Optimierte Krankheitsresistenz

Bessere Abwehr dank der KI-Software AlphaFold

30.10.2024 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Sojabohnen (Glycine max) werden häufig durch den pathogenen Pilz Phytophtora sojae befallen. Durch einen Enzyminhibitor können sich die Pflanzen vor dem Pilz verteidigen, doch schaden sich damit auch selbst. Das wollten die Forscher:innen ändern. . (Bildquelle: © Gemeinfrei / Wikimedia)

Sojabohnen (Glycine max) werden häufig durch den pathogenen Pilz Phytophtora sojae befallen. Durch einen Enzyminhibitor können sich die Pflanzen vor dem Pilz verteidigen, doch schaden sich damit auch selbst. Das wollten die Forscher:innen ändern. . (Bildquelle: © Gemeinfrei / Wikimedia)

Wenn Pflanzen ihre Zellwand gegen Angreifer verteidigen, leidet darunter oft ihr eigenes Wachstum – weil ihr „Abwehrprotein“ auch den eigenen Stoffwechsel stört.  Mit Hilfe der Proteinstruktur-Vorhersagesoftware AlphaFold ist es gelungen, ein modifiziertes Protein herzustellen, dass nur noch gegen Pathogene wirkt.

An den pflanzlichen Zellwänden geht es hoch her. Sie sind ein Ort des steten Wettrüstens. Pathogene versuchen mit allen Mitteln, diese Barriere zu durchdringen. Pflanzen halten dagegen, damit dieser wichtige Teil ihrer Abwehr nicht zusammenbricht.

Pflanzliche Zellwände bestehen vorrangig aus Zellulose und Hemizellulose, die in eine Matrix aus Pektinen eingebettet sind. Einige Krankheitserreger produzieren ein Enzym namens Pektinmethylesterase (PME), das die Stabilität der pflanzlichen Zellwand schwächt. So zum Beispiel der Erreger der Soja-Wurzelfäule (Phytophtora sojae), der bei Sojapflanzen jährlich Ernteausfälle von bis zu 10 Milliarden Dollar verursacht.

AlphaFold lieferte Vorschläge

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Video: 2024 erhielten Demis Hassabis und John Jumper den Nobelpreis für Chemie. Sie sind die geistigen Väter des Programms AlphaFold.

Videoquelle: © AP Associated Press

Pflanzen können aber einen Inhibitor für dieses Enzym herstellen, auch Pektinmethylesterase-Inhibitor (PMEI) genannt. Bei Sojabohnen (Glycine max) heißt er GmPMI1. Der Nachteil dieser Verteidigungsaktion: Das Enzym blockiert nicht nur die pathogene, sondern auch die pflanzeneigene Pektinmethylesterase. Wenn Pflanzen diesen Inhibitor für lange Zeit exprimieren, leidet darunter ihr Wachstum, was sich je nach Spezies durch Zwergwuchs oder andere phänotypische Veränderungen bemerkbar macht.

Ein Team von chinesischen Wissenschaftlern wollte daher ein modifiziertes GmPMI1 herstellen, das gezielt nur die Pektinmethylesterase der Pathogene inhibiert. Dafür nutzen sie die Proteinstruktur-Vorhersagesoftware AlphaFold. Das KI-unterstützte Tool ist eine Erfindung von Demis Hassabis und John Jumper. Erst vor wenigen Tagen wurden beide dafür mit dem Nobelpreis für Chemie ausgezeichnet.

Mutierter Inhibitor bindet spezifischer

Zunächst galt es herauszufinden, wie genau die Pektinmethylesterasen aus der Sojabohne (GmPME1) und aus dem Pathogen Phytophtora sojae (PsPME1) mit dem pflanzlichen Inhibitor (GmPMI1) interagieren. Welche Aminosäuren sind daran beteiligt, gibt es Unterschiede dabei?

AlphaFold2-Multimer, eine erweiterte Version von AlphaFold zur Vorhersage der Struktur von Protein-Komplexen, wurde mit den Sequenzen der Proteine gefüttert. Das Ergebnis: Für die Bindung des Inhibitors an das pflanzliche Enzym sind vermutlich andere Aminosäuren verantwortlich als für die Bindung an das Enzym des Pathogens. Anhand dieser Daten wählten die Wissenschaftler neun Aminosäuren aus, die sie beim pflanzlichen Inhibitor auswechselten – zunächst virtuell im Programm AlphaFold. Das Programm sagte voraus, dass der Inhibitor nun nicht mehr die pflanzliche Esterase binden würde. Die neue Version tauften sie auf den Namen GmPMI1R.

Interaktion mit pflanzlicher Esterase fast komplett aufgehoben

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Das Programm AlphaFold kann die Struktur von Proteinen anhand der Aminosäuresequenz sehr exakt vorhersagen. Dabei hilft eine KI.

Das Programm AlphaFold kann die Struktur von Proteinen anhand der Aminosäuresequenz sehr exakt vorhersagen. Dabei hilft eine KI.

Bildquelle: © Holger87 - Eigenes Werk / Wikimedia, CC BY-SA 3.0,

Ihre Experimente mit dem echten modifizierten Inhibitor zeigten, dass AlphaFold sich nicht getäuscht hatte. Tatsächlich hatte GmPMI1R die Fähigkeit zur Interaktion mit GmPME1 fast vollständig verloren. Die Pflanzen zeigten daher auch bei einer Überexpression des mutierten Inhibitors keine Auffälligkeiten im Wachstum und waren vom Wildtyp nicht zu unterscheiden. An die pathogene Form der Pektinmethylesterase band der neue Inhibitor jedoch weiterhin sehr gut.

Die evolutionäre Analyse der PMEs hat zudem gezeigt, dass sich die Esterasen aus Sojabohne und Pathogen schon vor sehr langer Zeit auseinanderentwickelt haben. Inzwischen ist auch ihr Wirkmechanismus ein anderer. Pflanzliche PMEs binden an Homogalacturonan (den Hauptbestandteil des Pektins), hydrolysieren eine Reihe von Methylestergruppen und lösen sich dann wieder vom Substrat. PMEs aus Schadpilzen hingegen lassen ihr Substrat nach jeder einzelnen Katalyse wieder frei. Diese Unterschiede in der Funktion erklären wahrscheinlich auch, weshalb die Bindungstaschen der Enzyme so verschieden sind.


Quelle:
Yeqiang Xia et al.: AlphaFold-guided redesign of a plant pectin methylesterase inhibitor for broad-spectrum disease resistance. Mol Plant. 2024 Sep 2;17(9):1344-1368. doi: 10.1016/j.molp.2024.07.008.

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Titelbild: Sojabohnen (Glycine max) werden häufig durch den pathogenen Pilz Phytophtora sojae befallen. Durch einen Enzyminhibitor können sich die Pflanzen vor dem Pilz verteidigen, doch schaden sich damit auch selbst. Das wollten die Forscher:innen ändern. . (Bildquelle: © Gemeinfrei / Wikimedia)