Kuriose Pflanzenwelt: Die Gympie-Gympie
Das Geheimnis der brennenden Blätter
Die unscheinbare Gympie-Gympie, auch bekannt als australische Brennnessel, mag auf den ersten Blick harmlos wirken. Doch dieser trügerische Eindruck verschwindet schnell, wenn man ihr zu nahekommt. Diese Pflanze, heimisch in den Regenwäldern Australiens und Teilen Südostasiens, ist berüchtigt für die intensiven Schmerzen, die der Kontakt mit ihr auslösen kann und die oft über Tage bis Monate anhalten. Ihr Geheimnis? Der Giftstoff Moroidin.
Die Pflanze und ihre Wirkung
Gympie-Gympie (Dendrocnide moroides) gehört zur Familie der Brennnesselgewächse und ist von haarfeinen Nadeln bedeckt. Diese Nadeln wirken wie winzige Injektionsnadeln, die beim geringsten Kontakt den Giftstoff Moroidin in die Haut abgeben. Das Ergebnis ist ein brennender Schmerz, der so intensiv ist, dass Berichte von betroffenen Menschen und Tieren geradezu legendär sind. Manche beschreiben das Gefühl, als würde man gleichzeitig von Säure verbrannt und von elektrischen Schocks getroffen.
Moroidin, das aktive Toxin, ist ein komplexer chemischer Stoff, der sowohl neurotoxische als auch zytotoxische Wirkungen zeigt. Es löst nicht nur eine sofortige Schmerzreaktion aus, sondern kann auch langanhaltende Nervenschäden verursachen. Die Haare der Pflanze bleiben oft in der Haut stecken und setzen das Toxin wiederholt frei, was die Heilung erschwert.
Legenden und Warnschilder
Die Gefährlichkeit der Gympie-Gympie ist so bekannt, dass sie in ihrer Heimat nicht selten mit Warnschildern markiert wird. Geschichten ranken sich um Pferde, die nach Kontakt mit der Pflanze panisch davonstürmten, nur um kurz darauf an Erschöpfung und Schock zu sterben. Ein Förster soll Berichten zufolge so starke Schmerzen nach dem Kontakt mit der Pflanze erlitten haben, dass er sich aus Verzweiflung in die betroffene Stelle schoss. Es müssen unerträgliche Qualen sein, die die Gympie-Gympie verursacht. Sogar Schutzkleidung scheint nicht immer ausreichend zu sein, da die feinen Nadeln oft Wege durch die Textilien finden.
Moroidin zur Heilung
Trotz ihrer Schrecken hat die Gympie-Gympie auch das Interesse der Wissenschaft geweckt. Moroidin, der Hauptwirkstoff, wird wegen seiner potenziellen medizinischen Anwendungen intensiv erforscht. Dieser bicyclische Peptid-Wirkstoff kann nicht nur Tumorzellen gezielt angreifen, indem er an Tubulin bindet und die Zellteilung verhindert, sondern auch als Modell für innovative Krebstherapien dienen. Ein Team des MIT hat kürzlich eine Methode entwickelt, um Moroidin durch genetisch modifizierte Tabakpflanzen zu synthetisieren, wodurch die Herstellung in größerem Maßstab ermöglicht wird. Darüber hinaus könnten modifizierte Versionen des Moleküls als Schmerzmittel dienen, da sie möglicherweise neue Wege zur Erforschung und Blockierung von Schmerzrezeptoren eröffnen.
Die Gympie-Gympie steht für die faszinierende und oft zwiespältige Beziehung zwischen Mensch und Natur, in der selbst die schmerzhaftesten Erfahrungen wertvolle wissenschaftliche Erkenntnisse liefern können.
Quellen:
- DeVore, A. C. und McGovern, T. W. (2023): Botanical Briefs: Australian Stinging Tree (Dendrocnide moroides). In: Cutis 112(5) (November 2023). doi: 10.12788/cutis.0885
- Kersten, R. D. et al. (2022): Gene-Guided Discovery and Ribosomal Biosynthesis of Moroidin Peptides. In: Journal of the American Chemical Society, Vol. 144/17. doi: 10.1021/jacs.2c00014
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Titelbild: Australische Brennnessel (Dendrocnide moroides): Gefährliche Pflanze mit brennenden Haaren, bekannt als Gympie-Gympie, wächst in Australien als Strauch oder Baum. (Bildquelle: © Cgoodwin, eigenes Werk / Wikipedia, CC BY 3.0)