Leaftronics
Biologisch abbaubare Leiterplatten auf Basis von Blattskeletten sollen Elektroschrott verringern
Eine Leiterplatte aus einem pflanzenbasierten Substrat könnte nicht nur eine Menge Elektroschrott vermeiden, sondern auch das Klima schonen. In einer Studie haben deutsche Forscher:innen jetzt den Machbarkeitsnachweis erbracht.
62 Millionen Tonnen – so viel Elektronikschrott fiel weltweit im Jahr 2022 an. Nicht einmal ein Fünftel davon wurde recycelt. Ein wesentlicher Grund dafür ist das Substrat, aus dem die Leiterplatten bestehen und an dem die eigentlichen elektronischen Komponenten befestigt sind: Es macht bis zu 60 Prozent der Masse einer vollständigen ausgestatteten Leiterplatte aus. Als Substrat kommen meist robuste Kunststoffe oder Glasfasern zum Einsatz, die durch Epoxidharz verstärkt werden. Dieses Verbundmaterial ist dann weder recyclingfähig noch biologisch abbaubar. Jetzt haben Forscher:innen der TU Dresden eine biobasierte und kompostierbare Alternative vorgestellt.
Inspiriert von einem Magnolienbaum
Die Idee kam Rakesh Nair, als er eines Tages aus dem Institutsfenster blickte und dabei auf einen großen Magnolienbaum schaute. Papier hatte der Physiker da als Alternative bereits verworfen, weil dessen Herstellung viel Wasser benötigt und Schadstoffe produziert. Aber warum nicht pflanzliche Blätter verwenden?
Ein Blattskelett besteht aus Lignocellulose und verleiht Blättern eine sehr hohe Stabilität – selbst Orkane überstehen sie. Nair nahm kurzerhand Magnolienblätter und trennte chemisch die Blattzellen vom Blattskelett. Die so entstandenen Lücken füllte der Forscher durch eine einfache Tauchbeschichtung mit Ethylcellulose, einem robusten, aber biologisch abbaubaren Polymer. Zusätzliche Beschichtungen, etwa mit Chitosan, verbesserten die Haftung für leitfähige Tinten. Auch Chitosan ist biobasiert und biologisch abbaubar.
Flexibel, transparent und kompostierbar
Auf diese Weise entstand ein geeigneter Träger für Leiterplatten: flexibel, mehr als 80 Prozent lichtdurchlässig und kompostierbar. Die Lichtdurchlässigkeit ist besonders für optoelektronische Bauteile wie Solarzellen, Displays und Touchscreens wichtig.
Das Substrat ist zudem hitzebeständig bis über 200 Grad Celsius und damit kompatibel mit dem herkömmlichen Reflow-Löten, mit dem elektronische Bauteile auf den Platten fixiert werden. Die Oberflächenrauheit wurde auf unter sechs Nanometer reduziert, was das Material sogar für Dünnschichttechnologien geeignet macht. Additive Fertigungsmethoden wie Tintenstrahl- oder Siebdruck können ebenfalls problemlos eingesetzt werden.
Erste Praxistests
Die Forscher:innen konnten bereits zeigen, dass sich Mikrocontroller-basierte Schaltungen und optoelektronische Bauteile wie Photodioden und elektrochemische Transistoren erfolgreich in das biobasierte Substrat integrieren lassen. Dabei zeigte sich aber auch, dass vor einer kommerziellen Nutzung noch technische Aspekte optimiert werden müssen. Ob am Ende wirklich alle Industriestandards erfüllt werden können, bleibt abzuwarten.
Ein großer Vorteil des Substrats: Es beginnt innerhalb eines Monats in einem Komposthaufen zu zerfallen. Zusätzlich haben die Forscher:innen ein Verfahren entwickelt, mit dem Edelmetalle und elektronische Bauteile mithilfe milder Säure und bei Raumtemperatur vom Substrat getrennt werden können. Alle Komponenten lassen sich so recyceln oder kompostieren.
Einfach, günstig, umweltfreundlich
Die Herstellung des Substrats basiert auf einfachen, etablierten Verfahren und kostengünstigen Rohstoffen – im Gegensatz zu synthetischen biologisch abbaubaren Polymeren wie PLA. Der CO₂-Fußabdruck des neuen Substrats ist etwa zehnmal niedriger als der herkömmlicher Substrate.
Die Nachhaltigkeit des Materials könnte die Elektronikindustrie revolutionieren. Während elektronische Geräte oft bewusst kurzlebig designt werden, könnte der Einsatz biologisch abbaubarer Substrate zumindest die Menge an Elektroschrott
Quelle:
Nair, R. R., et al. (2024): Leaftronics: Natural lignocellulose scaffolds for sustainable electronics. In: Science Advances, Vol. 10, Iss. 45 (8. November 2024). doi: 10.1126/sciadv.adq3276.
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Titelbild: Das Blattskelett dient als Grundgerüst für das Leiterplattensubstrat. (Bildquelle:© Krümelomat / Wikimedia, CC-BY-SA-3.0)