Kuriose Pflanzenwelt: Feigenbaum
Wasserversorgung aus bis zu 120 Meter Tiefe
Die Wüste ist ein extrem lebensfeindlicher Lebensraum und auf den ersten Blick karg und leblos. Doch immer wieder haben es Spezialisten unter den Pflanzen geschafft, diesen Umweltbedingungen zu trotzen. Ein Kandidat ist der Feigenbaum: Seine Wurzeln treibt er bis zu 120 Metern in den Boden, um an Wasser zu gelangen. Weltrekord!
Um in der Wüste bei sengender Hitze und spärlichen Niederschlag zu überleben, haben Pflanzen ganz unterschiedliche Taktiken entwickelt. Ein solcher Überlebenskünstler ist der Feigenbaum. Er ist als Wildpflanze hauptsächlich in Südafrika beheimatet und wächst teilweise auf nacktem Gestein.
Wie kommt der Feigenbaum an das überlebenswichtige Wasser?
Einige Wüstenpflanzen speichern den seltenen Niederschlag in ihren Blättern und Wurzeln und haben wirksame Mechanismen entwickelt, ihren Wasserverlust zu minimieren: Extrem starke Wachsschichten auf den Blättern verhindern das Verdampfen ihres Wasserspeichers. Außerdem haben sie oft ihre Blattoberflächen stark verkleinert, um der Sonne möglichst wenig Angriffsfläche zu bieten.
Nicht so der Feigenbaum – er möchte aus dem Vollen schöpfen. Dazu hat er sein Wurzelsystem optimiert. Die meisten seiner Wurzeln dienen lediglich zur Verankerung des Stamms auf dem harten Gestein. Diese Wurzeln wachsen auf der Erdoberfläche und krallen sich an den Untergrund. Doch ein einzelner Wurzelstrang von zehn bis zwanzig Zentimeter Durchmesser hat eine andere Aufgabe: Er ist der „Tiefenbohrer“ der Pflanze und wächst geradewegs nach unten und erreicht Tiefen bis zu 120 Meter. Er hört erst auf zu wachsen, wenn er auf Grundwasser gestoßen ist. Dann leitet er pro Tag 25 Liter Wasser hinauf zu Stamm und Blättern.
Wie lange braucht die Wurzel, um Grundwasser zu erreichen?
Sehr lange. Man hat berechnet, dass die „Rekord-Wurzel“ 70 Jahre lang wachsen musste, um in 120 Meter Tiefe zu gelangen. Denn sie bahnt sich ihren Weg nicht durch weichen Boden, sondern durch hartes Gestein. Sie sucht Felslücken und poröse Bereiche, durch die sie schneller wachsen kann. Aber oft hilft nur ein schleimiges Sekret, das die Wurzel an ihrer Spitze abgibt und die Gesteinsschichten langsam zersetzt.
Woher weiß man, dass die Wurzeln so tief wachsen?
Reiner Zufall. Keiner hat versucht, die Wurzeln auszugraben – das wäre zu viel Arbeit. Aber in Südafrika gibt es ein tiefes Höhlensystem – die Echo Calvas. Hier haben Forscher die Wurzeln von Feigenbäumen entdeckt. Teilweise verlaufen die Wurzeln hier durch die Höhlenkammern bis sie wieder in den Untergrund verschwinden.
Warum ist das Wurzelsystem der Feigenbäume auch für Pflanzenforscher:innen interessant?
Auch Kulturpflanzen sind abhängig von einem optimierten Wurzelsystem und der Feigenbaum dient sozusagen als Vorbild. Gerade in Zeiten des Klimawandels haben Weizen, Gerste und Co immer mehr Mühe, ausreichend Wasser aufzunehmen. Damit diese Pflanzen Trockenperioden besser überstehen, möchten Forscher:innen deren Wurzelwerk verstärken. Hier gibt es bereits erste Erfolge. Durch einen gezielten Eingriff in den Hormonhaushalt verdoppelten Gerstenpflanzen ihre Wurzelmasse und -ausdehnung. Hier gibt es mehr Informationen dazu.
Quelle:
Trautmann, A. (2018): Geheimnisvolle Pflanzenwelt – Verborgenes in der Natur entdecken. Mainz: Andrea Michaela Trautmann, ISBN 978-1-9770-1914-1.
Zum Weiterlesen:
- Über kurz oder lang - Wie Pflanzen ihr Wurzelwachstum steuern
- Dürrestress, ade! - Forschungsprojekt TERTIUS soll Weizen gegen den Klimawandel wappnen
Titelbild: Der Feigenbaum ist ein Überlebenskünstler in der Wüste. (Bildquelle: © iStock.com/pum_eva)