Moleküle für Hitze und Reife

Wie Pflanzenlipide in Gerstenkörnern auf Stress reagieren

16.07.2025 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Während der Kornreifung und unter Hitzestress verändern sich spezifische Membranlipide in der Pflanze – sogenannte GIPC. Besonders Moleküle der B-Serie helfen dabei, die Zellmembranen stabil zu halten und die Gerste widerstandsfähiger gegen Trockenheit zu machen. (Bildquelle: © Pflanzenforschung.de)

Während der Kornreifung und unter Hitzestress verändern sich spezifische Membranlipide in der Pflanze – sogenannte GIPC. Besonders Moleküle der B-Serie helfen dabei, die Zellmembranen stabil zu halten und die Gerste widerstandsfähiger gegen Trockenheit zu machen. (Bildquelle: © Pflanzenforschung.de)

Eine innovative Massenspektrometrie-Methode erlaubt erstmals die detaillierte Analyse hochkomplexer Pflanzensphingolipide, sogenannter GIPC. Forschende aus Wien zeigen: Während der Reifung von Gerstenkörnern verändern sich diese Membranbestandteile systematisch – und unter Hitzestress besonders stark. Vor allem die sogenannten B-Serie-GIPC spielen eine Schlüsselrolle beim Schutz der Zellmembran in trockenen oder heißen Phasen. Die Erkenntnisse liefern nicht nur neue Einblicke in pflanzliche Stressreaktionen, sondern könnten auch helfen, gezielt hitzetolerante und trockenresiliente Getreidesorten zu züchten.

Pflanzen besitzen eine ganz eigene Klasse von Membranlipiden: Glycosyl Inositol Phospho Ceramides (GIPC). Diese Moleküle sind Hauptbestandteil pflanzlicher Zellmembranen und übernehmen eine Vielzahl wichtiger Aufgaben – vom Schutz gegen Pathogene über die Verankerung der Zellwand bis hin zur Anpassung an Umweltstress wie Hitze oder Trockenheit.

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Schematische Darstellung eines Glycosyl Inositol Phospho Ceramids (GIPC): Diese Moleküle enthalten typischerweise mehrere Zuckerbausteine, die über einen Inositol-Phosphat-Linker mit einem ceramidhaltigen Lipid verknüpft sind, bestehend aus einer langkettigen Sphingoid-Base und einer Fettsäure. GIPC spielen eine zentrale Rolle bei der Stabilisierung von Zellmembranen unter Hitzestress und während der Kornreifung.

Schematische Darstellung eines Glycosyl Inositol Phospho Ceramids (GIPC): Diese Moleküle enthalten typischerweise mehrere Zuckerbausteine, die über einen Inositol-Phosphat-Linker mit einem ceramidhaltigen Lipid verknüpft sind, bestehend aus einer langkettigen Sphingoid-Base und einer Fettsäure. GIPC spielen eine zentrale Rolle bei der Stabilisierung von Zellmembranen unter Hitzestress und während der Kornreifung.

Bildquelle: © Pflanzenforschung.de

Ihre komplexe Struktur – ein ceramidhaltiger „Schwanz“ und ein vielgliedriger Zucker-Kopf – machte es bisher jedoch schwer, GIPC im Detail zu untersuchen. Herkömmliche Analysemethoden erfassten meist nur einzelne Bestandteile wie Zucker oder Fettsäuren.

Neue Methode: GIPC umfassend entschlüsseln

Ein Team um Evelyn Rampler von der Universität Wien hat nun eine neuartige „Glycosphingolipidomics“-Methode entwickelt. Mithilfe hochauflösender Massenspektrometrie mit Multistufen-Fragmentierung (RP-HRMSⁿ) und automatisierter Auswertung können sie GIPC direkt in Pflanzenproben analysieren – samt Zuckerstruktur, Verzweigungen und Fettsäurezusammensetzung.

In Gerstenkörnern identifizierten die Forschenden 102 verschiedene GIPC-Typen, darunter neuartige Verzweigungen in den Zuckerköpfen sowie eine große Vielfalt in der ceramidhaltigen Lipidstruktur.

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Thermischer Ionisations-Massenspektrometer in einem Forschungslabor: Geräte dieser Art – und speziell weiterentwickelte Modelle wie Orbitrap oder Tribrid-Systeme – dienen der präzisen Analyse pflanzlicher Lipide (z. B. GIPC), indem sie Moleküle ionisieren, nach Masse trennen und so detaillierte Strukturinformationen liefern.

Thermischer Ionisations-Massenspektrometer in einem Forschungslabor: Geräte dieser Art – und speziell weiterentwickelte Modelle wie Orbitrap oder Tribrid-Systeme – dienen der präzisen Analyse pflanzlicher Lipide (z. B. GIPC), indem sie Moleküle ionisieren, nach Masse trennen und so detaillierte Strukturinformationen liefern.

Bildquelle: © Radiogenic, eigenes Werk / Wikimedia Commons, CC0 1.0

Wie sich GIPC bei der Kornreifung verändern

Bei der Reifung eines Gerstenkorns sinkt der Wassergehalt drastisch – von rund 50 % auf nahezu 0 % in der Vollreife. Diese Trockenheit erfordert eine hohe Stabilität der Zellmembranen. Die Studie zeigt: Während der Reifung steigt die Menge bestimmter GIPC stark an, besonders der sogenannten B-Serie, die komplexere Zuckerketten und stark hydroxylierte (also besonders wasserbindende) Lipidbestandteile enthalten.

Vor allem GIPC mit drei Hydroxylgruppen und langen Fettsäureketten häufen sich zum Reifezeitpunkt. Ihre Struktur dürfte helfen, die Membranen trotz Trockenheit geschmeidig und funktional zu halten – ein Mechanismus der sogenannten homeoviskösen Anpassung.

Hitze verändert die GIPC-Zusammensetzung

Im zweiten Teil der Studie untersuchten die Forschenden, wie sich GIPC unter Hitzestress verändern. Dazu wurden Gerstenpflanzen in einem definierten Zeitfenster (6–12 Tage nach Bestäubung) vier Stunden lang auf 42 °C erhitzt. Die GIPC-Profile zeigten anschließend markante Verschiebungen:

  • In frühen Stadien (6–8 Tage nach Bestäubung) dominieren B-Serie-GIPC, zum Teil mit verzweigten Zuckerstrukturen.
  • In späteren Stadien (10–12 Tage) steigt der Anteil längerer A-Serie-GIPC mit stark hydroxylierten Lipiden.

Beide Typen könnten helfen, Zellmembranen vor Hitzeschäden zu schützen, indem sie die Membranfluidität regulieren und den Wasseraustritt begrenzen.

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Gerstenkörner im Reifestadium: Während sie austrocknen, reichern sich spezielle Membranlipide der B-Serie-GIPC in den Zellen an – ein biochemischer Schutzmechanismus, der die Körner widerstandsfähiger gegen Hitze und Trockenheit macht.

Gerstenkörner im Reifestadium: Während sie austrocknen, reichern sich spezielle Membranlipide der B-Serie-GIPC in den Zellen an – ein biochemischer Schutzmechanismus, der die Körner widerstandsfähiger gegen Hitze und Trockenheit macht.

Bildquelle: © Rasbak / Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0

Einblicke in GIPC-Struktur und Funktion

Die neue Methode ermöglicht erstmals, GIPC auf molekularer Ebene zu entschlüsseln – einschließlich bislang nicht dokumentierter Verzweigungen und Strukturvarianten. Besonders interessant ist: Während A-Serie-GIPC meist unverzweigt sind, tragen B-, C- und D-Serie-GIPC offenbar verzweigte Zuckerketten. Diese Verzweigungen könnten eine Rolle in der Interaktion mit Krankheitserregern spielen.

Zudem korrelieren bestimmte GIPC-Strukturen mit dem Auftreten von Hitzeschutzproteinen (HSP70), was ihre Bedeutung für die Stressantwort auf molekularer Ebene unterstreicht.

Fazit: Lipid-Profil als Stressbarometer

Die Arbeit liefert nicht nur eine neue Methode zur GIPC-Analyse, sondern zeigt auch: Die Zusammensetzung pflanzlicher Membranlipide ist dynamisch und entwicklungsabhängig – ein wichtiger Faktor für die Resilienz von Getreidepflanzen unter extremen Bedingungen.

Zukünftig könnte die Analyse von GIPC helfen, klimastabile Sorten zu entwickeln – etwa durch gezielte Züchtung auf Lipidprofile, die Trockenheit und Hitze besser verkraften.


Quelle:
Pühringer, M. et al. (2025): Automated Mass Spectrometry-Based Profiling of Multi-Glycosylated Glycosyl Inositol Phospho Ceramides (GIPC) Reveals Specific Series GIPC Rearrangements during Barley Grain Development and Heat Stress Response." In: The Plant Journal, 2025. doi: 10.1111/tpj.70279.

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Titelbild: Während der Kornreifung und unter Hitzestress verändern sich spezifische Membranlipide in der Pflanze – sogenannte GIPC. Besonders Moleküle der B-Serie helfen dabei, die Zellmembranen stabil zu halten und die Gerste widerstandsfähiger gegen Trockenheit zu machen. (Bildquelle: © Pflanzenforschung.de)