. Wenn Rosen weiterhin gedeihen sollen, so braucht man vielfältige genetische Ressourcen, um sie an diese Bedingungen anpassen zu können.
Quelle:
Zhang, Z., Yang, T., Liu, Y. et al. Haplotype-resolved genome assembly and resequencing provide insights into the origin and breeding of modern rose. Nat. Plants 10, 1659–1671 (2024). https://doi.org/10.1038/s41477-024-01820-x
Zum Weiterlesen auf Pflanzenforschung.de:
- Auch das Rosen-Genom ist nun sequenziert – Bald noch schöner und wohlriechender?
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- Konvergente Evolution – Eine stachelige Angelegenheit
Titelbild: Die Farbenvielfalt der Rosen ist schier unermesslich. Die modernen Sorten sind Hybride aus chinesischen und europäischen Linien. (Bildquelle: © Pixabay)