Mehr CO2 gleich mehr Ertrag?

FACE-Experimente dokumentieren Einflüsse weiterer Umweltfaktoren

10.11.2020 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Die Erkenntnisse aus 30 Jahren FACE-Forschung haben Wissenschaftler in einer Metastudie zusammengefasst. (Bildquelle: © Carl Bernacchi/University of Illinois)

Die Erkenntnisse aus 30 Jahren FACE-Forschung haben Wissenschaftler in einer Metastudie zusammengefasst. (Bildquelle: © Carl Bernacchi/University of Illinois)

Die von Menschen verursachte Anreicherung von Kohlendioxid in der Atmosphäre nimmt stetig zu. Eine Atmosphäre mit mehr Kohlendioxid sollte es Pflanzen ermöglichen, mehr Kohlenstoff zu binden und stärker zu wachsen. Doch so einfach ist die Gleichung nicht, wie die Ergebnisse aus 30 Jahren Freiluft-Forschung zeigen. Die züchterischen Herausforderungen, um den Klimawandel zu meistern, sind entsprechend groß.

Die CO2-Konzentration in unserer Atmosphäre stieg von Beginn der Industrialisierung von ca. 280 ppm (parts per million) auf heute ca. 415 ppm, ein Zuwachs von knapp 50 Prozent. Wie reagieren Pflanzen auf die steigende Kohlendioxidkonzentration und welche Folgen hat das für unsere Lebensmittelversorgung? Diese Fragen sind nicht einfach zu beantworten, denn Forschungsergebnisse dazu aus dem Treibhaus oder aus offenen Kammern mit kontrollierten Umweltbedingungen lassen sich oft nur sehr eingeschränkt auf die Feldpraxis übertragen, wie Studien gezeigt haben.

Die beste Annäherung bieten sogenannte FACE-Experimente – „Free-air carbon dioxide enrichment“, zu Deutsch „Freiluftanreicherung von Kohlendioxid“. Diese spezielle technische Versuchsanordnung ermöglicht es, im Freiland erhöhte CO2-Konzentrationen zu simulieren, ohne dabei die anderen Umweltfaktoren des Freilands nennenswert zu beeinflussen. Die Erkenntnisse aus 30 Jahren FACE-Forschung haben Wissenschaftler in einer Metastudie zusammengefasst.

Stimmen die Erkenntnisse aus 2005 noch?

Bereits 2005 hatten die WissenschaftlerInnen eine erste Metaanalyse dazu veröffentlicht. Sie beschreibt, wie Pflanzen auf eine um 200 ppm erhöhte CO2-Konzentration reagieren. Damals war der Stand der Forschung, dass verholzende Pflanzen weit stärker von der erhöhten CO2-Konzentration profitieren können als krautige C3-Pflanzen. Ein positiver Effekt bei C4-Pflanzen zeigte sich nur unter Dürrebedingungen.

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"SoyFACE": In dieser FACE-Anlage werden an der Universität von Illinois die Auswirkungen steigender Kohlendioxidkonzentrationen auf Sojabohnensorten getestet. 

"SoyFACE": In dieser FACE-Anlage werden an der Universität von Illinois die Auswirkungen steigender Kohlendioxidkonzentrationen auf Sojabohnensorten getestet. 

Bildquelle: © James Baltz/University of Illinois

In Summe ergab sich jedoch ein Ertragsplus von bis zu 40 Prozent, wenn es keine weiteren Stressfaktoren gab. Kamen diese jedoch hinzu – insbesondere Stickstoffmangel oder zu viel Nässe – brach dieser Gewinn deutlich ein.

Weitere 15 Jahre später nun sind die Zusammenhänge in größerer Detailgenauigkeit bekannt. Während einige der damaligen Erkenntnisse bestätigt wurden, müssen andere differenzierter gesehen werden, manche sogar widerrufen. So liegt der Ertragszuwachs bei ideal versorgten C3-Pflanzen demnach im Mittel nicht bei 40, sondern lediglich bei 18 Prozent. Die wichtigen Getreide Reis und Weizen kommen sogar nur auf 14 Prozent und bei Mais ohne Dürrekonditionen sank sogar der Ertrag. Generell bestätigte sich der positive Zusammenhang von CO2-Anstieg und Ertragsplus bei Dürre im Fall von C4-Pflanzen. Doch das Ausmaß der positiven Korrelation von CO2-Anstieg und Ertragszuwachs bei verholzenden Gewächsen mussten die WissenschaftlerInnen nach unten korrigieren.

Wechselwirkung mit Stickstoffversorgung

Im Detail zeigte sich mit Blick auf die Nährstoffeinflüsse, dass eine unzureichende Stickstoffversorgung bei C3-Pflanzen unter erhöhten CO2-Werten etwa acht Prozent Ertrag kostet. Ursächlich könnte eine geringe Investition der Pflanzen in das Enzym RuBisCO sein. Allerdings sind die Studienergebnisse uneinheitlich – möglicherweise wegen unscharfer Definitionen, was „niedrige“ bzw. „ausreichende“ Stickstoffversorgung bedeutet.

Schon länger gibt es aber die Vermutung, dass erhöhte CO2-Werte das stöchiometrische Gleichgewicht der Nährstoffe stören könnten. Das bestätigt nun die Mehrheit der FACE-Studien für Weizen und Reis, die sechs bzw. acht Prozent ihres Proteingehalts verlieren. Kaum betroffen scheinen hingegen Leguminosen zu sein, die durch vermehrte Knöllchenbildung wohl den Mangel kompensieren können.

Auch für andere Nährstoffe wurde ein Rückgang unter erhöhten CO2-Konzentrationen beschrieben, insbesondere für Zink und Eisen. Dabei bewegt sich die Veränderung mit Werten zwischen drei und neun Prozent allerdings in Größenordnungen, um die die Nährstoffgehalte auch zwischen unterschiedlichen Kultursorten variieren. Ob die Ursache für den Nährstoffverlust in der verringerten Transpiration zu suchen ist, ist zunehmend strittig.

Einfluss der Temperatur

Mit dem Treibhausgas Kohlendioxid steigt zwangsläufig auch die Lufttemperatur an. Pflanzen schließen dann als Schutz vor Austrocknung verstärkt die Spaltöffnungen (Stomata). Dies führt dazu, dass weniger CO2 in die Blätter einströmen kann und die Photosyntheserate sinkt. Auch die Photorespiration erhöht sich bei steigenden Temperaturen und reduziert den Photosyntheseertrag. Andererseits könnte sich bei einigen Pflanzenarten, deren Wärmeoptimum bisher noch nicht erreicht ist, bei höheren Temperaturen auch ein günstigeres Verhältnis bei der RuBisCO-Aktivität zwischen Oxygenierung und Carboxylierung einstellen. Allerdings bedeutet auch hier eine erhöhte Photosyntheseaktivität nicht automatisch mehr Ertrag.

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Die SoyFACE-Anlage an der Universität von Illinois simuliert sich ändernde Niederschlagsmuster (1), Temperaturanstiege (2) sowie steigende Kohlendioxid-Konzentrationen (3).

Die SoyFACE-Anlage an der Universität von Illinois simuliert sich ändernde Niederschlagsmuster (1), Temperaturanstiege (2) sowie steigende Kohlendioxid-Konzentrationen (3).

Bildquelle: © University of Illinois

Tatsächlich zeigen bisherige Wetterdaten und Ertragsmessungen, dass in warmen Regionen ein Anstieg der Jahresdurchschnittstemperatur um nur ein bis zwei Grad bei Mais und Weizen den Ertrag halbieren kann. Für erhöhte CO2-Werte bestätigen die FACE-Studien diesen Effekt, wenn auch mit minus 14 Prozent in deutlich schwächerer Form. Soja hingegen entwickelte durch die Zusatzwärme Ertragsgewinne in dieser Größe. Eine andere Studie fand, dass wärmebedingte Ertragsgewinne oft vollständig zunichte gemacht werden, wenn die Pflanzen zum falschen Zeitpunkt von Hitzewellen getroffen werden.

Außerdem warnt die Metastudie vor einem Langzeiteffekt: Modelle zur Kohlenstoffdynamik im Boden zeigen, dass der infolge höherer CO2-Werte veränderte Stoffwechsel der Pflanzen zu einem schnelleren Kohlenstoffabbau im Boden führen kann und der Kohlenstoffgehalt im Boden in 100 Jahren um 15 Prozent sinken könnte.

Wie wirkt sich Dürre aus?

Einen genauen Blick wirft die Metastudie auch auf das Wechselspiel zwischen erhöhter CO2-Konzentration und der ebenfalls mit dem Klimawandel einhergehenden Zunahme von Dürren und trockenen Anbaujahren. Entgegen der Annahmen aus der ersten Metastudie zeigt sich inzwischen, dass C3-Pflanzen nur dann vom zusätzlichen Kohlendioxid profitieren können, wenn sie durchweg ausreichend bewässert werden.

Ebenfalls versuchte die Metaanalyse den Einfluss von Ozon zu klären. Allerdings gibt es hierzu kaum Daten. Diese wenigen Daten deuten darauf hin, dass ein Mehr an Kohlendioxid mit einem gewissen Schutz vor den Schäden durch Ozon einhergeht.

Mehr Schädlinge und Krankheiten

Nicht zuletzt hat eine veränderte Kohlendioxidkonzentration auch Folgen für die Interaktion mit Schädlingen und Krankheiten. Der sinkende Stickstoffgehalt der Pflanzen bewirkt, dass Schadinsekten mehr Pflanzenmaterial fressen müssen, um ihren Bedarf zu decken. Sie müssen also mehr Energie ausgeben, um sich mit Nährstoffen zu versorgen.

Die Vermutung, dass dies die Tiere schwächen würde, bestätigt sich in der Praxis der FACE-Studien jedoch nicht. Sowohl der Sojaschädling Papilla japonica als auch der Getreideschädling Oulema melanopus sowie von Reis lebende Nematoden richten bei erhöhtem CO2 deutlich mehr Schäden an. Analysen fanden als mögliche Ursachen eine reduzierte Expression von Abwehrsignalen der Pflanze, wärmere Blattoberflächen und eine erhöhte Emission volatiler organische Verbindungen, die Schädlinge anlocken.

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FACE-Anlage an der Hochschule Geisenheim: Hier werden Experimente an Sonderkulturen durchgeführt.

FACE-Anlage an der Hochschule Geisenheim: Hier werden Experimente an Sonderkulturen durchgeführt.

Bildquelle: © Martin Bahmann / wikimedia.org / CC-BY-SA-4.0

Was Krankheiten betrifft, ist die Studienlage je nach Kultur sehr unterschiedlich. Naheliegend wäre, dass weniger oder weniger weit geöffnete Stomata pathogenen Keimen das Eindringen erschweren. Ein solcher positiver Effekt fand sich etwa bei Soja für den Falschen Mehltau. Schäden durch den Pilz Pyricularia oryzae an Reis nehmen jedoch um bis zu 65 Prozent zu und Pilzschäden an Weizen vervierfachten sich sogar. Ursächlich könnten Veränderungen in der Blattstruktur sein. Gerste litt bis zu 34 Prozent stärker unter dem Gelbverzwergungsvirus – möglicherweise infolge stärkere Saugaktivitäten der virusübertragenden Blattläuse.

Mit steigenden CO2-Konzentrationen ändert sich auch das Zusammenspiel von Pflanze und Bodenmikrobiom. Vermutlich opfern Pflanzen mehr Kohlenstoff in Form von Zuckern an die Mikroorganismen, um durch deren Stoffwechselaktivitäten den eigenen Mangel an Stickstoff und anderen Nährstoffen zumindest teilweise zu kompensieren. Durch die erhöhte Kohlenstoffversorgung profitierten gramnegative Bakterien, saprotrophe Pilze und Mykorrhizapilze auf Kosten des Ertragszuwachses der Pflanzen.

Dringender Auftrag an die Züchtungsforschung

Was bedeutet das für die Pflanzenzüchtung? Bereits heute ist die CO2-Konzentration in der Atmosphäre um 220 ppm höher als zu der Zeit, in der sich die meisten heutigen Nahrungspflanzen evolutionär entwickelt haben. Viele pflanzliche Prozesse sind für Temperaturen und CO2-Konzentrationen optimiert, die schon jetzt überschritten sind.

Allerdings sehen die AutorInnen der Metastudie hinreichend genetische Variabilität zwischen den Kultivaren, um die für die Zukunft nötigen Anpassungen der Nahrungspflanzen vornehmen zu können. Das allerdings sei dringend nötig, nicht nur, um Ertragsverluste zu vermeiden, sondern auch um Fehl- und Mangelernährung bei der Weltbevölkerung infolge nährstoffärmerer Ernteprodukte vorzubeugen. Zu erreichen sei dies wohl nur durch gezielte gentechnische Veränderungen – beispielsweise des Enzyms RuBisCO – oder der Etablierung von Stickstofffixierung und Mykorrhizen in Nicht-Leguminosen. Dieser Züchtungsforschung müssten dann aber weit größere Anlagen zur Verfügung stehen, als es die heutigen FACE-Einrichtungen ermöglichen.


Quelle:
Ainsworth, E.A. und Long, S.P. (2020): 30 years of free-air carbon dioxide enrichment (FACE): What have we learned about future crop productivity and its potential for adaptation? In: Global Change Biology, (2. November 2020), doi: 10.1111/gcb.15375.

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Titelbild: Die Erkenntnisse aus 30 Jahren FACE-Forschung haben Wissenschaftler in einer Metastudie zusammengefasst. (Bildquelle: © Carl Bernacchi/University of Illinois)