Neue Erkenntnisse zum "Wood Wide Web"
Kein Kohlenstoffaustausch zwischen Bäumen
Symbiontische Bodenpilze sind keine unterirdische "Pipeline" für den Kohlenstofftransport zwischen Bäumen. Eine weitere Erkenntnis: "Fremde" Bäume im Wald haben weniger Symbiosepartner.
Die Idee eines "Wood Wide Web", bei dem Bäume durch unterirdische Pilznetzwerke miteinander in Verbindung stehen, hat die Vorstellungskraft vieler Menschen beflügelt. Einige populärwissenschaftliche Werke haben diesem "Super-Netzwerk" teils spektakuläre Eigenschaften zugeschrieben, etwa dass Bäume bewusst Ressourcen teilen, "hilfsbedürftige" Nachbarn unterstützen oder Gefahren untereinander signalisieren können. Eine aktuelle Studie der Universität Göttingen relativiert jedoch dieses Bild – zumindest was die Kohlenstoffkreisläufe angeht.
Isotopenmarkierung mit schwerem Kohlenstoff-13
Die Wissenschaftler:innen der Abteilung für Forstbotanik und Baumphysiologie unter der Leitung von Dr. Michela Audisio untersuchten, wie Kohlenstoff zwischen Bäumen und den mit ihnen assoziierten Ektomykorrhizapilzen verteilt wird. Diese Pilze leben in enger Symbiose mit den Baumwurzeln und spielen eine Schlüsselrolle beim Nährstoffaustausch.
Mittels einer Isotopenmarkierung wurden junge Rotbuchen (Fagus sylvatica) mit schwerem Kohlenstoff-13 angereichert ("Geberbäume"). Nach fünf Tagen analysierte das Team die Kohlenstoffverteilung im symbiontischen Pilzgeflecht (Ektomykorrhiza) im Boden sowie in den Wurzeln, Stämmen und Blättern benachbarter "Empfängerbäume" – sowohl Rotbuchen als auch Douglasien (Pseudotsuga menziesii).
Kohlenstoff „wandert“ nur zu den symbiontischen Pilzen
Die Studie zeigte, dass markierter Kohlenstoff von den Buchen in das Pilzmycel gelangte und auch im pilzbesiedelten Gewebe von Nachbarbäumen nachgewiesen werden konnte. Durch chirurgische Abtrennung des Pilz-Wurzelspitzennetzwerks konnte jedoch nachgewiesen werden, dass der Kohlenstoff nicht in die Wurzeln dieser Bäume übertragen wurde. Dies galt sowohl für Rotbuchen als auch Douglasien. Diese Ergebnisse bestärken die Annahme, dass der Kohlenstoff vor allem als Ressource im Pilz verbleibt und weniger als Austauschmedium zwischen den Bäumen dient.
Pilze sind eigennützig
Für Dr. Audisio ist dies auch nachvollziehbar: „Es ist schwer vorstellbar, dass Ektomykorrhizapilze uneigennützig Kohlenstoff von einem Baum auf einen anderen übertragen würden.“ Aber umgekehrt ist es wohl für die Pilze von Vorteil, wenn sie Zugang zu mehreren Bäumen als Kohlenstoffquellen haben. Umweltstress wie Trockenheit oder Nährstoffmangel kann die Verfügbarkeit von Kohlenstoff in Wäldern stark beeinflussen. In solchen Situationen scheinen die Pilze von ihrer Verbindung zu mehreren Bäumen zu profitieren.
Weniger Pilznetzwerke mit "fremden Bäumen"?
Die Forschenden fanden auch heraus, dass die Ektomykorrhiza der Douglasie, einer nicht einheimischen Baumart, etwas weniger markierten Kohlenstoff aufnahmen als die der heimischen Rotbuche. Dies deutet darauf hin, dass in Mischwäldern mit Douglasien Ektomykorrhizapilze weniger häufig vorkommen könnten. Das Forschungsteam konnte auch zeigen, dass die Anzahl von Ektomykorrhizapilzarten bei Douglasien geringer war: Douglasien-Empfänger teilten durchschnittlich eine Art mit den Geberbäumen, bei Empfängerbuchen waren es durchschnittlich drei Arten. Dies könnte möglicherweise den Kohlenstoffkreislauf des Waldes negativ beeinflussen.
Quelle:
- Audisio M, et al. (2024): „Ectomycorrhizal fungi of Douglas-fir retain newly assimilated carbon derived from neighboring European beech". In: New Phytologist 2024. doi: 10.1111/nph.19943
Zum Weiterlesen auf Pflanzenforschung.de:
- Wood Wide Web ist keine Fiktion - Belege für umfassendes Mykorrhiza-Netzwerk in Wäldern gefunden
- Forschungsprojekt OPAL - In-vitro-Vermehrung soll den Bedarf an Hybridlärchen in der Forstwirtschaft decken
- Von der Esoterik zur Wissenschaft - Wahrnehmung und Austausch von Informationen bei Pflanzen
Titelbild: Eine Waldversuchsfläche, die ein Mischwaldgebiet aus Buchen und Douglasien darstellt. Der massive Baumstamm im Vordergrund gehört zu einer Douglasie, einer nicht einheimischen Nadelbaumart, die ursprünglich aus Nordwestamerika kommt (© Christina Hackmann/ Universität Göttingen).