Neue alte Feldfrucht
Projekt BIMOTEC erforscht ganzheitliche Nutzung von Buchweizen

Dr. Laura Junker-Frohn koordiniert das Forschungsprojekt BIMOTEC, in dem die ganzheitliche Nutzung von Buchweizen erforscht wird. (Bildquelle: © Forschungszentrum Jülich / Sascha Kreklau)
Das Projekt BIMOTEC untersucht die wirtschaftliche, ganzheitliche Nutzung der Buchweizenpflanze, um dem heimischen Buchweizenanbau zu einem Neustart zu verhelfen. Dadurch ließe sich auch die Abhängigkeit von Importen verringern.
Der Name täuscht: Buchweizen (Fagopyrum esculentum) ist weder mit Weizen verwandt noch ein echtes Getreide. Er gehört zur Familie der Knöterichgewächse und wird – ebenso wie Quinoa und Amaranth – als Pseudogetreide bezeichnet. Seine Samen enthalten hochwertiges pflanzliches Eiweiß mit allen acht essenziellen Aminosäuren, komplexe Kohlenhydrate, Ballaststoffe und Mineralstoffe. Zudem sind sie glutenfrei, was sie zu einer wichtigen Nahrungsquelle für Menschen mit Zöliakie (Glutenunverträglichkeit) macht. Angesichts dieser Vorzüge überrascht es nicht, dass Buchweizenprodukte in Deutschland wieder an Beliebtheit gewinnen.

Buchweizen wird hauptsächlich in China, Russland und der Ukraine angebaut.
Bildquelle: © Dalgial - Eigenes Werk / Wikipedia, CC BY-SA 3.0
„Buchweizen erlebt derzeit eine Renaissance, aber der Großteil dessen, was die Menschen im Supermarkt kaufen, wird aus China, Russland oder der Ukraine importiert“, sagt Dr. Laura Junker-Frohn. Früher war Buchweizen auf deutschen Feldern weit verbreitet, denn er ist anspruchslos und gedeiht auch auf kargen, sandigen Böden, etwa in Brandenburg oder der Lüneburger Heide. Heute ist er jedoch fast vollständig verschwunden. „Einige wenige Landwirte bauen ihn noch auf geringer Fläche an und verkaufen ihn direkt im Hofladen, andere nutzen ihn als Hühnerfutter“, so Junker-Frohn.
Unabhängig von Importen werden
Die Biologin, die am Institut für Pflanzenwissenschaften des Forschungszentrums Jülich forscht, möchte das ändern und den Buchweizenanbau in Deutschland wiederbeleben. „Wenn wir Buchweizen für die heimische Landwirtschaft attraktiver machen, könnte uns das unabhängiger von Importen machen“, erklärt sie.
Doch der Ertrag von Buchweizen kann mit dem anderer Kulturpflanzen nicht konkurrieren. Da Buchweizen auf Insektenbestäubung angewiesen ist, schwanken die Erträge von Jahr zu Jahr. „Wenn der Beginn der Blütezeit mit einer Regenperiode oder extremer Hitze zusammenfällt, sind weniger Insekten aktiv – und entsprechend geringer ist dann auch die Bestäubungsleistung“, erklärt Junker-Frohn. Unsere klassischen Getreidearten sind hingegen entweder Selbstbestäuber (z.B. Gerste und Weizen) oder werden durch Wind bestäubt (z.B. Roggen) und weisen daher über die Jahre eine höhere Ertragsstabilität auf.
Die Pflanze ganzheitlich nutzen

Buchweizenfelder sind bei uns noch die Ausnahme. Das Projekt BIMOTEC will das ändern.
Bildquelle: © Adrian Michael - Eigenes Werk / Wikipedia, CC BY 4.0
Um die Konkurrenzfähigkeit zu erhöhen, würde es helfen, wenn sich die gesamte Pflanze im Sinne der Bioökonomie wirtschaftlich verwerten ließe. Im Rahmen des Projekts BIMOTEC wird genau das erforscht: „Wir schauen nicht nur auf den Kornertrag und die Inhaltsstoffe im Korn, sondern auch darauf, wie man Blätter, Stängel oder Samenhüllen nutzen könnte.“ Buchweizen enthält zahlreiche wertvolle sekundäre Pflanzenstoffe, darunter Rutin – ein antioxidativ wirkendes Flavonoid, das gefäßstabilisierend wirkt.
Derzeit findet eine solche Mehrfachnutzung in Deutschland ausschließlich bei Nutzhanf statt: Die Samen dienen als Nahrungsmittel, aus den Blättern werden THC-haltige Öle gewonnen, und die Fasern der Stängel werden zur Textilherstellung verwendet.
Buchweizen verbessert die Bodengesundheit
Buchweizen ist davon derzeit jedoch noch weit entfernt. Zurzeit ist die Pflanze vor allem als Gründüngung oder Zwischenfrucht nach der Haupternte beliebt: Ihre Wurzeln lockern den Boden auf, verhindern Erosion und tragen so zur Bodengesundheit bei. Zudem kann Buchweizen den Lebenszyklus von Nematoden unterbrechen. Die Eier dieser Fadenwürmer werden durch Buchweizen zum Schlüpfen angeregt. Da sich die Larven jedoch nicht von Buchweizen ernähren können, sterben sie ab. Die nachfolgenden Kulturen profitieren von einer deutlich geringeren Schädlingslast im Boden.
Da Buchweizen eine sehr kurze Kulturdauer von nur drei bis vier Monaten hat, könnten frühblühende Sorten nach der Ernte von Wintergetreide oder Frühkartoffeln noch im gleichen Jahr als Zweitfrucht angebaut werden. „Im Zuge der globalen Erwärmung verlängern sich die Vegetationszeiten, sodass es möglich sein wird, Buchweizen nach der Hauptfrucht auszusäen und noch vor dem Kälteeinbruch zu ernten.“
Die Projektpartner und das übergeordnete Ziel
Wissenschaftliche Partner:
- Forschungszentrum Jülich, IBG-2: Dr. Laura Junker-Frohn
- Forschungszentrum Jülich GmbH, IBG-4: Dr. Anika Wiese-Klinkenberg
- Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK): Dr. Jochen Kumlehn
- Fraunhofer-Institut für Molekularbiologie und Angewandte Oekologie (IME) Dr. Boje Müller
- Universität Hohenheim: Prof. Dr. Simone Graeff-Hönninger
Industriepartner:
- Phytowelt GreenTechnologies GmbH: Dr. Peter Welters
Das experimentelle Vorgehen
Seit vielen Jahrzehnten ist Buchweizen in Deutschland züchterisch nicht mehr verbessert worden. Es gibt daher zahlreiche Stellschrauben, an denen sich drehen ließe, um den Kornertrag der Pflanze zu steigern. Mit dem steigenden Interesse an bioökonomischen Wertschöpfungsketten bietet sich die einmalige Gelegenheit, mit der Wiederaufnahme der Buchweizenzüchtung zusätzlich den Fokus auf wirtschaftlich interessante Nebenprodukte zu legen.
Untersuchung von Wurzel- und Sprosswachstum zur Identifizierung klimaresilienter Genotypen

Die Anlage GrowScreen-Rhizo III ermöglicht die gleichzeitige, nicht-invasive Phänotypisierung von Wurzel- und Sprosswachstum sowie der Pflanzenarchitektur in erdgefüllten Rhizotronen.
Bildquelle: © Forschungszentrum Jülich
Wie unterschiedliche Genotypen von Buchweizen aussehen und wie sie auf variable Umweltbedingungen – etwa Trockenstress oder Stickstoffmangel – reagieren, ist bislang nur wenig erforscht. Am Forschungszentrum Jülich wird deshalb die Entwicklung von 60 verschiedenen Genotypen aus aller Welt in Gewächshausversuchen genau beobachtet. Die Forschenden analysieren, welche Unterschiede es zwischen Genotypen im Wachstum unter Trockenheit und auf marginalen Böden mit wenigen Nährstoffen gibt.
Für die Phänotypisierung, der quantitativen Vermessung von Wurzel und Spross, wird die eigens vom Institut für Pflanzenwissenschaften, IBG-2, entwickelte Anlage GrowScreen-Rhizo III genutzt, die bereits erfolgreich zur Phänotypisierung verschiedener Pflanzenarten u.a. im Rahmen von DPPN-Access-Projekten eingesetzt wurde. Die Wurzeln wachsen dabei in flachen Containern, die einen Neigungswinkel von 45 Grad und eine transparente Scheibe an der Unterseite aufweisen. Täglich fotografieren sechs Kameras den Spross und eine weitere die Wurzeln. „Anhand dieser Aufnahmen können wir das Wachstum der Pflanzen exakt quantifizieren und erkennen, wie sich die Genotypen unterscheiden und wie sie auf Stressbedingungen reagieren“, erklärt Junker-Frohn.
Am Institut für Bioinformatik wird in Jülich zudem untersucht, welche Genotypen besonders gut bei Trockenstress wachsen, welche Mechanismen und Gene eine verbesserte Trockenstresstoleranz von Buchweizen ermöglichen und welche zu einer stabilen und hohen Biosynthese des wertvollen Sekundärmetaboliten Rutin beitragen. Außerdem sollen Markergene identifiziert werden, die die Züchtung stresstoleranter Sorten vereinfachen.
Erforschung neuer wertvoller Pflanzeninhaltsstoffe

Strukturformel von Rutin: Das Flavonoid besteht aus dem Flavonol Quercetin, das über ein Disaccharid (Rutinose, bestehend aus Rhamnose und Glucose) glykosidisch gebunden ist. Rutin wirkt antioxidativ, stabilisiert Blutgefäße und schützt Pflanzen vor UV-Strahlung.
Bildquelle: © Yikrazuul - Eigenes Werk / Wikipedia
Neben Rutin bildet Buchweizen noch zahlreiche weitere Sekundärmetabolite. Doch welche genau? Und könnten diese auch für die Industrie interessant sein? Diesen Fragen widmet sich das Team des Fraunhofer-Instituts für Molekularbiologie und Angewandte Ökologie IME. Die Forschenden untersuchen, welche Inhaltsstoffe in Blättern und Samenhüllen vorkommen und wie Trockenstress deren Gehalt beeinflusst. Der Wirtschaftspartner Phytowelt GreenTechnologies GmbH arbeitet an der Weiterentwicklung und Optimierung von Verfahren, um die wertvollen Pflanzeninhaltsstoffe effizient zu extrahieren, aufzuarbeiten und für Kommerzialisierung oder Biokonversion zur Herstellung von z.B. antiviralen Wirkstoffen vorzubereiten.
Praktische Hilfestellung für die Landwirte durch Vorhersage des Ertrags
Die Universität Hohenheim führt Feldversuche mit verschiedenen Buchweizengenotypen durch und erfasst agronomische Parameter wie Kornertrag und -qualität, die zur Weiterentwicklung spezifischer agronomischer Modelle für Buchweizen genutzt werden. Das sind mathematische Werkzeuge, mit denen sich das Wachstum einer Pflanze unter verschiedenen Anbaubedingungen simulieren und der Ertrag vorhersagen lässt. Mithilfe solcher Modelle können Landwirtinnen und Landwirte den Anbau von Buchweizen optimieren – insbesondere im Hinblick auf den Klimawandel wird so die Etablierung des Buchweizenanbaus in Deutschland gefördert.
Entwicklung moderner Züchtungsmethoden zur Etablierung neuer Zuchtziele
Das Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK) arbeitet daran, moderne Züchtungsmethoden für Buchweizen zu entwickeln. Durch Genom-Editierung werden einzelne Gene gezielt modifiziert, um ihre Auswirkungen auf das Pflanzenwachstum zu untersuchen. So können wir überprüfen, ob sich bestimmte Eigenschaften vorteilhaft auf den Ertrag von Buchweizen auswirken, und entwickeln die Grundlagen für die zukünftige Verbesserung von Buchweizen.
Ein konkreter Ansatz ist es, Buchweizen mit kürzeren Stängeln zu erzeugen. Bei Weizen haben kurzstrohige Sorten seit den 1960er-Jahren zu erheblichen Ertragssteigerungen geführt. Zum einen knicken die Pflanzen bei Wind und Wetter weniger leicht um, zum anderen investieren die Pflanzen dann weniger Energie ins Höhenwachstum und stattdessen stärker in die Ausbildung der Körner. Durch die Genom-Editierung können wir untersuchen, ob sich ein ähnlicher Effekt auch beim Buchweizen erzielen lässt.
Ausblick
Das Projekt BIMOTEC begann im Dezember 2024 und läuft noch bis Ende 2028. In diesen vier Jahren finden Anbauversuche im Gewächshaus und im Freiland statt. Die Forschenden wollen umfassendes Wissen über Buchweizen zusammentragen und moderne Züchtungsmethoden etablieren, die bisher noch nicht bei Buchweizen ausgetestet worden sind, wie Phänotypisierung, Genom-Editierung, Transkriptomik und Metabolomik. „Am Ende des Projekts können wir das von den Projektpartnerinnen und Projektpartnern erarbeitete Wissen zusammenführen, als Grundlage für die Züchtung neuer deutscher Buchweizensorten“, sagt Junker-Frohn.
Zum Weiterlesen auf Pflanzenforschung.de:
- Totgesagte leben länger - Forscher testen längst vergessene Nutzpflanzen im Anbau
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Titelbild: Dr. Laura Junker-Frohn koordiniert das Forschungsprojekt BIMOTEC, in dem die ganzheitliche Nutzung von Buchweizen erforscht wird. (Bildquelle: © Forschungszentrum Jülich / Sascha Kreklau)