Kuriose Pflanzenwelt: Das Wüstenmoos Syntrichia caninervis
Ein extremtolerantes Gewächs für die Marsbesiedelung?
Dieses Gewächs könnte eines Tages den Mars fruchtbar machen, so die Hoffnung einer chinesischen Forschungsgruppe. Sie haben getestet, wie widerstandsfähig diese Moosart ist: Dürre, hohe Strahlung und extreme Kälte überlebt das Moos ohne Schäden und erholt sich von solchen Strapazen sehr schnell.
Wer den Mars besiedeln will, muss sich einige Gedanken machen: Dort herrschen lebensfeindliche Bedingungen: Die Atmosphäre besteht zu 95 % aus Kohlendioxid, ist extrem dünn und bietet keinen Schutz vor schädlicher Strahlung. Zudem sind die Temperaturen sehr niedrig, durchschnittlich etwa minus 60 °C, und es gibt kaum flüssiges Wasser auf der Oberfläche. Wie sich auf dem roten Planeten Menschen auf Dauer versorgen könnten, ist bis heute ein ungelöstes Problem.
Der Überlebensweltmeister
Jetzt ist man vielleicht einen Schritt weiter: Ein Moos, das unter anderem auch in der Antarktis und in der nordamerikanischen Mojave-Wüste heimisch ist, zeigt eine extrem hohe Belastbarkeit: Syntrichia caninervis überlebt ohne Probleme fünf Jahre bei minus 80 Grad Celsius, auch ein Monat bei minus 196 Grad Celsius sind kein Problem. Steigt dann die Temperatur wieder über den Gefrierpunkt, beginnen umgehend wieder die Stoffwechselprozesse und das Moos erwacht aus seinem Dornröschenschlaf.
Die Moosart verfügt auch über eine bemerkenswerte Austrocknungstoleranz: Selbst nach dem Verlust von mehr als 98 % seines zellulären Wassergehalts kann es seine photosynthetischen und physiologischen Aktivitäten innerhalb von Sekunden nach der Wiederbefeuchtung wieder aufnehmen. Zu den Anpassungsstrategien dieser Pflanze gehören auch winzigen Härchen auf den Blättern, die es ihr ermöglichen, mehrere verschiedene Wasserquellen wie Tau, Nebel, Schnee und Regen effektiv zu nutzen.
Gammastrahlung sogar als Wachstumsbooster
Hinzu kommt eine bemerkenswerte Toleranz gegenüber lebensfeindlicher Gammastrahlung. Die Pflanze kann Dosen von bis zu 500 Gray (Gy) überleben, was für die meisten Pflanzen tödlich ist und die für den Menschen tödliche Dosis (etwa 50 Gy) weit übersteigt. Die chinesische Studie deutet sogar darauf hin, dass eine Gammastrahlenbelastung von 500 Gy das Wachstum der Pflanze fördern kann.
Auch bei einem simulierten „Praxistest“ bei Druckverhältnissen, Temperaturen, Gaskonzentrationen und UV-Strahlung wie auf dem Mars zeigte sich das Moos unbeeindruckt. Dieser extremophile Organismus ist nach den vorliegenden Studienergebnissen wohl einer der stressresistentesten Organismen unseres Planeten.
Offene Fragen bleiben
Laut den chinesischen Forscher:innen könnte das Moos wahrscheinlich außerhalb von Gewächshäusern auf dem roten Planten überleben. Als Pionierpflanze würde sie dann die Atmosphäre langfristig mit Sauerstoff anreichern und den Boden bereiten für die Ansiedelung weiterer Pflanzenarten. Ein Prozess, der als Terraforming schon in so manchem Sciencefictionroman oder -film die Phantasien der Menschen beflügelt hat. Doch ob sich das Moos tatsächlich stark genug auf der Oberfläche des roten Planeten vermehren und ausbreiten kann, ist noch längst nicht klar. Oder mit den Worten von Captain Jean-Luc Picard des Raumschiffts Enterprise: „Die Vergangenheit ist geschrieben, aber die Zukunft ist noch nicht in Stein gemeißelt.“
Quelle:
Li, Xiaoshuang et al. (2024): The extremotolerant desert moss Syntrichia caninervis is a promising pioneer plant for colonizing extraterrestrial environments. In: The Innovation, Volume 5 (30. Juni 2024). doi: 10.1016/j.xinn.2024.100657
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Titelbild: Das Moos Syntrichia caninervis, einer der stressresistentesten Organismen unseres Planeten. (Bildquelle: © Sheri Hagwood hosted by the USDA-NRCS PLANTS Database / Wikipedia)