Missglückter Feldversuch

Gentechnisch veränderter Weizen ist nicht wehrhafter

29.06.2015 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Im Antlitz der schwarzen Brackwespen geben die Blattläuse Pheromone ab, um sich untereinander zu warnen. Jedoch gelang es nicht, diesen natürlichen Mechanismus auf Weizen zu übertagen. (Bildquelle: © Matina Tsalavouta / Rothamsted Research)

Im Antlitz der schwarzen Brackwespen geben die Blattläuse Pheromone ab, um sich untereinander zu warnen. Jedoch gelang es nicht, diesen natürlichen Mechanismus auf Weizen zu übertagen. (Bildquelle: © Matina Tsalavouta / Rothamsted Research)

Im Labor sah alles vielversprechend aus. Doch auf dem Feld konnte eine Pheromon-produzierende Weizenart die Blattläuse nicht abwehren. Nun suchen Wissenschaftler nach den Gründen und nach weiterentwickelten Forschungsansätzen.

Negative Ergebnisse sind für Wissenschaftler oft wenig rühmlich, aber genau so wichtig wie Erfolge. Leider verzichten viele Forscher darauf, misslungene Versuche zu veröffentlichen und damit zur Diskussion zu stellen, so dass andere aus den Erfahrungen lernen können. Anders ging ein Wissenschaftlerteam aus England vor. Sie hatten in Rothamsted einen Feldversuch mit gentechnisch verändertem Weizen (Triticum aestivum) gestartet. Im Labor hatten die Forscher den Weizen so angepasst, dass er einen Duftstoff (Pheromon) ausscheiden kann, der Schädlinge abwehrt. Unter Laborbedingungen funktionierte die Abwehr von Blattläusen einwandfrei und vielversprechend. Im Feldversuch zeigte der „Duft“-Weizen jedoch nicht die erwünschte Wirkung.

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So wie die Blattläuse Weizen lieben, so sehr fürchten sie die Brackwespe (Hymenoptera braconidae), die ihre Eier bevorzugt in den Läusen ablegt. Um sich gegenseitig zu warnen, geben die Läuse Pheromone ab.

So wie die Blattläuse Weizen lieben, so sehr fürchten sie die Brackwespe (Hymenoptera braconidae), die ihre Eier bevorzugt in den Läusen ablegt. Um sich gegenseitig zu warnen, geben die Läuse Pheromone ab.

Bildquelle: © James Lindsey / wikimedia.org/ CC BY-SA 3.0

Blattläuse: Eine Gefahr für Weizen

Blattläuse ernähren sich von Pflanzensaft und können bei Weizen zu erheblichen Ernteeinbußen führen. Manche Arten injizieren sogar ein Toxin, das die Blätter des Weizens ausdörren und einschrumpfen lässt. Auf diesen Blättern legen die Blattläuse bevorzugt ihre Eier ab. Andere Blattlausarten übertragen Viren, die die Weizenpflanzen zusätzlich schwächen. Doch es gibt auch natürliche Feinde der Blattläuse. So legen beispielsweise parasitäre Wespen ihre Eier in den Läusen ab und töten sie dadurch.

Werden Blattläuse von solchen Wespen angegriffen, stoßen sie ein bestimmtes Pheromon aus, das ihre Artgenossen in der Nähe zum Fliehen veranlasst. Allerdings empfangen auch die Wespen dieses Signal und folgen ihren Opfern. Aber auch Pflanzen wie Hopfen (Humulus) oder Minze (Mentha piperita) bilden ähnliche Duftstoffe wie die Läuse. Ziel der Wissenschaftler war es, den doppelten Schutzmechanismus, Vertreiben und Anlocken, auf den Weizen zu übertragen. Könnte der Weizen diese Schädlinge selbst abwehren, hätte das gleich mehrere Vorteile: Landwirte könnten mit einem geringeren Pestizidverbrauch eine sichere Ernte einfahren. Das wiederum würde Böden und Grundwasser, aber auch das Portemonnaie der Landwirte schonen.

Pheromonabwehr in Weizen etabliert

Daher schauten die Wissenschaftler des Rothamsted Forschungsinstituts bei der Natur ab und übertrugen das Alarmsystem auf den Weizen. Dazu kreierten sie ein neuartiges Gen, das in ähnlicher Form in der Pfefferminze (Mentha piperita) vorkommt. Es codiert für das Pheromon E-beta-Farnesen (EBF). Dieses Gen veränderten die Forscher so, dass es auch im Weizen abgelesen wird. Das ist beim hexaploiden Genom des Weizens, bei dem jedes Chromosom gleich sechs Mal vertreten ist, keine leichte Aufgabe.

Kostspieliger Schutz

Die Laborversuche lieferten vielversprechende Ergebnisse: Der neue Weizen konnte drei verschiedene Blattlausarten abwehren und lockte parasitäre Wespen erfolgreich an. Im Jahr 2012 wollten die Wissenschaftler ihre Weizenpflanzen in einem Feldversuch testen. Doch Gentechnikgegner drohten damit, die Pflanzen zu zerstören. Nach einem Aufruf an die Öffentlichkeit konnten die Forscher ihren Versuch zwar fortsetzen, mussten aber 2,2 Millionen englische Pfund in eine Umzäunung und erhöhte Sicherheitsmaßnahmen investieren – dreimal mehr, als das Forschungsprojekt in den fünf Jahren bis dahin gekostet hatte.

Auf dem Feld keine Abwehr

Die Forscher säten den gentechnisch veränderten Weizen zusammen mit Kontrollweizen auf 16 Parzellen von jeweils sechs Quadratmetern. Im Feld wurden die Pflanzen absolut gleich behandelt. Auch der Schädlingsdruck wurde nicht künstlich erhöht, sondern der Natur überlassen. Der gentechnisch veränderte Weizen konnte die Blattläuse nicht mehr wie im Gewächshaus erfolgreich in die Flucht schlagen. Die Anzahl der Tiere auf den gentechnisch veränderten Pflanzen und den Kontrollpflanzen unterschied sich nicht signifikant. Welche Gründe können für das ernüchternde Ergebnis verantwortlich sein?

Das Wetter ist ein wichtiger Faktor. Vom Wetter hängt nicht nur das Wachstum der Weizenpflanzen, sondern auch das der Läuse ab. Die Sommer in den beiden Versuchsjahren 2012 und 2013 waren in Rothamsted vergleichsweise kalt und nass. Kein optimales Läusewetter, denn die Tiere vermehren sich unter solchen Bedingungen weniger als in trockenen und heißen Sommern. Den Effekt des Pheromons hätten die Forscher besser bei einem massiven Blattlausbefall testen können.

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Pflanzen wie die Pfefferminze (Mentha piperita) sind in der Lage, das spezielle Pheromon, mit dem sich die Blattläuse untereinander warnen, selbst herzustellen und abzugeben. Der Vorteil: Blattläuse halten gleich Abstand.

Pflanzen wie die Pfefferminze (Mentha piperita) sind in der Lage, das spezielle Pheromon, mit dem sich die Blattläuse untereinander warnen, selbst herzustellen und abzugeben. Der Vorteil: Blattläuse halten gleich Abstand.

Bildquelle: © Aleksa Lukic/ wikimedia.org/ CC BY 3.0

Dauersignal verpufft

Doch auch ein anderer Faktor könnte auf dem Feld problematisch sein: Die neuen Weizenpflanzen sind so konstruiert, dass sie das Abwehrpheromon ständig produzieren. In der Natur geben Blattläuse den Warnstoff aber nur dann ab, wenn sie angegriffen werden. „Wenn eine Warnung kontinuierlich ausgesprochen wird, hört wahrscheinlich keiner mehr auf sie“, erklären die Wissenschaftler das Problem.

Dass Blattläuse Pheromone, denen sie ständig ausgesetzt sind, irgendwann ignorieren, war den Forschern zwar aus Versuchen in Gewächshäusern bekannt. Sie hatten sich dennoch für diese Variante entschieden, weil sie sicherstellen wollten, dass die Pflanzen genügend Abwehrstoffe produzieren. Außerdem hofften die Forscher, dass die allzeit gegenwärtigen Pheromone bereits auf ins Feld fliegende Blattläuse eine abschreckende Wirkung haben würden. Doch der Feldversuch widerlegte diese Annahme.

Pulssystem oder Abwehr bei Angriff

Den Feldversuch wollten die Wissenschaftler nutzen, um das Abwehrsystem im Weizen weiter zu optimieren. In einem nächsten Schritt wollen sie den Weizen so verändern, dass die Pflanzen das Pheromon stoßweise abgeben, oder nur dann, wenn sie tatsächlich von Blattläusen attackiert werden. Es wird allerding noch mehrere Jahre dauern, bis die Wissenschaftler die Genschalter für die Freisetzung der Pheromone entdeckt und diese in den Weizen integriert haben.

„Alleine mit Pestiziden und züchterischen Weiterentwicklungen werden sich Schädlinge in Zukunft nicht in den Griff bekommen lassen, daher müssen wir unbedingt Ansätze wie diesen weiterverfolgen“, schreibt Pflanzenbiologin Ottoline Leyser von der University of Cambridge in einer Stellungnahme zur Forschungsarbeit.

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Im Zuge des Klimawandels wird auch der Druck durch Schädlingsbefall zunehmen. Eine weitere und ernsthafte Belastung neben steigenden Temperaturen, Temperaturschwankungen und Wetterextremen.

Im Zuge des Klimawandels wird auch der Druck durch Schädlingsbefall zunehmen. Eine weitere und ernsthafte Belastung neben steigenden Temperaturen, Temperaturschwankungen und Wetterextremen.

Bildquelle: © iStock.com/ idizimage

Zunahme des Schädlingsdrucks erwartet

Bereits heute gehen Experten von einer massiven Zunahme des Schädlingsbefalls durch den Klimawandel aus. So wie wir Menschen uns daran gewöhnen müssen, stärker als bisher mit Krankheiten konfrontiert zu werden, die bisher in Europa keine oder nur eine untergeordnete Rolle spielten. Genauso müssen auch unsere Kulturpflanzen lernen mit der sich schneller veränderten Umwelt zurechtzukommen.

Der Feldversuch in Rothamsted ist ein neuer Ansatz, die Pflanzenabwehr mit Hilfe eines natürlichen Systems, in diesem Fall ein Lockstoff, zu stimulieren. Damit dieser Ansatz auch im Weizen möglich wird, nutzten die Wissenschaftler die Übertragung von Genen mit Hilfe der Gentechnik. Diese Methode wird gerade in Europa kritisch gesehen. In vielen Fällen bleibt die Gentechnik jedoch eine wichtige Möglichkeit, um neue Genkombinationen auszuprobieren und zu etablieren. Auch wenn die Arbeiten der Forscher nicht unmittelbar zum Ziel geführt haben, bleibt das Grundkonzept einer pflanzeneigenen Schädlingsabwehr erhalten.

Aus Rückschlägen lernen...

Auch der gewählte Weg, über den Rückschlag in der Forschung zu berichten und zwar über den Kreis von Wissenschaftlern hinaus, ist wichtig und richtig. Da es sich um Grundlagenforschung handelt, die mit öffentlichen Mitteln finanziert wird, hat die Bevölkerung ein Recht, von den Misserfolgen zu erfahren und von diesen zu lernen. Klar ist aber auch, dass unterschiedliche Ansätze ausprobiert werden müssen. Nur auf eine Technologie oder ein Konzept zu setzen, ist keine Lösung für komplexe Probleme.


Quelle: Bruce, T.J. et al. (2015): The first crop plant genetically engineered to release an insect pheromone for defence. In: Scientific Reports, (25. Juni 2015), doi: 10.1038/srep11183.

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Weitere Informationen zur Studie finden sich unter folgendem Link (in engl. Sprache)

Titelbild:Im Antlitz der schwarzen Brackwespen geben die Blattläuse Pheromone ab, um sich untereinander zu warnen. Jedoch gelang es nicht, diesen natürlichen Mechanismus auf Weizen zu übertagen. (Bildquelle: © Matina Tsalavouta / Rothamsted Research)