Krieg der Knöllchen

Wenig Harmonie in der Symbiose zwischen Pflanzen und Rhizobien

16.07.2020 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Wie ein Team der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich herausfand, ist die Zusammenarbeit eher ein Kampf als Freiwilligkeit. Abgebildet: Knöllchenbakterien (blau) in einer Pflanzenwurzel. Braun sichtbar sind pflanzliche Proteine (kolorierte

Wie ein Team der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich herausfand, ist die Zusammenarbeit eher ein Kampf als Freiwilligkeit. Abgebildet: Knöllchenbakterien (blau) in einer Pflanzenwurzel. Braun sichtbar sind pflanzliche Proteine (kolorierte

Die oft als friedliches Miteinander dargestellte Symbiose zwischen Pflanzen und Rhizobien ist in Wahrheit ein Kampf: die Stickstoff-fixierenden Knöllchenbakterien überleben so gerade in der Wurzelzelle.

Für alle Pflanzen sind Stickstoffsalze wie Ammonium oder Nitrat als Nährstoffe essentiell. Wenn der Boden zu wenig davon bereithält, müssen Landwirte oder Gärtner düngen. Es sei denn, die Pflanzen können eine Symbiose mit Knöllchenbakterien eingehen. Die Bakterien fixieren den molekularen Stickstoff aus der Luft und stellen ihn den Pflanzen als verwertbare Stickstoffsalze zur Verfügung. Allerdings ist diese Symbiose bisher noch nicht vollständig erforscht. Neue Einsichten in dieses Zusammenleben gibt nun eine neue Studie.

Stickstoff-Fixierung bei Knöllchenbakterien

Die Symbiose zwischen Hülsenfrüchtlern (Fabaceae) und Knöllchenbakterien (Rhizobien) ist weithin bekannt: Die Knöllchenbakterien infizieren die Zellen der Wurzelspitze. Anschließend verformen sie sich zu verzweigten, knubbeligen Bakterioiden, die von der Pflanze mit einer Membran umgeben werden. Es entstehen sogenannte Symbiosome. Anschließend beginnen die Bakterien, Stickstoff (N2) aus der Luft zu fixieren. Bei diesem energieaufwändigen Prozess entsteht Ammonium (NH4+), das die Pflanze nutzen kann. Im Gegenzug erhalten die Bakterien Kohlenhydrate (Succinat, Malat) aus dem Citrat-Zyklus der Pflanze.

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Hülsenfrüchtler, wie der Gestutzte Schneckenklee (Medicago truncatula), nutzen die Symbiose mit Knöllchenbakterien zur Stickstoffversorgung.

Hülsenfrüchtler, wie der Gestutzte Schneckenklee (Medicago truncatula), nutzen die Symbiose mit Knöllchenbakterien zur Stickstoffversorgung.

Bildquelle: © Ninjatacoshell / wikimedia.org; CC BY-SA 3.0

Zu wenig Energie

Allerdings gibt es da einige Ungereimtheiten. Denn im Symbiosom herrscht ein saures und sauerstoffarmes Milieu. Für die Stickstofffixierung benötigen die Bakterien aber viel Energie in Form von ATP, die sie durch Oxidation der pflanzlichen Kohlenhydrate gewinnen müssten.

Insgesamt 16 ATP-Molekülen sind notwendig, um ein N2-Molekül zu Ammonium zu reduzieren. Unter diesen Bedingungen scheint das rechnerisch jedoch nicht möglich zu sein. Die Versuche zeigten auch, dass die Stickstoff-Fixierung nur auf vollen Touren lief, wenn die Bakterien zusätzlich zum Succinat die Aminosäure Arginin im Verhältnis 1:1 erhielten. Das Arginin wurde von den Bakterien auf drei verschiedenen Wegen zu Alanin oder Aspartat weiterverarbeitet, die ebenfalls an die Pflanze weitergegeben wurden.

Zwei Fliegen mit einer Klappe

Aus der Verwertung von je einem Molekül Succinat und Arginin produzierten die Bakterien nach Berechnungen der Forscher trotz wenig Sauerstoff insgesamt 8 NADH. Normalerweise wird das NADH anschließend innerhalb der Atmungskette zu NAD+ oxidiert. Die freiwerdenden Protonen werden aus der Zelle geschleust, so dass ein Protonengradient entsteht, der wiederum zur ATP-Synthese genutzt wird.

Das funktioniert für die Bakterien im Symbiosom leider so nicht, fanden die Forscher heraus. Denn durch das stark saure Milieu wird besonders der Komplex I der Atmungskette, die NADH-Deydrogenase, in ihrer Funktion eingeschränkt. Da im sauren Milieu außerhalb der Zelle schon viele Protonen vorhanden sind, kann sie kaum noch zusätzliche Protonen gegen den bestehenden Protonengradienten aus der Zelle schleusen. Gleichzeitig kommt es durch die geringe Sauerstoffkonzentration zu einer Einschränkung des Komplexes IV, der Cytochrom-C-Oxidase. Diese Oxidase hat die Aufgabe, Sauerstoff mit freiwerdenden Protonen zu Wasser zu reduzieren.

Trick 17

Um diesen Fallstrick zu umgehen, könnten die Bakterien eine modifizierte Atmungskette mit dem Prinzip der Elektronenbifurkation (Elektronengabelung) nutzen, so vermuten die Forscher.

Einen entsprechenden Stoffwechselweg haben sie dazu modelliert: Dabei werden jeweils acht NADH in einem speziellen Komplex, der als Ersatz für den eingeschränkten Komplex I fungiert, entprotoniert und die Protonen auf Flavodoxin und Ubichinon aufgeteilt. Das so entstandene Flavodoxinhydrochinon (Fldhq) wird als Eletronendonator bei der Stickstoff-Fixierung genutzt, indem ein Stickstoffatom mit vier Protonen zu Ammonium reduziert wird.

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Viele andere Pflanzenarten müssen vom Menschen mit Stickstoff versorgt werden.

Viele andere Pflanzenarten müssen vom Menschen mit Stickstoff versorgt werden.

Bildquelle: © iStock.com/fotokostic

Die Protonen werden von den Bakterien auf diesem Weg also elegant „beseitigt“, indem sie der Pflanze zusammen mit dem Stickstoff „zugeschoben“ werden. Das ebenfalls aus der Elektronenbifurkation stammende Ubichinol (QH2) liefert seine Protonen dagegen über den Komplex III weiter an eine als Alternative zum Komplex IV dienende, hochaffine Cytochrom-cbb3-Oxidase, die auch bei niedrigen Sauerstoffkonzentrationen diese Protonen zur Wasserbildung nutzen kann.

Der CATCH-N-Zyklus

Die Forscher nannten diesen modellierten Weg den CATCH-N-Zyklus. Genetische Untersuchungen bestätigten, dass die dafür notwendigen Gene der alternativen Enzymkomplexe im Bakteriengenom vorhanden sind. Je nach berechnetem Modell erhalten die Bakterien auf diesem Weg bis zu 18-mal mehr ATP als über die alleinige Veratmung von Succinat. Zusätzlich schicken sie über das Ammonium überzählige Protonen an die Pflanze zurück und neutralisieren so den pH-Wert.

Und warum der Aufwand? Die Forscher betonen, dass die Umgebung, in der die Symbiose stattfindet, alles andere als förderlich für die Bakterien ist. Die Pflanze betrachtet die Bakterien offensichtlich nicht als Helfer, sondern als Eindringling. Daher dreht sie den Mikroorganismen den Sauerstoffhahn zu und versauert ihnen das Ambiente. Nur über den CATCH-N-Zyklus gelingt es den Bakterien, trotz widriger Umstände zu überleben.

Diese neuen Erkenntnisse könnten nun dabei helfen, mit biotechnologischen Ansätzen die Entwicklung künstlicher stickstofffixierender Mikroben und verbesserter Nutzpflanzen voranzutreiben, so die Forscher in ihrer Studie. Denn die meisten Kulturpflanzen können bisher keine Symbiose mit Knöllchenbakterien eingehen und sind auf künstliche Düngung angewiesen – das ist teuer, gefährdet die Gewässerqualität und schadet dem Klima.


Quelle:
Flores-Tinoco, C.E. et al. (2020): Co-catabolism of arginine and succinate drives symbiotic nitrogen fixation. In: Molecular Systems Biology, (3. Juni 2020), doi: 10.15252/msb.20199419.

Zum Weiterlesen:

Titelbild: Wie ein Team der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich herausfand, ist die Zusammenarbeit eher ein Kampf als Freiwilligkeit. Abgebildet: Knöllchenbakterien (blau) in einer Pflanzenwurzel. Braun sichtbar sind pflanzliche Proteine (kolorierte elektronenmikroskopische Aufnahme). (Bildquelle: © ETH Zürich / Anne-Greet Bittermann)