Lösungen für den kultivierten Planeten

24.10.2011 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Intensive Landwirtschaft mit Nebenwirkungen. (Quelle: © iStockphoto.com/ Dmitry Kalinovsky)

Intensive Landwirtschaft mit Nebenwirkungen. (Quelle: © iStockphoto.com/ Dmitry Kalinovsky)

Die Landwirtschaft beeinträchtigt Wasser, Artenvielfalt und Klima. Doch die negativen Einflüsse ließen sich verringern – bei verdoppelten Erträgen.

Es ist seit vielen Jahren unstrittig: Der Ackerbau steigert kontinuierlich seine Produktivität, und dennoch bekommen weltweit noch immer eine Milliarde Menschen nicht genug Nahrung. Obendrein ist der Ernährung mit der energetischen und stofflichen Biomassenutzung ein mächtiger Konkurrent um Ackerflächen erwachsen. Dabei führt schon die heutige Produktion zu Erosion, Boden- und Gewässerbelastung und Klimaerwärmung. Das muss so nicht sein, folgern US-Forscher in „Nature“ nach einer umfassenden Analyse globaler Daten. Die Landwirtschaft könnte ihre Erträge verdoppeln und trotzdem ökologisch nachhaltiger werden, lautet das Fazit der Studie – und das, ohne Ackerflächen auszuweiten.

Denn schon heute bedecken landwirtschaftliche Nutzflächen 38 Prozent der eisfreien Erdoberfläche, fast fünf Milliarden Hektar. Viel mehr ginge nicht, da die übrige Fläche weitgehend entweder von Städten oder Naturschutzgebieten bedeckt bzw. als Wüste, Tundra oder Gebirge für die Landwirtschaft ungeeignet ist.

Während damit die bewirtschaftete Fläche zwischen 1985 und 2005 um drei Prozent gewachsen ist, sind die Erträge im selben Zeitraum um fast die Hälfte in die Höhe geschossen – zumindest für ausgewählte, häufige Nutzpflanzenarten. Betrachtet man alle 174 Arten, die die Welternährungsorganisation statistisch erfasst, sinkt der Zuwachs auf 28 Prozent. Abzüglich des Flächenzuwachses und der Effekte durch Mehrfachernten auf einer Fläche bleibt ein jährlicher Ertragszuwachs von unter einem Prozent. Gegenüber dem Zeitraum von 1965 bis 1985 hat sich der jährliche Zuwachs somit um fast zwei Drittel verringert. Um bis 2050 den globalen Ertrag zu verdoppeln, wie es viele Experten für notwendig halten, verlangt es daher dramatische Effizienzgewinne, wie sie der langjährige Trend nicht hergibt.

Potenziale nutzen veränderte Gewohnheiten 

Doch genau das soll möglich sein, schreiben die Autoren. Ihre Analyse hat gezeigt, dass auf zahlreichen Ackerflächen niedrigere Erträge erzielt werden als vergleichbaren Flächen zufolge möglich sein muss. Würden alle Felder der 16 wichtigsten Nahrungs- und Futterpflanzen mit 95 Prozent ihres Potenzials bewirtschaftet, erhöhten sich die Ernten weltweit um 2,3 Milliarden Tonnen – 58 Prozent. Selbst wenn nur 75 Prozent des Potenzials konsequent erreicht würden, stiegen die Erträge um ein Viertel.

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Die heutige Landwirtschaft steigert ihre Produktivität - aber noch nicht genug. Und die intensive  Landbewirtschaftung hat Nebenwirkungen: Erosion, Boden- und Gewässerbelastung und Klimaerwärmung.

Die heutige Landwirtschaft steigert ihre Produktivität - aber noch nicht genug. Und die intensive  Landbewirtschaftung hat Nebenwirkungen: Erosion, Boden- und Gewässerbelastung und Klimaerwärmung.

Bildquelle: © iStockphoto.com/ Sascha Burkard

Neue Ackerflächen zu entwickeln, halten die Autoren für den falschen Weg. Zum einen wurden bereits 70 Prozent allen Graslands, 50 Prozent aller Savannen, 45 Prozent der Laubwälder und 27 Prozent der Tropenwälder zu Acker- oder Weideland konvertiert. Zum anderen erweisen sich die neuen Flächen, meist aus früheren Tropenwäldern gewonnen, selten als produktiv.

Wichtiger sei eine Veränderung unserer Gewohnheiten. Es müsse gelingen, dass weniger Ernte auf dem Weg zum Produkt verloren geht, und dass weniger Lebensmittel im Müll landen, fordern die Forscher. Vor allem aber kritisiert die Analyse den hohen Anteil der Viehhaltung an der gesamten Landwirtschaft. 350 Millionen Hektar Acker für Futtermittel und 3,38 Milliarden Hektar Weideflächen addieren sich zu eindrucksvollen 75 Prozent der gesamten landwirtschaftlich genutzten Fläche. Da jedoch bis zu sieben pflanzliche Kalorien nötig sind, um eine tierische Kalorie zu erzeugen, schlummert hier viel Potenzial: Würden die 16 wichtigsten Ackerpflanzen allein für die menschliche Ernährung angebaut, erhöhte sich die globale Nahrungsproduktion um 28 Prozent, in Lebensmittelkalorien ausgedrückt sogar um rund die Hälfte.

Wenn dann noch die Bewässerung optimiert würde – 80 bis 90 Prozent der verbrauchenden Süßwasserentnahme dient der Landwirtschaft –, und Landwirte angemessen zum Dünger greifen würden – in weiten Regionen fehlt es an Nährstoffen, während andere Felder massiv überdüngt sind –, dann könnte der globale Ertrag um bis zu 180 Prozent gesteigert werden bei sinkendem Wasserverbrauch, weniger Umweltbelastungen, keiner weiteren Verringerung der Artenvielfalt und weniger klimawirksamen Gasemissionen.

Lokale Anpassung statt „Weltsorten“

Und die Pflanzenzüchtung? Die taucht im Nature-Artikel eher in Nebensätzen auf. So sollte sie vor allem neue Arten erschließen, die von Natur aus wichtige Eigenschaften besitzen oder an lokale Verhältnisse gut angepasst sind, aber noch nicht züchterisch oder gentechnisch ertragsoptimiert wurden. Außerdem empfehlen die Autoren, technologieneutral transgenen, konventionellen und ökologischen Anbau voranzutreiben – alle hätten ihre Berechtigung.

Das Potenzial der Pflanzenforschung und -züchtung für die Welternährung geht jedoch darüber hinaus. Bewährte ertragsstarke Sorten können und müssen an das sich ändernde Klima angepasst werden – um bei uns Verluste in Folge des Klimawandels zu verhindern und in bereits heute wärmeren Regionen neue leistungsstarke Sorten zu etablieren. Mit dem Klimawandel und dem internationalen Handel kommen auch immer neue Schädlinge in Regionen, in denen sie bislang unbekannt waren und die Pflanzen schutzlos sind. In diesen Fällen ist eine schnelle Resistenzzüchtung gefragt.

Außerdem können Pflanzen so optimiert werden, dass sie knappe Ressourcen in maximale Erträge umwandeln – beispielsweise durch ein besseres, pflanzeneigenes Wasser- oder Nährstoffmanagement. Und gezielte Veränderungen der pflanzlichen Zellstruktur ermöglichen höhere stoffliche oder energetische Ausbeuten bei gleicher Ackerfläche – was mehr verfügbare Flächen für den Nahrungsanbau bedeutet.


Quelle:

Jonathan A. Foley et al. (2011): Solutions for a cultivated planet; Nature (478) S. 337–342, DOI:10.1038/nature10452 (Abstract).

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