Pflanzenforscher entdecken neue Funktion für das Enzym Dicer

05.04.2012 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Das Enzym Dicer stoppt die Transkription, indem es RNA-Transkripte von der RNA-Polymerase II trennt. (Quelle: ©  Opabinia regalis/ Wikimedi.org; CC BY-SA 3.0)

Das Enzym Dicer stoppt die Transkription, indem es RNA-Transkripte von der RNA-Polymerase II trennt. (Quelle: © Opabinia regalis/ Wikimedi.org; CC BY-SA 3.0)

Ergebnisse aus der Ackerschmalwand zeigen erstmals, dass die RNA-Helikase Dicer nicht nur die Produktion von Proteinen hemmt, sondern die Zelle auch bei der Proteinsynthese unterstützt.

Bekannt wurde das Enzym Dicer ursprünglich weil es die Synthese bestimmter Proteine lahmlegt. Diesen Mechanismus, der wissenschaftlich als RNA-Interferenz (RNAi) bezeichnet wird, nutzen viele Pilze, Pflanzen, Tiere und der Menschen, um Gene zu regulieren oder beispielsweise schädliche RNA-Viren abzuwehren.  

Denn anstatt Gene direkt  aus-  und einzuschalten, richtet sich dieser Mechanismus gegen die sogenannten messenger RNAs (mRNAs). Diese werden normalerweise als Kopien der Erbinformation aus dem Zellkern zu den Orten der Proteinsynthese getragen. Dort dienen sie als Vorlage für die Produktion bestimmter Proteine. In einem ersten Schritt des RNAi-Mechanismus zerlegt Dicer lange, doppelsträngige RNA-Moleküle in kurze siRNAs (small inhibiting RNAs). Diese können an sequenzgleiche mRNAs andocken und markieren sie für den Abbau. Auf diese Weise können Zellen die Produktion bestimmter Proteine schnell und präzise hoch- und runter regulieren.

Dicer trennt RNAs von der Transkriptionsmachine

In Pflanzen entdeckten Wissenschaftler erstmals, dass Dicer nicht nur an dem Abbau bestimmter RNA-Transkripte, sondern auch an einem wichtigen Schritt der Proteinsynthese beteiligt ist: Es sorgt dafür, dass die Umschreibung von DNA zu RNA korrekt beendet wird. In dieser Umschreibungsphase wandert das Enzym RNA-Polymerase II am DNA-Strang entlang und überschreibt die Information bestimmter Gene in mRNA-Moleküle. Damit jedoch nur bestimmte Gene zur richtigen Zeit abgelesen werden, muss sich die RNA-Ploymerase II wieder von der DNA ablösen, sobald sie das Gen-Ende erreicht. Andernfalls würde das Enzym auch nach dem Stoppsignal weiterhin das Chromosom entlang wandern und unkontrolliert Gene in RNAs umschreiben.

Dicer scheint bei diesem Ablöseprozess eine Art Qualitätssicherung zu übernehmen, wenn er fehlerhaft verläuft. Normalerweise sorgen spezifische Faktoren in der Zelle dafür, dass das RNA-Transkript an einer bestimmten Sequenz nach dem Stoppsignal abgeschnitten wird, damit die RNA-Polymerase abfällt. In der Ackerschmalwand Arabidopsis thaliana übernimmt jedoch Dicer diese Funktion, wenn die üblichen Terminationsmechanismen versagen.

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Während des RNA- Interferenz-Mechanismus zerschneidet das Enzym Dicer doppelsträngige RNA-Moleküle (shRNAs) in kurze, einzelsträngige siRNAs. Diese binden an die Ziel-mRNA und markieren sie für den Abbau durch den RISC-Komplex und Argonauten-Proteine (AGO).

Während des RNA- Interferenz-Mechanismus zerschneidet das Enzym Dicer doppelsträngige RNA-Moleküle (shRNAs) in kurze, einzelsträngige siRNAs. Diese binden an die Ziel-mRNA und markieren sie für den Abbau durch den RISC-Komplex und Argonauten-Proteine (AGO).

Bildquelle: © Dan Cojocari/ Wikimedia.org; CC BY-SA 3.0


Ohne Dicer setzen Pflanzenzellen die Umschreibungsphase unkontrolliert fort

Die Wissenschaftler untersuchten die Funktion des Dicer Proteins DCL4 in Arabidopsis-Mutanten. Sie entdeckten, dass Dicer direkt an die DNA bindet und RNA-Transkripte mehrere hundert Basenpaare nach dem Stoppsignal von der RNA-Polymerase II trennt. Dabei, so vermuten die Forscher,  „weiss“ das Enzym durch eine bestimmte räumliche Struktur der RNA, an welcher Stelle es das Molekül abschneiden muss. In Pflanzen, die kein DCL4 mehr herstellen konnten, wurde die RNA-Polymerase II dagegen nicht gestoppt. Sie produzierten unkontrolliert zusätzliche RNA-Moleküle, die dann als siRNAs auch Transkripte für den Abbau markierten, die nicht herunterreguliert werden sollten. Das Dicer-Protein DCL4 schützt Zellen demnach davor, durch fehlerhafte Termination, den RNAi-Mechanismus irrtümlich auszulösen.

Möglicherweise übernimmt Dicer auch in anderen Organismen und dem Menschen diese Zusatzfunktion. Beispielsweise können Hefepilze ohne Dicer ebenfalls die Transkription mancher Gene nicht mehr korrekt beenden.

RNAi als Biotech-Werkzeug und Therapieansatz

Der Mechanismus der RNA-Interferenz ist mittlerweile zu einem der wichtigsten Werkzeuge in den Biowissenschaften und der Medizin geworden, um die Funktion bestimmter Gene durch sogenannte RNA-Knockdowns zu untersuchen. Darüber hinaus werden mit RNAi auch Therapieansätze für die Humanmedizin entwickelt, um krankmachende Gene zu hemmen. Dies können beispielsweise Gene sein, die einen zu hohen Cholesteringehalt im But auslösen. In der Pflanzenforschung  wird über RNAi auch in die Regulation von Hormonen und Resistenzmechanismen eingegriffen. Auf diese Weise kann beispielsweise die Abwehr gegenüber Krankheitserregern verstärkt werden.

Die neuen Erkenntnisse der Forscher könnten demnach auch zur Verbesserung angewandter RNAi-Techniken beitragen. Die Tatsache, dass bestimmte Strukturen in den Enden von RNA-Transkripten den Abbau durch RNAi einleiten, könnte beispielsweise erklären, warum nicht alle Gene, die zu Therapie- oder Forschungszwecken durch Gentechnik übertragen werden, auch im Zielorganismus funktionieren. Zukünftig sollten Wissenschaftler daher auch die 3`-Enden von Transgenen auf mögliche Dicer-Bindestellen untersuchen, um deren Stilllegung durch RNAi zu vermeiden.


Quelle:
N. A. Eckardt (2012): Cotranscriptional Role for Arabidopsis DICER-LIKE 4 in Transcription Termination. In: Science. Online Publikation, April 2012, 10.1126/science.1214402

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