Neuer Impuls für nachhaltigen Pflanzenschutz
RNA-basierter Wirkstoff revolutioniert den Kampf gegen Pflanzenviren

Mit Hilfe des neuen Wirkstoffs der MLU-Forscher können Pflanzen leicht gegen das Gurkenmosaikvirus geschützt werden. (Bildquelle: © Uni Halle / Heiko Rebsch)
Mit einem RNA-Wirkstoff sollen Pflanzen künftig effektiv gegen Viren geschützt werden. Selbst bei hoher Virusbelastung überleben 80 bis 100 Prozent der behandelten Gewächse. Diese bahnbrechende Forschung könnte den Pflanzenschutz revolutionieren und den Weg für nachhaltigere Lösungen in der Landwirtschaft ebnen.
Forscherinnen und Forscher der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) haben einen innovativen Ansatz entwickelt, der Pflanzen im Kampf gegen das gefürchtete Gurkenmosaikvirus schützen könnte. Das Virus, das unter anderem landwirtschaftliche Kulturen wie Kürbisse, Gurken, Getreide sowie Heil- und Gewürzpflanzen befällt, hinterlässt ein charakteristisches, mosaikartiges Muster auf den Blättern und führt zu erheblichen Ertragseinbußen.

Mit dem Gurkenmosaikvirus befallene Blätter.
Bildquelle: © DieterO - Eigenes Werk, gemeinfrei / Wikimedia
RNA als neue Waffe
Die neu entwickelte Substanz basiert auf RNA-Bausteinen, die das Immunsystem der Pflanzen gezielt unterstützen. Im Gegensatz zur herkömmlichen Abwehrreaktion, bei der infizierte Pflanzen eine Vielzahl an siRNA-Molekülen produziert – von denen nur wenige tatsächlich wirksam sind – bündeln die Wissenschaftler diese effektiven Komponenten in sogenannten doppelsträngigen RNA-Molekülen (edsRNAs). Dieses „Paket“ wird innerhalb der Pflanzenzellen in leistungsstarke siRNAs umgewandelt, die das Virus an mehreren Stellen gleichzeitig angreifen und so den natürlichen Abwehrmechanismus deutlich optimieren.
Erfolg im Labor
In zahlreichen Experimenten an der Modellpflanze Nicotiana benthamiana zeigte sich die Effektivität der neuen Methode eindrucksvoll: Trotz einer extrem hohen Virenbelastung, die unbehandelte Pflanzen hätte vernichten können, überlebten 80 bis 100 Prozent der behandelten Pflanzen. Die Forschungsergebnisse wurden in der Fachzeitschrift Nucleic Acids Research als "Breakthrough Article" ausgezeichnet – ein Titel, den jährlich nur wenige Prozent der eingereichten Beiträge erhalten.
Flexibilität und Zukunftsperspektiven

Der neue Wirkstoff schützt Pflanzen zuverlässig vor dem Gurkenmosaikvirus. Beide Pflanzen wurden mit dem Virus infiziert, das Exemplar links im Bild war aber nicht geschützt.
Bildquelle: © Uni Halle / Heiko Rebsch
Ein weiterer Vorteil des RNA-Wirkstoffs ist seine schnelle Anpassungsfähigkeit: Innerhalb von zwei bis vier Wochen können neue RNA-Ziele identifiziert und die Substanz an neue Virusvarianten angepasst werden. Diese Agilität ist besonders wichtig, da RNA-Viren wie das Gurkenmosaikvirus eine hohe Mutationsrate aufweisen. Der innovative Ansatz bietet zudem das Potenzial, auch andere Pflanzenkrankheiten in Zukunft zu bekämpfen.
Aktuell wird im Labor daran gearbeitet, den Wirkstoff in anwendungsfreundliche Formen zu überführen – etwa als Spray, das sich einfach auf Ackerflächen ausbringen ließe. Erste Feldversuche und Gespräche mit industriellen Partnern zeigen, dass der Schritt aus dem Labor in die Praxis greifbar nahe ist. Dennoch steht der Weg bis zur Zulassung eines neuen Pflanzenschutzmittels noch vor einigen Herausforderungen.
Ein Durchbruch mit großer Tragweite
Gefördert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft, das Bundesministerium für Bildung und Forschung sowie das Land Sachsen-Anhalt, könnte dieser RNA-basierte Wirkstoff langfristig einen entscheidenden und nachhaltigen Beitrag zum Pflanzenschutz leisten.
Quelle:
Knoblich M. et al. (2025): A new level of RNA-based plant protection - dsRNAs designed from functionally characterized siRNAs highly effective against Cucumber Mosaic Virus. In: Nucleic Acids Research (2025). doi: 10.1093/nar/gkaf136
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Titelbild: Mit Hilfe des neuen Wirkstoffs der MLU-Forscher können Pflanzen leicht gegen das Gurkenmosaikvirus geschützt werden. (Bildquelle: © Uni Halle / Heiko Rebsch)