Lebensbasis Pflanze oder doch Lebensbasis Mensch?

Pflanzen und Menschen beeinflussen sich gegenseitig

18.02.2015 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Die Erschließung der Knollengewächse, brachte mehr Kalorien für den Mensch und seine Entwicklung. (Bildquelle: © iStock.com/Alfaproxima)

Die Erschließung der Knollengewächse, brachte mehr Kalorien für den Mensch und seine Entwicklung. (Bildquelle: © iStock.com/Alfaproxima)

Pflanzen liefern uns Nahrung und schaffen in vielerlei Hinsicht die Voraussetzung für höheres Leben - inklusive der menschlichen Existenz. Menschen haben Pflanzen ihrerseits seit Jahrtausenden verändert und zu dem geformt, was die Menschheit heute ernährt, Kulturpflanzen. Welche Pflanzen jedoch von uns genutzt, aber auch welche geschützt werden, wird nicht nur durch die Landwirtschaft, sondern auch durch Kultur, Religion und Mythen beeinflusst.

Der Siegeszug des Menschen ist in seiner Anpassungsfähigkeit an neue Lebensräume, aber auch an neue Nahrungsquellen begründet. Die Erschließung einer großen Bandbreite von Nährstoffquelle ist eine Grundvoraussetzung für die evolutionäre Erfolgsgeschichte Mensch. Diese wiederum haben viel mit den Möglichkeiten zu tun, welche uns unser Gehirn ermöglicht. Auf der einen Seite steht der immense Energiehunger dieses Organs. Auf der anderen stehen Analytik, Kreativität und Innovationen. Ein Beispiel ist das Erlernen des Kochens. Aber auch die Domestizierung von Pflanzen und Tieren ist es zu verdanken, dass der Homo erectus sich gegenüber seinen Konkurrenten, wie dem Neandertaler, durchsetzten konnte. Aber auch andere Veränderungen spielten entscheidend mit.

Genveränderungen sichern die Anpassungsfähigkeit

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Die „Großen Fünf“, Weizen, Mais, Reis, Maniok und Soja, sind die Hauptanbauprodukte der Welt.

Die „Großen Fünf“, Weizen, Mais, Reis, Maniok und Soja, sind die Hauptanbauprodukte der Welt.

Bildquelle: © iStock.com/ Susoy

Forscher haben die Genome von modernem Mensch, Neandertaler, einem unbekanntem Vorfahren, dem Denisovan, und Schimpansen verglichen. Sie fanden heraus, dass zwei Gene für den bitteren Geschmack in allen drei humanen Genomen verloren gegangen sind. Im Genom des Schimpansen existieren sie aber noch. Diese, in den Genomen verankerte Geschmacksveränderung, ging mit einer anderen zeitgleiche Entwicklung einher, der Entdeckung des Kochens. Beide Veränderungen in Kombination ermöglichten es neue Nahrungsquelle, wie die Knollengewächse - z. B. die Kartoffel, zu erobern.

Eine weitere genetische Veränderung im modernen Menschen, half ihm sich noch besser anzupassen und ein breiteres Nahrungsspektrum zu erschließen. Im Vergleich zum Neandertaler besitzt der moderne Mensch mehr als sechs Kopien des Amylase Gens. Dieses kodiert für das Enzym Amylase, welches Mehrfachzucker wie Stärke in Einfachzucker zersetzt. Dies lässt vermuten, dass es dem modernen Menschen möglich war mehr Kalorien aus seiner Nahrung zu gewinnen, was wiederum ein verstärktes Wachstum des Gehirns zuließ und zu erhöhter Intelligenz führte.

Schaffen wir der Pflanze eine Lebensbasis?

In den letzten 100 Jahren haben die Menschen vermehrt bestimmte Pflanzenarten angebaut und ihre Verbreitung gefördert. Die „Großen Fünf“, Weizen, Mais, Reis, Maniok und Soja, sind die Hauptanbauprodukte der Welt. Allein Weizen und Reis sichern 40 Prozent der Kalorienversorgung der Menschheit. Die Reduzierung auf diese fünf Pflanzenarten sichert die Nahrungs-Grundversorgung, aber dadurch verdrängen wir nicht das Gesamtgefüge in der Natur, sondern machen uns auch von Ihnen abhängig. Diese Einseitigkeit und Verarmung der Diversität, der Vielfalt in der Landwirtschaft, birgt Risiken. Geringe Ernten, Missernten oder Naturkatastrophen gefährden diese Nahrungsmittel-Grundversorgung. Wie für Mobiltelefone, Autos, Maschinen und andere Produkte sind auch die Märkte für Agrarprodukte global und puffern diese Risiken durch regionale Einflussfaktoren ab. 

Fenster in die Kulturgeschichte

Die Ethnobotanik lehrt uns vom Zusammenleben von Mensch und Natur, nun schon seit über 100 Jahren. Sie erforscht die Bedeutung, die die Pflanzenwelt für die menschliche Kultur hat und versucht, die Interaktionen in Bezug auf Nahrungssicherheit, Klimaänderungen, Artenkonservierung und Gesundheit zu beschreiben. Traditionelles Wissen über Wildpflanzen wird von Generation zu Generation weiter gegeben und beeinflusst das Überleben von Kulturkreisen in Zeiten der Knappheit.

Welche Rolle die Kultur auf das ethnobotanische Wissen hat, haben Forscher in einer aktuellen Studie beispielhaft im europäischen Raum anhand von zwei verschiedenen Völkern in Albanien untersucht. Diese Völker unterscheiden sich in ihrer Kultur und Sprache, aber beide leben im selben Gebiet. Die Forscher nahmen an, dass beide Völker, aufgrund des gemeinsamen Ökosystems in dem sie leben, auch die gleichen Pflanzen für ihren täglichen und medizinischen Gebrauch nutzen. Jedoch zeigte sich genau das Gegenteil. Die beiden Völker nutzten die Pflanzen in ihrem Ökosystem auf verschieden Art und Weise. Abhängig von ihrer Kultur, ihren Gebräuchen und Ritualen wurden den Pflanzen ganz verschiedene Bedeutungen beigemessen. Die Weide, zum Beispiel, ist für das eine Volk von großer kultureller Bedeutung und nimmt eine Schlüsselrolle in ihren Ritualen und der gesellschaftlichen Identität ein, während derselbe Baum in der anderen Kultur keinerlei Beachtung geschenkt wird.

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Die Silber-Weide (S.alba) spielt eine Schlüsselrolle in der Kultur des Gorani-Volkes in Albanien.

Die Silber-Weide (S.alba) spielt eine Schlüsselrolle in der Kultur des Gorani-Volkes in Albanien.

Bildquelle: © Oliver Mohr/ pixelio.de

Kulturelle Unterschiede

Aufgrund kultureller Unterschiede, messen wir Pflanzen verschiedene Wertigkeiten zu. Diese Wertigkeit bestimmt auch das Überleben bzw. das Aussterben von Pflanzenarten. Damit nimmt der Mensch auch durch Kultur, Religion, Rieten und Gebräuchen Einfluss auf die Diversität und die Struktur der Ökosysteme. Andererseits bedeutet der Verlust einer Art nicht nur einen unwiederbringlichen Verlust für das Ökosysteme und die Natur, sondern auch von Kulturgeschichte. Die Ethnobotanik bietet uns ein Fenster in die kulturelle Geschichte von Menschen und Pflanzen und ermöglicht uns, kulturelles Wissen über Pflanzen zu erhalten und zu schützen. Vergessene Pflanzen können so zurück ins Bewusstsein geholt werden und ihnen kann eine neue Wertigkeit verliehen werden.

Was wir noch lernen können

Die Ethnobotanik ist somit auch ein Ansatz, um kulturelle Aspekte, aber auch die Biodiversität zu erhalten. In dieser Veröffentlichung konnten die Forscher zeigen, wie die Kultur die Wertigkeit von Pflanzen beeinflusst und wie der Mensch den Pflanzen den Erhalt und die Verbreitung ermöglichen. Interessant wäre auch herauszufinden, inwiefern sich die spezielle medizinische Nutzung einzelner Pflanzen in den verschieden Völkern unterscheidet. Bisher konnten die Forscher nur die generellen Unterschiede in der Nutzung der Arten bestimmen. Doch die möglichen Unterschiede in der medizinischen Verwendung könnten zu neuen Anwendungsbereichen für die Pflanzen und zu potenziellen neuen Medikamenten führen. In den kulturell verankerten Erfahrungen liegt mit Sicherheit ein großer Schatz, der zum Wohle der Menschheit genutzt werden kann. Erfahrungen - die sich über historische Zeiträume herausgebildet haben - zu erhalten und nutzbar zu machen, ist auch eine Aufgabe von Wissenschaft und Forschung.


Quellen:

  • Quave, C.L. und Pieroni, A. (2015): A reservoir of ethnobotanical knowledge informs resilient food security and helath strategies in the Balkans. In: Nature Plants, Vol 1 (14021), (02. February 2015), doi: 10.1038/NPLANTS.2014.21.
  • Perry, G.H. (2015): Insights into hominin phenotypic and dietary evolution from ancient DNA sequence data. In: Journal of Human Evolution, Vol. 79 (p. 55-63), (03. January 2015), doi:10.1016/j.jhevol.2014.10.018.

Zum Weiterlesen:

Titelbild: Die Erschließung der Knollengewächse, brachte mehr Kalorien für den Mensch und seine Entwicklung. (Bildquelle: © iStock.com/Alfaproxima)