Pilz lässt Blattläuse leuchten
Erstmals beobachteten Wissenschaftler Tiere, welche Provitamin A nicht mehr über die Nahrung aufnehmen müssen. Durch einen natürlichen Gentransfer ist ein Pflanzenschmarotzer, die Erbsenblattlaus, in der Lage, Carotine im eigenen Körper zu bilden. Bisher nahm man an, dass ausschließlich Pflanzen, Pilze und Bakterien hierzu fähig sind.
Carotine sind Bestandteil unserer Nahrung. Im tierischen und damit auch im menschlichen Körper kommt diesen Vorstufen zu Vitamin A eine wichtige Schutzfunktion zu. Vitamin A übernimmt mit anderen Stoffen die Funktion als wichtige Antioxidanz, also als Radikalfänger. Bislang nahm man an, dass sie ausschließlich durch die Nahrung aufgenommen werden müssen. Wie Forscher jetzt aber herausgefunden haben, ist diese Annahme nicht länger pauschal gültig.
Erbsenblattläuse fallen durch unterschiedliche Körperfärbungen auf. Diese wird durch das Vorhandensein bzw. nicht Vorhandensein von Pigmentstoffen, den Carotinen, hervorgerufen. Aber auch Variationen pigmentierter Läuse von grün-gelben und roten Blattläusen sind bekannt. Diese phänotypischen Unterschiede waren der Ansatzpunkt eines Forscherteams, die Insekten genauer unter die Lupe zu nehmen. Bisher nahm man an, dass unterschiedliche Nahrungsquellen oder symbiotisch lebende Bakterien im Körper der Läuse für die Farbgebung verantwortlich sind. Eine mögliche sinnvolle Erklärung für diese Farbvielfalt der Läuse wäre eine Schutzfunktion vor Fressfeinden. Dies konnte widerlegt werden. Sowohl die roten, als auch die grünen Erbsenblattläuse haben Fressfeinde, die auf die jeweiligen Farben reagieren.
Daraufhin wollten die Forscher den Produktionsweg der Carotine nachverfolgen. Hierzu suchten sie nach möglichen Carotinoid-Produzenten. Nahrungsunterschiede konnten ausgeschlossen werden, da die untersuchten Blattläuse sich eine Nahrungsquelle teilten. In Frage kamen somit noch Unterschiede bei Bakterien, die in spezialisierten Zellen der Läuse leben und Nährstoffe aufbauen. Doch nach Entfernung der Bakterien entwickelten sich die Folgegenerationen der Erbsenblattläuse noch immer mit Carotinen. Somit fielen beide Erklärungsansätze aus.
Durch die Analyse der kompletten DNA der Erbsenblattlaus kam verblüffendes zu Tage. Bestimmte, „hauseigenen“ Gene der Blattläuse sind für die Produktion der unterschiedlichen Carotine verantwortlich. Ein Sequenzvergleich mit Pflanzengenen ergab jedoch keine plausiblen Ähnlichkeiten. Fündig wurden die Forscher bei Genen einiger Pilze. Diese ergaben eine verblüffende Übereinstimmung. Die Wissenschaftler schließen daraus, dass Vorfahren der Erbsenblattlaus diese Pilz-Gene in das eigene Genom überführt haben.
Die Unterschiedlichkeit der Farben der Blattläuse erklären die Forscher mit evolutionsbedingten Kopierfehlern (Mutationen) bei der Vererbung. Die vor vielen Generationen geschehene Gen-Übertragung, hat sich perfekt in die Biologie der Laus eingegliedert. Damit ist zum ersten mal der Nachweis erbracht, dass auch Tiere in der Lage sind, Carotine zu synthetisieren. Gleichzeitig war der beobachtete Gentransfer von einem Pilz in ein Insekt der erste natürliche Gentransfer, bei welchem die Funktion eines Gens aus einem niederen Organismus in einem höheren Lebewesen vollständig erhalten blieb. Bisher waren derartige Funktionsübertragungen ausschließlich zwischen niedereren Lebewesen wie Pilzen, Bakterien oder Hefen bekannt.
Auch wenn Pilze keine Pflanzen sind, stellt sich die Frage, ob ein natürlicher Transfer (Gentransfer) von voll funktionsfähigen Genen zwischen anderen Organismen z.B. in oder aus Pflanzen prinzipiell möglich ist. Das Tiere funktionsfähige Gene aus einfachen Organismen wie Pilzen, Bakterien oder Hefen in das eigene Erbmaterial fest integrieren und an nachfolgende Generationen vererben, ist mit dieser Studie prinzipiell bewiesen. Damit ist die Evolution um ein weiteres Prinzip bereichert worden.
Quelle:
Nancy Moran und Tyler Jarvik (University of Arizona, Tucson): Lateral Transfer of Genes from Fungi Underlies Carotenoid Production in Aphids. In: Science, Bd. 328, Nr. 5978, S. 624, doi: 10.1126/science.1187113.