PrimedPlant3

Starthilfe für die Immunabwehr der Gerste

12.03.2025 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Zellen (Myzel) vom Schadpilz Blumeria graminis auf einem Gerstenblatt. (Bildquelle: © Dimitar Kostadinov Douchkov / IPK Gatersleben)

Zellen (Myzel) vom Schadpilz Blumeria graminis auf einem Gerstenblatt. (Bildquelle: © Dimitar Kostadinov Douchkov / IPK Gatersleben)

Geprimte Pflanzen können sich besser gegen Pathogene verteidigen. Das Forschungsprojekt PrimedPlant will daher molekulare Marker identifizieren, damit Züchter auf gut primebare Linien selektieren können.

Wer schon in Alarmbereitschaft ist, reagiert schneller und stärker, wenn Schaderreger tatsächlich zum Angriff übergehen. Das gilt auch für Pflanzen. Priming für verstärkte Abwehr nennt sich dieser Mechanismus: „Der Zustand eines aktiven Primings bedeutet, dass die Pflanzen durch den Kontakt mit bestimmten Stoffen, beispielsweise bestimmten Chemikalien oder bakteriellen Komponenten, Abwehrmaßnahmen vorbereiten“, erläutert Prof. Dr. Adam Schikora vom Julius Kühn-Institut (JKI), Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen in Braunschweig. Komme dann ein Krankheitserreger, sei die Pflanze darauf weitgehend vorbereitet. Gemeinsam mit Kolleg:innen vom Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK) in Gatersleben und dem JKI-Institut für Resistenzforschung und Stresstoleranz sowie mehreren Züchtungsorganisationen stellte Schikora sich vor einigen Jahren die Frage: Könnte man diesen Mechanismus züchterisch aufgreifen und gezielt für die Landwirtschaft nutzen?

Gibt es Priming auch bei Gerste?

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Erkranktes Gersteblatt: Konidiophoren von Ramularia durchbrechen das Blattgewebe. Aufnahme mit konfokalem Laser-Scanning-Mikroskop, Chitin-spezifische Färbung der Pilzzellwand.

Erkranktes Gersteblatt: Konidiophoren von Ramularia durchbrechen das Blattgewebe. Aufnahme mit konfokalem Laser-Scanning-Mikroskop, Chitin-spezifische Färbung der Pilzzellwand.

Bildquelle: © Cambeis M. und Schikora, A. (2025)

2016 entstand so das Projekt PrimedPlant, das sich aktuell im dritten Förderzeitraum befindet und noch bis März 2026 läuft. Am Beispiel der Gerste wollen die Beteiligten herausfinden: Gibt es das Priming auch bei Getreide? Hängt die Stärke des Primings vom Genotyp ab – und wenn ja, von welchen Genen? Und lassen sich Gerstensamen so vorbehandeln, dass sie bereits ihre Keimphase geprimt beginnen und so Krankheitserreger erfolgreicher abwehren?

In der ersten Projektphase konnte das Team bereits belegen, dass ein Priming von Gerste durch die weit verbreiteten und für viele Pflanzen nützlichen Knöllchenbakterien der Art Ensifer meliloti möglich ist. Dahinter steckt das sogenannte Quorum Sensing der Bakterien: Die Mikroorganismen verständigen sich untereinander mithilfe von Signalmolekülen darüber, wie viele sie in einer Population sind. Denn davon hängt ab, ob die Bakterien bestimmte Gene – etwa für die Virulenz oder für die Bildung eines Biofilms – aktivieren. „Dieses Quorum Sensing können auch Pflanzen wahrnehmen“, berichtet Schikora. Im Fall vieler Gram-negativer Bakterien beruht es auf dem Signalstoff Acylhomoserinlaktonen (AHL).

Genotyp entscheidet, ob und wie stark Priming wirkt

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Verschiedene Sommergerstenlinien in einem Feldexperiment zusammen mit KWS in Wetze (Nordheim).

Verschiedene Sommergerstenlinien in einem Feldexperiment zusammen mit KWS in Wetze (Nordheim).

Bildquelle: © Cambeis M. und Schikora, A. (2025)

Früh zeigte sich auch, dass die Stärke des Primings, die sogenannte Responsiveness, vom Genotyp der Gerstenlinien abhängt. Einige lassen sich sehr gut primen, andere gar nicht. Mittels genomweiten Assoziationsstudien gelang es, Regionen im Erbgut der Gerste zu identifizieren, in denen sich entscheidet, wie die Pflanze auf den Kontakt mit AHL reagiert. In der dritten Projektphase wollen die Forscher:innen idealerweise die beteiligten Gene identifizieren und molekulare Marker entwickeln, anhand derer Züchter:innen auf Pflanzen selektieren können, die sich gut primen lassen. Vielleicht ließe sich so auch besser verstehen, was genau beim Priming eigentlich abläuft und die Pflanzen resistenter werden lässt.

Um gute Markerregionen zu finden, nutzt das Team am IPK auch maschinelles Lernen. Phänotypische Daten von rund 200 Gerstenlinien werden dabei ausgewertet und analysiert, welche Bereiche des Genoms bei Infektionen mit Mehltau, Bipolaris, Rostpilzen und anderen Pathogenen aktiviert werden. Legt man die Ergebnisse der jeweiligen Screens übereinander, werden jene Regionen im Genom sichtbar, die in allen Fällen wichtig sind. „Wir haben immer wieder Überschneidungen gefunden, was uns darin bestärkt, dass AHL-Priming funktioniert“, freut sich Schikora. „Wir sehen es immer wieder und es funktioniert recht stabil.“

Dritte Forschungsphase rückt nah an die Praxis

In der dritten Projektphase werden die Versuche zudem realitätsnäher. „Dass nur ein Pathogen vorhanden ist, ist eine ideale Vorstellung aus dem Labor, kommt aber in der Natur nicht vor“, sagt Schikora. Die Forscher:innen untersuchen deshalb Infektionen mit mehreren Pathogenen zugleich. Werden sich dabei die gut zu primenden Linien erneut am besten bewähren?

Die Arbeitsgruppe von Schikora befasst sich zudem mit einigen anwendungspraktischen Fragen: Reicht eine Behandlung aus, um die Pflanzen zu primen? Wie lang muss das Priming andauern und zu welcher Entwicklungsphase muss es erfolgen? Wie viele Bakterien müssen an einer Wurzel anhaften, um ein gutes Priming zu bewirken?

Außerdem will das Team an fünf Standorten in Deutschland und Frankreich erproben, ob das Priming auch unter Feldbedingungen funktioniert. Dazu inokulieren die Forscher:innen das Saatgut mit verschiedenen Bakterien, unter anderem mit dem Bakterium E. meliloti.

Wissenschaftliche Partner:

Drei Faktoren für erfolgreiches Priming identifiziert

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Das Projekt untersucht drei Fragen: Welche Gerstengenotypen sind für Priming empfänglich, welche Pathogene lassen sich damit abwehren, und welche abiotischen Faktoren beeinflussen den Prozess?

Das Projekt untersucht drei Fragen: Welche Gerstengenotypen sind für Priming empfänglich, welche Pathogene lassen sich damit abwehren, und welche abiotischen Faktoren beeinflussen den Prozess?

Bildquelle: © Erstellt in BioRender. Cambeis M. und Schikora, A. (2025)

„Erfolgreiches Priming beruht auf drei Faktoren“, fasst Schikora den Stand des Wissens zusammen: Erstens müsse der Genotyp der Pflanze stimmen und sie fähig sein, auf die Signal-Moleküle der Bakterien zu reagieren. Aus der Modellpflanze Arabidopsis thaliana ist bekannt, dass das AHL-Priming Protein 1 (ALI1) mit AHL-Molekülen von Bakterien interagiert. „Für Gerste konnten wir das noch nicht verifizieren“, berichtet der Pflanzenforscher. Zusätzlich habe das Projektteam drei Transkriptionsfaktoren identifiziert, die sich als Zentralpunkte des Primings herauskristallisiert hätten.

Wie wichtig dieser Aspekt der Forschung ist, zeigt die Praxis: Weil die Priming-Fähigkeit im Genom bislang nicht nachweisbar war, konnten Züchter bisher nicht auf diese Eigenschaft selektieren. So passiert es immer wieder, dass ein Landwirt Elitelinien anbaut und durch die Zugabe von mikrobiellen Präparaten primen möchte, aber es funktioniert dann einfach nicht. „Das liegt dann nicht an den Präparaten, sondern daran, dass die Sorten dafür nicht empfänglich sind“, erklärt Schikora. „Wir brauchen Kompatibilität zwischen Genom und Mikrobiom.“

Wenig Nutzen gegen nekrotrophe Pathogene

Zweitens funktioniert Priming nicht bei allen Pathogenen. „Nekrotrophe Schaderreger töten die Zelle schnell ab, sodass induzierte Resistenzen weniger ausrichten können“, erklärt Schikora. Biotrophe Pathogene hingegen brauchen für ihren Lebenszyklus eine lebendige Pflanze. „Hier haben wir gute Chancen, ein effizientes Priming zu induzieren“, sagt der Forscher. Die Pflanze baut dann ihre Zellen so um, dass mehr phenolische Komponenten in den Zellwänden sind, und produziert mehr reaktive Sauerstoffspezies. Beides hilft der Pflanze sich zu wehren.

Drittens gibt es abiotische Faktoren, die das Priming beeinflussen. So haben Messungen der Forscher:innen belegt, dass es ein Temperaturoptimum gibt, in dem bestimmte Genotypen sehr gut reagieren. Wird es hingegen zu warm, fällt die Reaktion schwächer aus.

Erstmals ein Hebel gegen die Ramularia-Blattfleckenkrankheit?

„Dieses Dreiergespann ist sehr wichtig, denn dreht man an einer Schraube, ist das Ergebnis eines Experiments komplett anders“, sagt Schikora. Das müsse man bei allen Versuchen bedenken und für entsprechende Kontrollen sorgen. Nicht zuletzt entstünden dadurch so große Datenmengen, dass man ohne Modellierung und KI die Datenmengen kaum mehr überschauen könne.

Besonders große Hoffnung hegt Schikora übrigens in Bezug auf die Ramularia-Blattfleckenkrankheit, die ein bedeutendes Problem im Gerstenanbau darstellt. In Deutschland gibt es keine resistenten Gerstensorten und auch keine wirksamen Fungizide gegen diese Krankheit. Geprimte Gerste hat sich jedoch in den Feldversuchen als ziemlich widerstandsfähig gegen diesen Pilz erwiesen. Wenn die weiteren Experimente erfolgreich verlaufen, hätten Landwirte endlich etwas gegen den Erreger in der Hand.


Publikationen:

Shrestha, A. et al. (2019): Genetic Differences in Barley Govern the Responsiveness to N-Acyl Homoserine Lactone. In: Phytobiomes Journal, (23. Juli 2019), doi: 10.1094/PBIOMES-03-19-0015-R.

Wehner, G. et al. (2019): Priming Is a Suitable Strategy to Enhance Resistance Towards Leaf Rust in Barley. In: Phytobiomes Journal, (25. April 2019), doi: 10.1094/PBIOMES-09-18-0041-R.

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Titelbild: Zellen (Myzel) vom Schadpilz Blumeria graminis auf einem Gerstenblatt. (Bildquelle: © Dimitar Kostadinov Douchkov / IPK Gatersleben)